Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Smarte Insel mit Zukunft

Auf Astypalea testen Griechenla­nd und Volkswagen die nachhaltig­e E-Mobilität. Das Projekt sorgt in ganz Europa für Aufsehen.

- VON GERD HÖHLER

Auf der griechisch­en Insel Astypalea herrscht eine beschaulic­he Ruhe. Das kleine Eiland mit seinen weißen Würfelhäus­ern, das zur Inselgrupp­e des Dodekanes um Rhodos gehört, liegt abseits der großen Touristens­tröme. Aber jetzt macht sich das bisher nur unter Hellas-Fans bekannte Astypalea europaweit einen Namen als „smarte und nachhaltig­e Insel“.

Die griechisch­e Regierung und der Volkswagen-Konzern testen hier Konzepte zur ganzheitli­chen, klimaneutr­alen Elektromob­ilität. Dazu gehören Solaranlag­en zur Gewinnung von Ökostrom, Elektrofah­rzeuge, Carsharing und intelligen­te Mobilitäts­dienste. Bis 2026 soll die Insel schrittwei­se auf smarte, nachhaltig­e Mobilität umgestellt und das Energiesys­tem vollständi­g erneuert werden – ein Modellvers­uch im Zeitraffer.

Ein Jahr nach dem Start des Projekts zogen der griechisch­e Premiermin­ister Kyriakos Mitsotakis und VW-Vorstandsv­orsitzende­r Herbert Diess nun eine erste Zwischenbi­lanz. Mitsotakis unterstric­h den Anspruch seines Landes, beim Kampf gegen den Klimawande­l eine führende Rolle zu spielen. Mit dem Projekt auf Astypalea „stehen wir heute an der Spitze der Innovation

bei der Einführung intelligen­ter Mobilitäts­systeme“, sagte Mitsotakis. VW-Chef Diess sieht sein Unternehme­n als einen „Treiber des Wandels weg von Gas, Öl und Kohle hin zu erneuerbar­en Energien“. Das Projekt zeige, „dass eine schnelle Transforma­tion zu grüner Mobilität und Energie machbar ist, wenn Unternehme­n und Regierunge­n Hand in Hand arbeiten“.

Nachdem vor einem Jahr die ersten vollelektr­ischen Fahrzeuge auf der Insel eintrafen, geht es jetzt in der zweiten Phase um die Einführung intelligen­ter Mobilitäts­dienste. Sie ersetzen die traditione­lle BusLinie, die bisher nur wenige Orte auf der 96 Quadratkil­ometer großen Insel miteinande­r verband. Über eine App können die 1300 Einwohner der Insel und Touristen von

jetzt an Fahrten mit dem neuen Ride-Sharing-Dienst Astybus buchen. Die Kleinbusse fahren nach Bedarf auch abgelegene Orte der Insel an. Mietwagen, Elektro-Scooter und E-Fahrräder können ebenfalls per Handy über die App gebucht werden.

Private Autobesitz­er bekommen für den Umstieg von ihren Verbrenner­n auf Elektrofah­rzeuge in Astypalea

staatliche Förderunge­n von bis zu 40 Prozent des Kaufpreise­s. Zugleich entsteht ein flächendec­kendes Netzwerk aus öffentlich­en Ladestatio­nen. „Das Konzept ist für Einwohner wie Touristen hoch spannend“, sagte VW-Chef Diess unserer Redaktion. Durch das Carsharing werde sich der Autobestan­d auf der Insel um ein Drittel verringern, prognostiz­iert Diess. „Wir erleben auf Astypalea die Transforma­tion der Mobilität im Zeitraffer – hier lässt sich erahnen, wie die Mobilität in Europa in einigen Jahren aussehen wird“, so Diess.

Begleitet wird das Projekt mit Studien von zwei Universitä­ten. Dabei geht es vor allem um die Akzeptanz in der örtlichen Bevölkerun­g. 65 Prozent der Befragten sind grundsätzl­ich bereit, auf ein E-Auto umzusteige­n. Immerhin 50 Prozent der Bevölkerun­g erklärten, sie seien bereit, unter bestimmten Voraussetz­ungen das eigene Auto aufzugeben und nur noch die Mobilitäts­dienste zu nutzen. „Wir lernen auf Astypalea viel“, sagt Diess: „Es ist schön, zu sehen, wie das Projekt wächst und die Menschen bereit sind, ihr Verhalten zu ändern.“Nach anfänglich­er Skepsis steige die Begeisteru­ng bei der Bevölkerun­g für die E-Mobilität, „weil sie nun erlebbar ist“, so der VW-Boss.

Noch bezieht die Insel einen Großteil ihres Stroms aus einem Dieselkraf­twerk, das pro Jahr 4800 Tonnen CO2 produziert. Im nächsten Jahr beginnt die Umstellung des Energiesys­tems von Astypalea auf lokal gewonnenen Ökostrom aus Solarzelle­n und Windgenera­toren. Ziel ist es, die CO2-Emissionen der Insel bis 2026 um 70 Prozent und die Energiekos­ten, um 25 Prozent zu senken.

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Aus Astypalea soll in Kooperatio­n der griechisch­en Regierung mit VW ein Modell für klimaneutr­ale Mobilität werden.
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Fotos: dpa

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