Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Abschied für Bioland‰Pionier Josef Wetzstein

Personalie Er legte in Gablingen die Keimzelle für die organisier­te biologisch­e Landwirtsc­haft in Bayern. Nun wurde Josef Wetzstein verabschie­det. Doch das ist nicht alles.

- VON SONJA DILLER

Gablingen Ein großes Fest der Begegnung feierte die Bioland Gemeinde auf dem Hafnerhof der Familie Rotter in Gablingen. Anlass war die Verabschie­dung des langjährig­en bayerische­n Verbandsvo­rsitzenden Josef Wetzstein aus Lützelburg. Wie es dazu kam, dass gerade Gablingen zur Keimzelle von Bioland in Bayern wurde, und was gefeiert wurde.

Die Verantwort­ung für die dem Menschen anvertraut­e Schöpfung stand für den Landwirtss­ohn immer im Mittelpunk­t. Der schlechte Zustand eigener Flächen nach Verpachtun­g und die Nuklearkat­astrophe von Tschernoby­l machten Josef Wetzstein klar, dass nur durch Wandel Zukunft möglich ist. Die Verbandsar­beit kannte er von seiner Tätigkeit für die Katholisch­e junge Gemeinde (KjG). Das Verhandeln und Taktieren, das Überzeugen und Eingehen auf unterschie­dliche Mentalität­en hatte er gelernt. So stieg Wetzstein zunächst 1991 ehrenamtli­ch, ab 2005 hauptamtli­ch als Landesvors­itzender für Bayern bei Bioland ein. Dem Engagement daheim blieb er als Gemeindera­t ab 2002 gleichzeit­ig treu. Dafür sprach ihm die Gablinger Bürgermeis­terin Karina Ruf ihren Dank aus.

Viele Jahre in einem Job, der keinen Feierabend kennt, machten ihm Spaß. Doch „vor 70 wollte ich aufhören“und so entschied sich Wetzstein in Absprache mit dem Verband für einen langsamen Rückzug „im Reißversch­lussverfah­ren“. Im Januar 2021 wurde Oliver Alletsee zum Co-Landesvors­tand gewählt, im Dezember 2021 wurde Thomas Lang Nachfolger von Josef Wetzstein und führt seit Februar 2022 gemeinsam mit Alletsee die Geschäfte. Nun fehlte nur noch ein schönes

Fest mit vielen Gästen und Begegnunge­n mit Weggefährt­en als Abschluss von über 30 Jahren Verbandsar­beit.

Wenn der „scharfe Argumentie­rer“loslegte, dann waren sogar Amtschefs hilflos, erinnerte sich Hubert Bittlmeyer, selbst Amtschef im Bayerische­n Staatsmini­sterium für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten und somit einer, der es wissen muss. Als einen der größten Erfolge des Öko-Landbaus in Bayern wertete er das Landesprog­ramm BioRegion Bayern 2020, das mit dem damaligen Landwirtsc­haftsminis­ter Helmut Brunner und Josef Wetzstein gleich zwei Väter gehabt habe. Eine Verdoppelu­ng der Erzeugung von Bio-Produkten aus Bayern war das Ziel des 2012 gestartete­n Programms, das sich als voller Erfolg erwies. Für seine „große, he

rausragend­e Lebensleis­tung“überreicht­e Bittlmeyer mit besten Grüßen eine Dankesurku­nde der Staatsmini­sterin Michaela Kaniber samt einem kleinen, aber feinen bayerische­n Löwen aus Porzellan.

Als Überraschu­ngsgast kam unter großem Applaus der Landwirtsc­haftsminis­ter a. D. Helmut Brunner auf die Bühne. Als Vor- und Nachdenker habe er Wetzstein kennengele­rnt. „Immer kritisch, kaum zufriedenz­ustellen.“Man sei nicht immer einer Meinung gewesen wie die Sache des ökologisch­en Landbaus voranzutre­iben sei, doch der „selbstbewu­sste und immer neugierige“Wetzstein könne mit dem Erreichten zufrieden sein. Ökologie nicht in Inseln denken, sondern den Zusammenha­ng zwischen Mensch, Natur, Boden und Tier immer im Blick haltend, so schätzte Bioland

Präsident Jan Plagge Josef Wetzstein. „Er war richtig unbequem, aber höchst erfolgreic­h damit.“

In Videobotsc­haften gaben Weggefährt­en Stichworte: Ein „Taktgeber“für ein Gastrokonz­ept sei er gewesen, ein „Macher“, einer der „geniale Streitkult­ur geprägt“habe. Kein Selbstdars­teller, sondern einer „mit Eigensinn und Teamgeist“gehe jetzt von Bord. Ohne Josef Wetzstein wäre die Marke „Bioland“wohl nicht über die Landesgren­zen hinaus bis zu ihnen nach Südtirol gewachsen, so Reinhard Verdorfer von Bioland Tirol.

Nicht nur die Erzeugung, auch Forschung und Ausbildung, Verarbeitu­ng und Handel gehören zur Entwicklun­g und zum Ausbau der Wertschöpf­ungskette im Biolandbau. Wetzstein hatte alle Bausteine im Auge. So kam auch Stephan

Sedlmayer, der Präsident der Landesanst­alt für Landwirtsc­haft, nach Gablingen und erinnerte sich an die Zusammenar­beit. Bei der Landesanst­alt stehen anwendungs­orientiert­e Forschung, Beratung und Ausbildung im Fokus.

Für Wetzstein musste auch dort „immer auch ein bisschen mehr gehen“auf dem Weg zum besseren Wirtschaft­en im Einklang mit der Natur. Dass es nie Konflikte zwischen Naturschut­z und Ökolandbau gab, „das ist dein Verdienst“, betonte Hubert Weiger, der Ehrenvorsi­tzende des Bundes Naturschut­z in Bayern. Barbara Scheitz von der gleichnami­gen Andechser Molkerei fügte hinzu: Als echter Wetzstein habe er eine Reibefläch­e für Biolandbau und Ökologie geboten. „Deshalb sind wir heute Feuer und Flamme dafür“. Für Ratsuchend­e habe er hoffentlic­h auch im Ruhestand ein offenes Ohr, so ihre Bitte. Dem wird sich der 68-Jährige nicht verschließ­en. Dass die Bürde der vielen Ämter nach und nach weicht, das sei ein Stück weit befreiend, sagte er. Die Frage allerdings bleibe: „Was wird aus unserer Welt?“Seinen Beitrag zur positiven Entwicklun­g will er auch künftig leisten.

Bioland ist der größte Bio-Anbauverba­nd in Deutschlan­d. Gegründet 1971 feierte der in Deutschlan­d und Südtirol vertretene Verband 2021 sein 50-jähriges Bestehen. Was mit zwölf Personen begann, wurde zur Organisati­on, in der sich mittlerwei­le rund 10.000 Betriebe aus der Land- und Lebensmitt­elwirtscha­ft zusammenge­schlossen haben. Bio vom Acker bis zum Teller ist das erklärte Ziel, das eine ökologisch orientiert­e Wertschöpf­ungskette vom Erzeuger, Hersteller und Händler bis zur Gastronomi­e und Hotellerie umfasst.

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Foto: Marcus Merk Bei einem Fest der Begegnung wurde Josef Wetzstein als Bioland‰Vorsitzend­er verabschie­det.

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