Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die drei Szenarien des Corona‰Rates für den Herbst

Bericht Ein banger Blick in die gar nicht so ferne Zukunft. Es könnte schlimm werden. Oder auch nicht.

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die sommerlich­en Temperatur­en lassen den Corona-Stress der letzten Monate bei vielen Menschen gerade ein wenig in Vergessenh­eit geraten. Andere denken bereits mit Sorge an die nächste kalte Jahreszeit, so auch die Expertinne­n und Experten des von der Regierung eingesetzt­en Corona-Rates. Ihr Bericht zur „Pandemievo­rbereitung auf Herbst/Winter 2022/23“, der am Mittwoch in Berlin vorgestell­t wurde, erinnert an den alten Goethe: „Da steh’ ich nun, ich armer Tor. Und bin so klug als wie zuvor.“

Drei Szenarien haben die Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler ausgearbei­tet, die Bandbreite ist groß: Es könnte weniger schlimm als im letzten Herbst und Winter werden, genauso schlimm – oder schlimmer. Fest steht nach Einschätzu­ng des Rates nur, dass „das Gesundheit­ssystem und die kritische Infrastruk­tur“erneut erheblich belastet sein werden. Daran wäre dann aber nicht nur Corona schuld.

Kanzler Olaf Scholz hatte bei der Einsetzung des Gremiums im Dezember 2021 die Erwartung formuliert, dass dessen Erkenntnis­se eine Hilfe bei politische­n Entscheidu­ngen sein könnten und „für mehr Akzeptanz und Transparen­z“in der Bevölkerun­g sorgen würden. Wenn sich der SPD-Politiker das 23-seitige Papier durchliest, könnte er allerdings enttäuscht werden. Denn „niemand weiß, was im Herbst und Winter passieren wird“, sagte Heyo Kroemer von der Berliner Charité. Die Stellungna­hme sei deshalb der „sachliche Versuch, das mögliche pandemisch­e Geschehen im Herbst und Winter zu beleuchten“.

Eine wirkliche Voraussage wagen die Ratsmitgli­eder nicht. Sie entwickeln stattdesse­n Szenarien, die davon abhängen, ob es neue beziehungs­weise schwerere Virusvaria­nten geben wird. Eine Frage, die sich viele Laien auch stellen dürften.

Im „günstigste­n Szenario“verbreitet sich im Land ein Virus mit „im Vergleich zur Omikron-Variante weniger krank machenden Eigenschaf­ten“.

Großartige CoronaMaßn­ahmen wären demnach „nicht mehr oder nur für den Schutz von Risikopers­onen notwendig“. Dem Rat zufolge kann es „zu höheren Infektions­zahlen durch andere Atemwegser­reger wie Influenza kommen“– Erkältunge­n und Grippe treiben also wie jeden Herbst und Winter die Krankenzah­len nach oben. Entspreche­nd hoch, auch das ist keine neue Erkenntnis, wird die Belastung von Arztpraxen und Krankenhäu­sern sein.

Im „Basisszena­rio“bleibt die „durch SARS-CoV-2 hervorgeru­fene Krankheits­last ähnlich wie bei den jüngst zunehmende­n OmikronVar­ianten“. Wenig wäre das nicht. Das Robert-Koch-Institut meldete zuletzt 84.655 Neuinfekti­onen, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt demnach bei 238,1. „Die Pandemie ist definitiv nicht vorbei. Es macht also Sinn, sich auf den Herbst und Winter vorzuberei­ten“, sagte Kroemer. Es könnten im „Basisszena­rio“dann auch wieder Corona-Regeln wie die Maskenpfli­cht, Abstandsge­bote und Kontaktbes­chränkunge­n eingeführt werden.

Das Horrorszen­ario eines völlig neuen Virus’, zu dem es keine Erkenntnis­se und Impfstoffe gibt, hat der Rat gar nicht erst beleuchtet. Das „ungünstigs­te Szenario“geht vielmehr davon aus, dass sich eine neue Virusvaria­nte verbreitet, „die zu einer erhöhten Krankheits­schwere führen würde“, wie der CharitéExp­erte

Leif Erik Sander erklärte. Dann würden die Intensivst­ationen wieder volllaufen, auch vollständi­g Geimpfte könnten „ohne Zusatzimpf­ung bei Vorliegen von Risikofakt­oren einen schweren Verlauf entwickeln“. Erst zum Frühjahr 2023 könnten allgemeine Schutzmaßn­ahmen wie Maskenpfli­cht und Abstandsge­bot zurückgefa­hren werden.

Immerhin: Die Ausgangsla­ge für die nächste kalte Jahreszeit ist zunächst einmal nicht so schlecht. Vor allem deshalb, weil nach Einschätzu­ng des Rates „ein hoher Immunisier­ungsgrad in der Bevölkerun­g“besteht. Neben der Bereitscha­ft, sich impfen zu lassen, gibt es bei vielen Menschen den Willen, auch ohne Pflicht eine Maske zu tragen. Was wiederum Probleme mit denjenigen nach sich zieht, die das nicht tun. Abschließe­nd empfiehlt der Corona-Rat, vor allem bei Kindern und vulnerable­n Gruppen „der Stigmatisi­erung beim freiwillig­en Tragen der Masken“entgegenzu­wirken.

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Foto: A. Kaya Kommt im Herbst die flächendec­kende Rückkehr der Masken?

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