Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Weg wie ein Gedicht

Ein neuer Wanderweg verbindet die Wohnsitze der Dichterin und Lyrikerin Annette von Droste‰Hülshoff im Münsterlan­d.

- VON ANDREAS DROUVE

Im Münsterlan­d befinden sich die beiden wichtigste­n Lebensstät­ten von Annette von Droste-Hülshoff (1797 bis 1848): Burg Hülshoff und Haus Rüschhaus. DrosteHüls­hoff gilt als eine der maßgeblich­en Literatinn­en Deutschlan­ds, die durch Gedichte wie „Der Knabe im Moor“und die Novelle „Die Judenbuche“Berühmthei­t erlangte. In der Wasserburg Hülshoff wurde sie 1797 in ein Adelsgesch­lecht hineingebo­ren. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1826 zog sie mit ihrer Mutter und Schwester aufs Landgut Haus Rüschhaus.

Die beiden Orte verbindet der neue „Droste-Landschaft: Lyrikweg“, der auf etwa sieben Kilometer Länge nordwestli­ch von Münster verläuft. Auf die Frage, warum man den Weg in Angriff nehmen sollte, antwortet Projektlei­terin Farah Heiß: „Um Literatur auf eine neuartige Art und Weise im Freien, im öffentlich­en Raum zu erleben.“ Unterwegs animieren Schautafel­n, sich ins Leben und Schaffen der Lyrikerin zu vertiefen – wie auf einem Wiesenstüc­k bei Haus Vögeding. Reinhard Weißen, der Besitzer dieser Burganlage, erinnert an Geschichts­splitter aus der Zeit von Droste-Hülshoff: „Hier ging sie auf ihren Wanderunge­n immer rein, und trank mit der Burgfrau ein Glas Buttermilc­h.“

Auf den Farbtafeln befinden sich nicht nur historisch­e Skizzen und biografisc­he Zitate von Droste-Hülshoff, sondern auch Beiträge von Autoren und Experten.

Literatur im Freien erleben Fast eine Million Euro hat das innovativ gestaltete Projekt gekostet. Eine App zum Lyrikweg erweitert mit Hörstücken die Droste-Landschaft. Als Extra können Wanderer an Drostes Buttermilc­hhalt Haus Vögeding „ein Selfie mit Milchbart“machen, sagt Farah Heiß und lacht.

Zu Fuß oder per Rad – beides ist möglich. Obgleich der Lyrikweg

mit rot-rosa Zeichen in beide Richtungen markiert ist, empfiehlt es sich, aus Gründen der Chronologi­e bei der Wasserburg Hülshoff zu starten.

Das Droste-Museum auf der Burg stimmt auf eine Person ein, die als unverheira­tete Frau eigentlich nicht porträtier­t werden durfte – dennoch hängt ein Gemälde von ihr im Speisesaal.

Interesse an Natur und Fossilien

Der Lyrikweg führt an den schönsten, entlegenst­en Stücken durch ein Feld- und Wiesenland, das DrosteHüls­hoff allerdings so nicht kannte. Zu ihrer Zeit dominierte dort die Heide, die von Menschenha­nd später in Agrar- und Weidefläch­en verwandelt wurde. „Droste war eine Naturbeoba­chterin mit genauem, sezierende­m Blick“, sagt Heiß. Bei ihren Touren hatte sie oft ein Hämmerchen dabei, um Fossilien freizulege­n. Das passende Zitat dazu liefert eine Tafel an einem Waldsaum, wo Holzbänke zum Verweilen einladen:

„Es wird mir zuweilen ganz wunderlich, wenn ich manche Stängel oder Muscheln, genau in der Form, wie sie damals der Augenblick verbogen hat, wieder hervortret­en sehe, gleichsam in ihrer Todeskrümm­ung.“Der Weg kreuzt eine Landstraße und die Münstersch­e Aa, einen Nebenfluss der Ems, passiert dann Backsteinh­äuser und eine Marienkape­lle. Im Hintergrun­d wirbeln Windkraftr­äder.

Im Haus Rüschhaus lebte Droste-Hülshoff zwei Jahrzehnte lang. „Schneckenh­äuschen“nannte sie ihr eigenes Reich, wo die Novelle „Die Judenbuche“entstand. Dort spielte sie auch Klavier und komponiert­e. „Ich lebe hier sehr still für mich“, liest man gegenüber vom Rüschhaus auf der letzten Tafel des Lyrikwegs – und muss genau hinsehen, um darunter eine Metallklap­pe zu entdecken. Wer die Klappe öffnet, findet darin ein verborgene­s Gästebuch.

 ?? Foto: Christoph Steinweg, BOK + Gärtner GmbH, tmn ?? Entlang des Weges befinden sich Schautafel­n mit Infos rund um das Le‰ ben und Wirken der Lyrikerin und Literatin.
Foto: Christoph Steinweg, BOK + Gärtner GmbH, tmn Entlang des Weges befinden sich Schautafel­n mit Infos rund um das Le‰ ben und Wirken der Lyrikerin und Literatin.
 ?? Foto: Andreas Drouve, tmn ?? Annette Droste‰Hülshoff gilt als eine der maßgeblich­en Literatinn­en Deutschlan­ds.
Foto: Andreas Drouve, tmn Annette Droste‰Hülshoff gilt als eine der maßgeblich­en Literatinn­en Deutschlan­ds.

Newspapers in German

Newspapers from Germany