Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Immer wieder Zugunglücke in Bayern
Verkehr Ein Großteil der tödlichen Bahnunfälle der vergangenen Jahre passierte im Freistaat. Gibt es einen Grund dafür?
München Das Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen reiht sich in eine Serie an schweren Bahnunfällen mit Toten und Verletzten in Deutschland, von denen sich zuletzt auffallend viele in Bayern ereigneten. Erst im Februar waren bei Schäftlarn, einer Gemeinde südlich von München, zwei S-Bahnen auf eingleisiger Strecke zusammengestoßen. Eine Person kam ums Leben, 18 Menschen wurden verletzt. Im Mai 2018 fuhr bei Aichach eine Regionalbahn ungebremst auf einen stehenden Güterzug auf. Zwei Menschen starben, es gab 14 Verletzte. Und zwei Jahre zuvor kamen in Bad Aibling im Landkreis Rosenheim zwölf Menschen ums Leben, als zwei Nahverkehrszüge auf einer eingleisigen Strecke kollidierten.
Zum Vergleich: Die letzten tödlichen Bahnunglücke dieser Art in Deutschland zuvor fanden 2012 in Offenbach in Hessen und 2011 in Oschersleben in Sachsen-Anhalt statt. Handelt es sich um einen tragischen Zufall, dass sich die Unglücke in Bayern häufen – oder gibt es eine Erklärung?
Sowohl bei Aichach als auch in Bad Aibling und Schäftlarn war menschliches Versagen die Unfallursache. In Schäftlarn übersah der Triebwagenführer ein Haltezeichensignal, in Aichach vergaß ein Fahrdienstleiter, eine Hilfssperre am Fahrwerk anzubringen. In Bad Aibling übersah der Fahrdienstleiter ein Signal, weil er am Handy spielte.
Während Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach dem Unfall in Garmisch-Partenkirchen Fehler des Fahrpersonals zunächst ausschloss und am Montag erklärte, man suche „mit dem Schwerpunkt in Richtung technische Defekte“, gab die Staatsanwaltschaft am Dienstvormittag bekannt, gegen drei Mitarbeitende der Deutschen Bahn Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung eingeleitet zu haben.
Auf Anfrage unserer Redaktion wollte sich Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) zu den Ermittlungen nicht äußern. Auf die Frage, wie das Ministerium die Tatsache
bewerte, dass sich tödliche Bahnunglücke in Bayern häufen, teilte ein Sprecher mit: „Eine übergreifende Erklärung für die Zugunglücke in Bayern gibt es nicht. Es ist deswegen von einem tragischen Zufall auszugehen.“Der Verein Bahnverband, ein Fachverband für Bahntechnik, spricht ebenfalls von „seltenen Einzelfällen“beziehungsweise einer „Verkettung ungünstiger Umstände“.
Die vermehrten Unfälle in Bayern haben auch den Fahrgastverband
Pro Bahn nachdenklich gemacht. Sprecher Andreas Barth sagt allerdings: „Auch wir haben bisher keine systematische Erklärung gefunden.“Bahntechnik, Gleise, Fahrgastaufkommen – gibt es irgendeinen Faktor, der in Bayern Auffälligkeiten zeigt?
Laut Barth gebe es keine Unterschiede im bayerischen Bahnverkehr im Vergleich zu anderen Bundesländern, die die Sicherheit betreffen. Generell sei es jedoch so, dass sich Bayern beim Thema Bahnausbau durchaus von anderen Ländern unterscheide. „Bayern hat eine abwartende Position eingenommen“, sagt Barth. Obwohl die Regierung von einer „Verkehrswende“spreche, habe der Ausbau in der Realität keine hohe Priorität. Dadurch gebe es beispielsweise den Unterschied zu Baden-Württemberg, dass einige Strecken nur langsamer befahren werden dürfen, als es prinzipiell möglich wäre. Auch gebe es vermehrt Rückbauten. Das bedeutet, dass auf bestimmten Strecken weniger Züge verkehren, als noch Jahre zuvor. Barth betont jedoch: „All das hat keine Bedeutung für die Verkehrssicherheit.“