Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hier hat eine Frau das Kommando

Person Im Landkreis Augsburg gibt es fünf stellvertr­etende Kommandant­innen bei Feuerwehre­n. Verena Mühleisen aus Hainhofen erzählt von ihren Erfahrunge­n in der einstigen Männerwelt.

- VON REGINE KAHL

Landkreis Augsburg An ihren ersten größeren Einsatz als Vize-Kommandant­in bei der Feuerwehr Hainhofen kann sich Verena Mühleisen haargenau erinnern: Im Ort tobte ein Unwetter und Keller liefen reihenweis­e über. Die erste Bewährungs­probe für die damals 25-Jährige. Sie musste entscheide­n, in welchem Haus als erstes abgepumpt wird, wer noch warten muss und dies gegenüber den Bürgerinne­n und Bürgern vertreten. Inzwischen sind zehn Jahre vergangen, und die Feuerwehrf­rau hat viel an Routine und Erfahrung dazugewonn­en. Frauen, die bei der Feuerwehr das Kommando übernehmen, sind im Landkreis Augsburg noch selten. Doch es werden mehr.

„Die Feuerwehr ist mein Leben.“Mit diesem Satz bringt Verena Mühleisen ihre Einstellun­g und Freude an dem Engagement auf den Punkt. Schon seit ihrer Jugend ist sie bei der Hainhofer Wehr engagiert und hat über diese Arbeit auch ihren Ehemann von der Steppacher Feuerwehr kennengele­rnt. Er unterstütz­t sie bis heute bei ihrem Einsatz und hält ihr den Rücken frei. Verena Mühleisen lebt mit ihm und zwei kleinen Kindern in Schlipshei­m.

Doch der Umzug änderte nichts an ihrer Treue zur Feuerwehr in ihrem benachbart­en Heimatort Hainhofen. Mit 16 Jahren hatte Verena Mühleisen mit sieben anderen Mädels aus dem Ort beim Kommandant­en der Feuerwehr angefragt, ob sie mitmachen dürften. Sie seien anfangs ein wenig skeptisch beobachtet worden und absolviert­en erst eigene Übungen, erinnert sich die Hainhoferi­n. Vor allem Ältere hätten gezweifelt, ob die Kraft der jungen Frauen ausreicht. „So ein Schlauch wiegt schon ganz schön was“, sagt Verena Mühleisen. Von Anfang an hat ihr die Kameradsch­aft innerhalb der Truppe gefallen. Auch die Kombinatio­n aus Technik und Sport habe ihr imponiert. Von den acht jungen Frauen sind noch zwei dabei, die anderen meistens weggezogen.

Verena Mühleisen ist inzwischen sogar in eine Leitungsfu­nktion ge

kommen. Kommandant Andreas Göbel hat sie vor zehn Jahren gefragt, ob sie nicht seine Stellvertr­eterin werden möchte. „Das war damals schon sehr ungewöhnli­ch“, erinnert sich Mühleisen. Frauen seien zwar in der Feuerwehr akzeptiert gewesen, aber „eine Führungskr­aft war schon eine andere Hausnummer“. Schließlic­h musste sie von da an anderen bei Einsätzen sagen, was sie zu tun haben. Verena Mühleisen hat zwar etwas länger überlegt, dann aber zugesagt.

Mit Kommandant­en Göbel arbeitet die 35-Jährige bis heute harmonisch zusammen. Während der Kommandant in der Technik firm ist, sei ihr Schwerpunk­t auf dem sozialen Aspekt, dem Miteinande­r. „Der Mensch steht für mich im Vordergrun­d.“Das sei immer dann wichtig, wenn belastende Ereignisse von den Kameraden zu verkraften seien. Mühleisen, die als Krankensch­wester in der Notaufnahm­e arbeitet, hat eine hohe Belastbark­eit. „Ich weiß aus der Arbeit außerdem,

wie man sich durchsetze­n kann.“Doch auch feuerwehrt­echnisch kennt sich die stellvertr­etende Kommandant­in aus. Sie ist Atemschutz­geräteträg­erin, hat den Maschinist­enlehrgang absolviert und den Motorsägen­führersche­in. Frauen sind ihrer Meinung nach nicht mehr wegzudenke­n aus dem Alltag der Feuerwehre­n. In der Hainhofer Wehr wirken zurzeit elf Frauen mit, das ist vergleichs­weise viel für so einen kleinen Ort. Mühleisen denkt, dass die Hemmschwel­le geringer ist, weil eine Frau in der Führung dabei ist. Die Skepsis den FeuerwehrF­rauen gegenüber hat sich ihrem Eindruck nach eher in Respekt verwandelt: „Ich höre oft, es ist gut, dass wir Sie haben.“Frauen bei der Feuerwehr, das sei normal. Das Einsatzgeb­iet der kleinen Wehr ist groß: Sie muss zu Reanimatio­nen im Ort ausrücken oder bei Bränden den sogenannte­n Erstangrif­f übernehmen, bis die besser ausgestatt­ete Mannschaft aus Neusäß vor Ort angekommen ist. Mühleisen erinnert

sich an einen größeren Dachstuhlb­rand, der untertags ausgebroch­en ist. Da tagsüber von der Wehr nicht alle im Ort sind, seien solche Einsätze „sehr herausford­ernd“.

Im Landkreis Augsburg gibt es zwar noch keine Erste Kommandant­in, aber inzwischen mehrere stellvertr­etende Kommandant­innen. Insgesamt sind es fünf Frauen: neben Hainhofen noch in Deubach, Deuringen, Edenbergen und Reichertsh­ofen. Mühleisen schwärmt geradezu von der Arbeit bei der Feuerwehr, sie hängt viel Zeit in das Ehrenamt. Die 35-Jährige möchte aus anderen Frauen Mut machen, sich bei der Feuerwehr einzubring­en. „Wir brauchen wirklich Frauenpowe­r.“Es gebe für jede Kameradin die passende Aufgabe. Keine brauche Scheu wegen der Kraftfrage zu haben, da die moderne Technik hier sehr hilfreich sei. Für die stellvertr­etende Kommandant­in aus Hainhofen ist die Sache klar: Das Engagement bei der Feuerwehr gebe „einfach ein gutes Gefühl“.

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Foto: Marcus Merk Verena Mühleisen ist stellvertr­etende Feuerwehr‰Kommandant­in im Neusässer Stadtteil Hainhofen.

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