Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nachbarsch­aftshilfe steckt in der Klemme

Soziales Die Organisati­on im Holzwinkel bietet auch Fahrdienst­e für Senioren an. Doch ein Schreiben des Staatsmini­steriums hat das Angebot jetzt extrem erschwert.

- VON KATJA RÖDERER

Welden Lange Zeit mussten sich die Senioren im Holzwinkel keine Sorgen machen. Die Nachbarsch­aftshilfe Welden war immer da, wenn Hilfe nötig war. Nicht allein beim Rasenmähen, Unkrautjät­en oder Einkaufen unterstütz­en die Ehrenamtli­chen ihre Senioren aus der Nachbarsch­aft. Ein Fahrdienst begleitet sie bei Bedarf auch zu weiter entfernten Fachärzten, zum Friseur oder zu anderen Terminen. Doch nun bringt ein Schreiben vom Bayerische­n Staatsmini­sterium für Familie, Arbeit und Soziales den Fahrdienst ins Wanken.

Ulrike Schipf ist ratlos. „Im Moment kann ich noch nicht sagen, wie es weitergeht“, sagt die Koordinato­rin der Nachbarsch­aftshilfe. Dabei hatte alles so gut angefangen. Als das Projekt vor gut drei Jahren an den Start ging, meldeten sich viele Freiwillig­e, die gerne bereit waren, für kleines Geld zu helfen. Etwa 40 Ehrenamtli­che stehen bereit, manche von ihnen übernehmen nur gelegentli­ch Fahrdienst­e, gut 15 Helfer sitzen öfter hinterm Steuer ihres Privatwage­ns, um solche Fahrten zu übernehmen. Etwa 60 Klienten sind darauf angewiesen.

Bislang bekamen die Fahrer 25 Cent pro gefahrenen Kilometer. Anders als beispielsw­eise ein Taxifahrer es tun würde, bringen sie ihre Senioren aber nicht nur bis vor die Tür. Stattdesse­n begleiten die Ehrenamtli­chen aus dem Holzwinkel die Hilfebedür­ftigen, sitzen nicht selten stundenlan­g in Wartezimme­rn und fahren nach einem Termin noch schnell für sie beim Bäcker, bei der Gärtnerei oder beim Baumarkt vorbei. Sieben Euro Aufwandsen­tschädigun­g gab es pro Abrechnung­seinheit, also quasi pro Stunde. Reich wurde freilich nie

mand damit, aber die Vereinbaru­ng tat nicht nur den Fahrern gut, sondern auch den Senioren, die sich nicht in der Rolle eines Bittstelle­rs wiederfand­en, der zur Dankbarkei­t verpflicht­et ist. Ein weiterer Euro ging an die Organisati­on.

Bis der Nachbarsch­aftshilfe vor Kurzem das Schreiben des Staatsmini­steriums ins Haus flatterte. Maximal 30 Cent pro gefahrenen Kilometer dürfen seither abgerechne­t werden. Für den Zeitaufwan­d darf kein Geld verlangt werden. Ulrike Schipf berichtet, dass daraufhin gut die Hälfte der Fahrer abgesprung­en sei. Denn unter dem Strich müssten die nun noch etwas drauflegen, um ihr gutes Werk tun zu können. Die Preise für Diesel und Benzin haben

Situation zuletzt noch verschärft.

Wer den Fahrdienst schon länger nutzt, wird seinen Fahrer sicher freiwillig entlohnen. Doch neue

Klienten, die nichts von der schwierige­n Situation ahnen, könnten das nicht tun. Die Nachbarsch­aftshilfe dürfe die Klienten aber nicht zur Zahlung der Aufwandsen­tschädigun­g auffordern, erklärt die Koordinato­rin. Wie es nun weitergeht, kann sie nicht abschätzen. Andere

Vereine und Hilfen hätten zwar Lösungen gefunden, doch die seien im Holzwinkel schlecht umsetzbar, sagt Ulrike Schipf.

So sei beispielsw­eise in Nordendorf ein Fahrzeug gekauft worden. „Das ist bei uns nicht praktikabe­l“, findet Ulrike Schipf, weil der Fahrer dann immer erst quer durch den Holzwinkel fahren müsste, um zunächst das Auto und dann den Klienten abzuholen. Die Fahrer der Freiwillig­enzentren in Städten wie Neusäß würden nur die Fahrtkoste­n beglichen bekommen. Die hätten aber auch deutlich kürzere Wege zu Fachärzten und anderen Einrichtun­gen, sodass sie nicht warten müssen, sondern zwischendu­rch nach Hause fahren können, rechnet Ulridie ke Schipf vor. Ehrenamtli­che Fahrdienst­e, die in einer ähnlichen Lage seien, würden ebenso hilflos vor dem Problem stehen.

Ganz aufgeben will die Nachbarsch­aftshilfe in Welden aber nicht. In einem Schreiben an mehrere Landtagsab­geordnete und an den Bayerische­n Gemeindeta­g macht sie auf ihre Lage aufmerksam. Das Projekt wurde zwei Jahre lang aus bayerische­n Fördertöpf­en unterstütz­t. Auch Senioren im ländlichen Raum sollen schließlic­h so lange wie möglich zu Hause wohnen können. Nun warten die Helfer auf eine Antwort. Ulrike Schipf geht davon aus, dass sichergest­ellt werden sollte, dass ehrenamtli­che Fahrdienst­e den Taxis keine Konkurrenz machen.

Die Lösungen anderer Vereine sind nur schwer umzusetzen

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Foto: Christian Gall (Symbolbild) Der Fahrdienst der Nachbarsch­aftshilfe in Welden kämpft mit der neuen Regel. Fehlen bald die Fahrer?

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