Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie hält es die Union mit der AfD?

Parteien

- VON SIMON KAMINSKI

Die Thüringer CDU will per Gesetz eine Verschärfu­ng der Abstandsre­geln für Windräder durchsetze­n. Dazu benötigt die Partei nicht nur die Stimmen der FDP, sondern auch der Partei, die vom Verfassung­sschutz beobachtet wird. Das weckt Erinnerung­en an einen Blumenstra­ußwurf.

Erfurt Der „Thüringer Blumenwurf“durfte 2020 in keinem Jahresrück­blick fehlen: Die damalige Fraktionsc­hefin der Linken im Erfurter Landtag, Susanne HennigWell­sow, geht gemessenen Schrittes auf den soeben gewählten Ministerpr­äsidenten Thomas Kemmerich zu. Doch statt ihm zu gratuliere­n, wirft sie dem FDP-Politiker einen Blumenstra­uß wortlos vor die Füße.

An diese Szene wird heute wieder erinnert, denn erneut geht es in Thüringen, ja bundesweit um den Umgang der Politik mit der rechten AfD, die vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­emer Verdachtsf­all gelistet wird. Im Fokus steht Björn Höcke, Fraktionsc­hef der AfD in Thüringen. Der rechtsextr­eme Politiker gilt auch in der Partei als Rechtsauße­n. Doch er hat erhebliche­n Rückhalt. Ihm werden Ambitionen nachgesagt, AfD-Vorsitzend­er der Bundespart­ei zu werden.

Aktuell entzündet sich der Streit um die Frage, ob die CDU und die FDP zusammen mit der AfD ein Gesetz im Thüringer Landtag durchdrück­en sollen, das einen 1000-Meter-Mindestabs­tand von

zu Wohnbebauu­ngen vorschreib­t. Die Regierung fürchtet, dass dies den Ausbau der Windenergi­e bremsen würde.

Die Reaktion war entspreche­nd. Vor einem „Gesetz von Höckes Gnaden“warnte beispielsw­eise SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert. CDU-Chef Friedrich Merz sieht das anders: „Wir können nicht jeden Antrag, den wir in der Sache für richtig halten, davon abhängig machen, ob die AfD dem zustimmt oder nicht“, sagte er am Dienstag in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz. Zudem, so Merz, würde der CDU-Antrag zur Abstandsre­gel exakt der Position der SPD-geführten Landesregi­erung in Brandenbur­g entspreche­n. Doch gleichzeit­ig ist Merz offenkundi­g nicht wohl bei dem Gedanken, dass es tatsächlic­h zu einer Abstimmung im Landtag Seite an Seite mit der AfD kommen könnte: „Es gibt Gespräche und ich hoffe, dass es eine vernünftig­e Lösung gibt, ohne dass die AfD dazu benötigt wird.“Schließlic­h hatte der Sauerlände­r immer wieder betont, dass er jegliche Kooperatio­n mit der AfD in seiner Partei nicht dulden werde. Die Frage ist nur, wie man Zusammenar­beit definiert.

zwangsläuf­ig schweifen die Gedanken an diesem Punkt zurück zu den Ereignisse­n am 5. Februar 2020: Kemmerich hatte mit den Stimmen von CDU, FDP und eben auch der AfD völlig überrasche­nd Regierungs­chef Bodo Ramelow abgelöst. Das galt als Tabubruch. Die Entrüstung darüber war auch in seiner eigenen Partei derart groß, dass Kemmerich wenige Tage später seinen Rücktritt erklärte und nur noch bis zur Wiederwahl Ramelows am 4. März 2020 amtierte. Trotz scharfer Kritik und einer klaren Distanzier­ung aus der Bundespart­ei ist KemWindräd­ern merich auch heute noch Landesvors­itzender der Thüringer FDP.

Seitdem regiert Ramelow in einer äußerst fragilen Konstellat­ion, die dazu beiträgt, dass Thüringen nun erneut in die Schlagzeil­en gerät und nicht zuletzt den CDU-Chef Friedrich Merz in eine delikate Situation bringt: Die Koalition aus Linken, SPD und Grünen verfügt im Parlament über keine eigene Mehrheit. Die Minderheit­sregierung wird von der opposition­ellen CDU gestützt – Grundlage ist eine schriftlic­h fixierte Kooperatio­nsvereinba­rung. Die Zusammenar­beit klappte mal besFast ser, mal schlechter. Eigentlich sollte der Wähler längst die Gelegenhei­t bekommen haben, für mehr Stabilität zu sorgen. Doch Mitte 2021 scheiterte­n alle Versuche, sich auf einen Wahltermin zu einigen, am hartnäckig­en Widerstand einiger CDU-Abgeordnet­en.

Immerhin gibt es jetzt Anzeichen, dass ein neuerliche­r Eklat im Thüringer Landtag verhindert werden kann. Im Hintergrun­d laufen Gespräche der CDU mit der Minderheit­sregierung, um beim Thema Windenergi­e doch noch auf einen gemeinsame­n Nenner zu kommen.

Auch Bodo Ramelow appelliert an alle Beteiligte­n, eine Einigung zu suchen. Am Mittwoch traf sich CDUFraktio­nschef Mario Voigt mit dem Ministerpr­äsidenten. Beide zeigten sich zuversicht­lich, dass es einen Kompromiss geben werde. Damit wäre eine Abstimmung­sallianz zwischen CDU und AfD vom Tisch.

Mittelfris­tig könnten Entscheidu­ngen beim Thema Windkraft ohnehin in Berlin fallen: Die Bundesregi­erung will die Möglichkei­t der Länder per Gesetz einschränk­en, Abstandsre­geln auf eigene Faust festzulege­n.

 ?? Foto: M. Schott, dpa ?? 5. Februar 2020: Susanne Hennig‰Wellsow (Linke) hat dem Ministerpr­äsidenten Tho‰ mas Kemmerich den Blumenstra­uß vor die Füße geworfen.
Foto: M. Schott, dpa 5. Februar 2020: Susanne Hennig‰Wellsow (Linke) hat dem Ministerpr­äsidenten Tho‰ mas Kemmerich den Blumenstra­uß vor die Füße geworfen.

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