Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Spargel im Überfluss
Lebensmittel
Deutschlandweit sinkt die Nachfrage nach Spargel. Verbraucher können sich nun über niedrigere Preise freuen, doch für die Landwirte sind Einbußen von bis zu 30 Prozent ein Problem. Wie sich einige Spargelbauern bei Aichach mit Erfolg gegen den Trend stemmen.
Froschham Florin Bucea zieht die schwarze Folie mit einem Knistern zurück: Aus der braunen Erde ragt eine weiße Spargelspitze. Mit einem Spargelmesser sticht er rundherum. Mit geübten Griffen zieht er die Folie alle paar Meter nach unten, arbeitet sich weiter vor. Einige Hügel weiter steht Nicolas Anuta. Er schnappt sich einen Korb und legt die Spargelstangen, an denen noch Erde haftet, hinein. Beide arbeiten auf dem Spargelhof Gut Froschham in Froschham nahe dem Aichacher Stadtteil Oberbernbach. Pro Tag, erzählt Anuta, sticht er 100 Kilogramm des edlen Gemüses. An guten Tagen kann es das Doppelte werden, wie Mitte Mai.
Doch in Deutschland wird gerade weniger Spargel nachgefragt. Die Kunden kauften im Lebensmitteleinzelhandel vor allem Grundnahrungsmittel und No-Name-Produkte, sagt Fred Eickhorst, Vorstandssprecher der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer in Niedersachsen. „Davon sind wir mit Spargel und Erdbeeren auch stark betroffen.“
Claudio Gläßer von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft in Bonn erklärt, Spargel sei ein „verzichtbares Gemüse“, das viele Menschen mit höheren Preisen in Verbindung brächten. Denn die Inflation macht auch vor dem Spargel nicht halt: Wie das Statistische Bundesamt nach bisher vorliegenden Ergebnissen mitteilt, stiegen die Verbraucherpreise im Mai gegenüber April 2022 voraussichtlich um 0,9 Prozent. Insgesamt sind im deutschen Lebensmitteleinzelhandel laut Statistischem Bundesamt die
Umsätze eingebrochen: minus 7,7 Prozent gegenüber dem Vormonat März.
Die Kaufzurückhaltung werde Auswirkungen haben, sagt Eickhorst. Schon jetzt seien viele Flächen aus der Produktion genommen worden, und das mitten in der Saison. Einige kleinere Spargelbetriebe seien schon aus dem Geschäft ausgeschieden – vor allem diejenigen, die ausschließlich den Großhandel beliefert hatten.
Doch wie sieht die Situation im Süden der Republik aus? Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG Bauen-AgrarUmwelt, sagt, die Kaufzurückhaltung scheine regional sehr unterschiedlich zu sein. Vom Spargelerzeugerverband Südbayern sei ihr von dessen Mitgliedern nichts Derartiges bekannt, sagt die Vorsitzende Claudia Westner. Sie betont aber: „Der Trend ist da, dass weniger Spargel gegessen wird.“Das schwanke von Betrieb zu Betrieb, je nach Vermarktungskanal: „Das kann von gar keinen Einbußen bis zu zehn, 20, 25, 30 Prozent sein.“
In Froschham erstreckt sich neben dem Feld mit den Folienhügeln der Hof der Familie Kügle. In der Auslage stapeln sich fein säuberlich aufgereiht die Spargelstangen: grüner neben weißem. Die Kügles verkaufen den bekannten Schrobenhausener Spargel, sind Mitglied im Spargelverband Südbayern e. V. Vater Josef „Sepp“Kügle sagt, 18.000 Kilogramm hätten sie diese Saison verkauft. Das sei eine normale Menge. „Wir hatten eine sehr ausgeglichene Saison mit wenig Höhen und Tiefen, weil das Wetter so gleichmäßig war.“Ein Grund dafür: Sie verkaufen ihren Spargel an 15 bis 20
aus der Gastronomie sowie in ihrem Laden und einer Selbstbedienungshütte direkt an Kunden.
Westner erklärt, am Anfang der Saison sei auch der Absatz in der Gastronomie noch geringer gewesen, weil die komplette Öffnung erst nach und nach gekommen sei. Das habe sich relativiert. „Wir haben aber die Osterferien gemerkt. Weil dann viele Menschen Spargel gegessen haben und danach im Urlaub waren oder nicht mehr daran gedacht haben.“
Aber auch die Kügles spüren leichte Veränderungen: Manche Kunden kauften eher Spargel der Klasse zwei, und auch die Trüffelsauce, die vor einem Jahr der Renner war, findet dieses Jahr weit weniger Abnehmer. Aber sonst merkten sie wenig: „Eigentlich haben wir ganz viele Stammkunden“, erklärt Patricia Kügle. „Die Leute, die zu uns kommen, kommen bewusst hier raus.“Viele hätten den Einkauf mit einem Ausflug verbunden, dadurch seien auch neue Kunden dazugeKunden
kommen. Die Kügles teilen auf dem Instagramkanal des Spargelhofs auch Rezepte, wie Pasta mit Spargelgemüse.
Eine Stammkundin ist gerade auf dem Hof, sie bekommt Rückgeld von Josef Kügle senior. „Spargel kauf ich nur hier draußen, weil es hier den besten Spargel gibt“, ist sie sich sicher. Den Kunden zuliebe haben die Kügles den Preis für das Kilogramm Spargel im Direktverkauf nun um 50 Cent pro Kilogramm erhöht, für die Gastronomie um einen
Euro. Das erste Mal seit 15 Jahren, sagen sie. Erstklassigen Spargel gibt es nun für zwölf Euro pro Kilo. „Wir sind auf unsere Kunden angewiesen, die wollen wir ja auch erhalten“, erklärt Josef Kügle junior.
Allgemein wird der Spargel gerade billiger: Gläßer erklärt, dass in der Kalenderwoche 22, also vom 30. Mai bis zum 5. Juni, der durchschnittliche Verbraucherpreis für deutschen weißen Spargel pro Kilogramm bei 6,75 Euro lag. In der Vorjahreswoche bei 7,50 Euro. Der Spargel sei also spürbar günstiger als im vergangenen Jahr, auch wenn der Wochenpreis schwanke.
Dennoch geht es immer noch billiger: „Größere Mengen billiger Importware bei Erdbeeren und Spargel drücken die Preise deutlich nach unten. Bei diesen Dumpingpreisen können unsere Bauern schlicht nicht mehr mithalten“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied. Schaum erklärt, bei nur auf Spargel spezialisierten Betrieben habe es immer schon Probleme gegeben, wenn sie es selbst nicht vermarkten könnten, kämen sie in die totale Abhängigkeit von den Ketten, die den Preis drückten. Es sei ein Stück weit auch ein hausgemachtes Problem.
Im Schrobenhausener Anbaugebiet blickt man dem gelassen entgegen. Claudia Westner ist überzeugt: „Ich glaube, der Schrobenhausener Spargel hat hier in der Gegend mittlerweile so einen guten Ruf, dass einer, der Spargel möchte, eher zum Schrobenhausener greift, aber seltener als zum griechischen oder peruanischen.“Ihr Eindruck: Sie hätte eher – aber jedes Jahr – gespürt, wenn die norddeutsche Konkurrenz billig auf den Markt dränge.