Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum ihr eigenes Brot am besten schmeckt
Selbst gemacht Brot aus der Bäckerfiliale oder aus dem eigenen Backofen? Für Claudia Wegele aus Gersthofen keine Frage: Warum sie zur passionierten Brotbäckerin wurde.
Gersthofen Brot gehört bei uns zum täglichen Leben. Oft kommt es allerdings in der heutigen Zeit aus großen Fabriken, die jeweils nach Standardrezepten backen. Claudia und Adalbert Wegele aus Gersthofen wollten irgendwann keine 08/15-Ware mehr, die immer gleich schmeckte. Sie backen ihr eigenes Brot – wie noch einige andere Gersthoferinnen und Gersthofer. Und das hat einen Grund.
Vor ein paar Jahren errichtete ein Team der evangelisch-lutherischen Bekenntniskirche Gersthofen ein Backhaus auf dem Gemeindegrund an der Ludwig-Hermann-Straße. Seitdem werden immer wieder Brotback-Tage angeboten, an welchen der Holzofen angeheizt wird. Bürgerinnen und Bürger können dann ihre Brotlaibe mitbringen und sie dort gemeinsam backen lassen.
In den Jahren hat sich da ein fester Stamm gebildet. „Um die sechs Leute sind bei den Backtagen regelmäßig anzutreffen“, sagt Claudia Wegele. Die 58-Jährige und ihr Mann Adalbert (62) kamen selbst auf ungewöhnlichem Weg dazu, ihr eigenes Brot herzustellen. „Wir haben bei einem Urlaub im Jahr 2019 in Ägypten ein Ehepaar aus Rüsselsheim kennengelernt.“Dieses habe das Brot selbst gebacken. „Von ihnen bekam ich dann auch einen Sauerteig, den ich seitdem selbst weiter kultiviere“, erzählt Claudia Wegele.
Am Anfang haben sie und ihr Mann etwas gezögert. Doch dann sprang der Funke über. „Wir haben verschiedene Brotrezepte gegoogelt – doch keines davon war besonders“, sagt Adalbert Wegele. Schließlich stießen sie auf eines aus der Fernsehreihe „Hobbythek“, das sie überzeugte. „Selbstverständlich haben wir es inzwischen abgewandelt.“So kommen, je nach Lust und Laune, auch mal Röstzwiebeln oder
Walnusskerne in den Teig. „Wir haben aber auch viele Kräuter im Garten.“So wird auch immer mal wieder etwas Neues probiert. Und wenn dann wieder Brottag am Backhaus der evangelischen Gemeinde ist, stellt meist Adalbert Wegele den Teig her, bereitet die Körbe vor und Claudia Wegele bringt sie dann zum Holzofen.
Brot selbst backen ist für das Gersthofer Ehepaar auch ein Stück Nachhaltigkeit: „Die Ruhe ist das Geheimnis. Man muss sich bei der Brotherstellung Zeit lassen und vorausplanen“, betont Claudia Wegele. Denn aus dem alten Sauerteig wird am Vortag zunächst durch Zugabe von Mehl und Wasser ein neu
angefüttert. „Diesen neuen Sauerteig lässt man dann unter einem Tuch in einer Schüssel ruhen. Über Nacht geht er auf.“Danach wird Roggenmehl hinzugegeben. Claudia Wegele hat auch einen Tipp: „Je länger der Teig ruhen kann, umso besser wird dann das Ergebnis.“Ist kein eigener Sauerteig vorhanden, kann man diesen auch im Supermarkt kaufen.
Zum Kneten verwendet Claudia Wegele eine aus dem Jahr 1952 stammende Bosch-Küchenmaschine aus der Serie „Neuzeit“. Die hat sie vom Hausfrauenbund am Augsburger Zeugplatz gegen eine Spende bekommen. Altes zu verwenden, gehört für sie zu einem nachhaltigen
Leben dazu. „Da geht der Teig für gut zwei Brote hinein – und es gibt heute noch Ersatzteile.“
Der eigentliche „Bäckermeister“in der Familie ist aber Adalbert Wegele. Er ist von Beruf Metzger und kocht für sein Leben gern. „Wenn man seine Speisen selbst zubereitet, weiß man auch, was man isst, und man lernt wertzuschätzen, was die Lebensmittel bedeuten“, ist er überzeugt. „Und schon der Duft der Kräuter, des backenden Brotes, ist ein Genuss.“Etwa zwei Drittel ihres Brotbedarfs decken Wegeles selbst, backen auch im heimischen Herd. „Und wenn der Ofen für das Brot schon angeheizt ist, nutze ich die Wärme danach noch für einen Kuer chen.“So werde die Energie optimal ausgenützt.
Auch sonst setzt Claudia Wegele, die seit Jahren auf den Verzehr von Fleisch verzichtet, auf eigene Küche, möglichst frei von künstlichen Aromastoffen. „Die Menschen haben kein feines Geschmacksempfinden mehr“, bedauert sie. Stattdessen macht sie ihren Joghurt selbst – natürlich mit frischen Früchten, genießt deren unverfälschten Eigengeschmack. Das bringt die 58-jährige, die bei einer Organisation in der Augsburger Innenstadt arbeitet, nach dem Job auch wieder mehr zurück zu sich selbst: „Beim Kochen und Backen bekommt man den Kopf wieder frei.“