Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Weg wie ein Gedicht
Ein neuer Wanderweg verbindet die Wohnsitze der Dichterin und Lyrikerin Annette von DrosteHülshoff im Münsterland.
Im Münsterland befinden sich die beiden wichtigsten Lebensstätten von Annette von Droste-Hülshoff (1797 bis 1848): Burg Hülshoff und Haus Rüschhaus. DrosteHülshoff gilt als eine der maßgeblichen Literatinnen Deutschlands, die durch Gedichte wie „Der Knabe im Moor“und die Novelle „Die Judenbuche“Berühmtheit erlangte. In der Wasserburg Hülshoff wurde sie 1797 in ein Adelsgeschlecht hineingeboren. Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 1826 zog sie mit ihrer Mutter und Schwester aufs Landgut Haus Rüschhaus.
Die beiden Orte verbindet der neue „Droste-Landschaft: Lyrikweg“, der auf etwa sieben Kilometer Länge nordwestlich von Münster verläuft. Auf die Frage, warum man den Weg in Angriff nehmen sollte, antwortet Projektleiterin Farah Heiß: „Um Literatur auf eine neuartige Art und Weise im Freien, im öffentlichen Raum zu erleben.“ Unterwegs animieren Schautafeln, sich ins Leben und Schaffen der Lyrikerin zu vertiefen – wie auf einem Wiesenstück bei Haus Vögeding. Reinhard Weißen, der Besitzer dieser Burganlage, erinnert an Geschichtssplitter aus der Zeit von Droste-Hülshoff: „Hier ging sie auf ihren Wanderungen immer rein, und trank mit der Burgfrau ein Glas Buttermilch.“
Auf den Farbtafeln befinden sich nicht nur historische Skizzen und biografische Zitate von Droste-Hülshoff, sondern auch Beiträge von Autoren und Experten.
Literatur im Freien erleben Fast eine Million Euro hat das innovativ gestaltete Projekt gekostet. Eine App zum Lyrikweg erweitert mit Hörstücken die Droste-Landschaft. Als Extra können Wanderer an Drostes Buttermilchhalt Haus Vögeding „ein Selfie mit Milchbart“machen, sagt Farah Heiß und lacht.
Zu Fuß oder per Rad – beides ist möglich. Obgleich der Lyrikweg
mit rot-rosa Zeichen in beide Richtungen markiert ist, empfiehlt es sich, aus Gründen der Chronologie bei der Wasserburg Hülshoff zu starten.
Das Droste-Museum auf der Burg stimmt auf eine Person ein, die als unverheiratete Frau eigentlich nicht porträtiert werden durfte – dennoch hängt ein Gemälde von ihr im Speisesaal.
Interesse an Natur und Fossilien
Der Lyrikweg führt an den schönsten, entlegensten Stücken durch ein Feld- und Wiesenland, das DrosteHülshoff allerdings so nicht kannte. Zu ihrer Zeit dominierte dort die Heide, die von Menschenhand später in Agrar- und Weideflächen verwandelt wurde. „Droste war eine Naturbeobachterin mit genauem, sezierendem Blick“, sagt Heiß. Bei ihren Touren hatte sie oft ein Hämmerchen dabei, um Fossilien freizulegen. Das passende Zitat dazu liefert eine Tafel an einem Waldsaum, wo Holzbänke zum Verweilen einladen:
„Es wird mir zuweilen ganz wunderlich, wenn ich manche Stängel oder Muscheln, genau in der Form, wie sie damals der Augenblick verbogen hat, wieder hervortreten sehe, gleichsam in ihrer Todeskrümmung.“Der Weg kreuzt eine Landstraße und die Münstersche Aa, einen Nebenfluss der Ems, passiert dann Backsteinhäuser und eine Marienkapelle. Im Hintergrund wirbeln Windkrafträder.
Im Haus Rüschhaus lebte Droste-Hülshoff zwei Jahrzehnte lang. „Schneckenhäuschen“nannte sie ihr eigenes Reich, wo die Novelle „Die Judenbuche“entstand. Dort spielte sie auch Klavier und komponierte. „Ich lebe hier sehr still für mich“, liest man gegenüber vom Rüschhaus auf der letzten Tafel des Lyrikwegs – und muss genau hinsehen, um darunter eine Metallklappe zu entdecken. Wer die Klappe öffnet, findet darin ein verborgenes Gästebuch.