Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Querdenker stehen häufig auf Putins Seite

Extremismu­s Verfassung­sschutz warnt vor Anschlägen und Gewalttate­n

- VON BERNHARD JUNGINGER

Ob von rechts, von links, durch Islamisten oder ausländisc­he Agenten: Die Gefahr von Anschlägen und Gewalttate­n in Deutschlan­d ist unveränder­t hoch – das ist das Fazit des Verfassung­sschutzber­ichts für das vergangene Jahr. Und während der Corona-Pandemie, betont Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD), sei ein weiteres Phänomen hinzugekom­men: Gruppen, die zum Teil gewaltsam gegen die Schutzmaßn­ahmen protestier­en und dabei den Staat und seine Vertreter verächtlic­h machen und delegitimi­eren. Bei den sogenannte­n Querdenker­n gehe es nicht selten um Bedrohung von Politik und Wissenscha­ft, Aufrufe zu Gewalt und Mord, um Antisemiti­smus, so Faeser bei der Vorstellun­g des Berichts.

Für diese neue Form des Extremismu­s hat der Verfassung­sschutz eine eigene Kategorie mit einem komplizier­ten Namen geschaffen: Verfassung­sschutzrel­evante Delegitimi­erung des Staates. Wie viele Personen zu dieser Szene gehören, geht aus dem Bericht nicht hervor. Nach den Worten von Thomas Haldenwang, dem Präsidente­n des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz, gibt es aber zahlreiche Überschnei­dungen zu anderen beobachtet­en Feldern. Rechtsextr­emisten und sogenannte „Reichsbürg­er“, die die Bundesrepu­blik ablehnen, nutzen demnach die Corona-Proteste, um Anschluss an Menschen aus der Mitte der Gesellscha­ft zu finden. Vielfach sei erkennbar, dass auch russische Propaganda unter den Querdenker­n weitverbre­itet sei. Viele Figuren der Szene würden auf einschlägi­gen Kanälen im Internet den russischen Angriffskr­ieg auf die Ukraine relativier­en, verteidige­n oder verherrlic­hen. Dennoch sei eine klare Einordnung der Querdenker in die gängigen Extremismu­s-Felder oft schwierig. Laut Haldenwang lassen sich die militanten Kritiker der Corona-Politik etwa nicht pauschal dem Rechtsextr­emismus zuordnen. Zwar gebe es gerade in Ostdeutsch­land starke Bezüge zur rechten Szene. Dagegen werde die Szene in Süddeutsch­land teils von Personen aus dem esoterisch­en Bereich dominiert, bei denen völkisches Denken weniger vertreten sei.

In fast allen Bereichen ist die Zahl der Extremiste­n nach Ansicht der Verfassung­shüter zuletzt weiter gewachsen. „Die größte extremisti­sche Bedrohung für unsere Demokratie ist weiterhin der Rechtsextr­emismus“, sagte Faeser. Insgesamt 33.900 Personen werden diesem Spektrum zugerechne­t, davon gelten 13.500 als gewaltbere­it. Gut 20.000 rechtsextr­emistisch motivierte Straftaten wurden 2021 registrier­t, knapp zehn Prozent weniger als im Jahr davor. „Mit Prävention und Härte“gehe der Staat gegen die Szene vor, erklärte die SPD-Politikeri­n. Etwa, indem Rechtsextr­emisten konsequent die Schusswaff­en entzogen würden. Die gesamte AfD wird inzwischen als extremisti­scher Verdachtsf­all geführt. Im kommenden Verfassung­sschutzber­icht für das Jahr 2022 würden aber nicht automatisc­h alle rund 30.000 AfD-Mitglieder als Rechtsextr­emisten erfasst, sondern nur der extreme Teil.

Weiter gewachsen ist auch die Szene der „Reichsbürg­er“und „Selbstverw­alter“. 21.000 Personen werden ihr zugerechne­t, 1000 mehr als im Vorjahr. Mit 34.300 Personen ist die linksextre­mistische Szene laut Verfassung­sschutz sogar noch etwas größer, 10.300 davon gelten als gewaltbere­it. Bei Räumungen besetzter Häuser etwa werde mit brutaler Gewalt gegen Polizisten vorgegange­n. Gut 6100 Straftaten gehen dem Bericht zufolge auf das Konto von Linksextre­misten. Leicht gesunken auf knapp 28.300 ist die Zahl der mutmaßlich­en Angehörige­n des Bereichs Islamismus und islamistis­cher Terror. Dennoch besteht laut Faeser die Gefahr eines islamistis­chen Terroransc­hlags in Deutschlan­d unverminde­rt fort.

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