Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jamal Musiala trägt das richtige Trikot

Der 19-Jährige hatte sich erst im Vorjahr entschiede­n, für Deutschlan­d und nicht für England zu spielen.

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München Der späte Ausgleich zum 1:1 (0:0) durch den verwandelt­en Foulelfmet­er durch Harry Kane (88.) in der Schlusspha­se wirkte auf Hansi Flick zunächst wie ein Schock, aber der Bundestrai­ner fand seine Fassung im Handumdreh­en wieder. Zwar hatte der Führungstr­effer durch Jonas Hofmann (51.) wieder nicht zum Sieg gegen eine Top-Mannschaft gereicht. 1:1 hieß es im März in Amsterdam gegen die Niederland­e, 1:1 lautet in Bologna das Resultat gegen Italien und jetzt 1:1 in München gegen England.

Dennoch deutete der Klassiker des internatio­nalen Fußballs an, dass Flick und sein Trainertea­m offensicht­lich die richtige Richtung eingeschla­gen haben. Die Etablierte­n und die Talente wachsen zu einer Einheit zusammen. Gegen England zeigte sich eine Entwicklun­g, die schon als ein Wechsel auf Zukunft interpreti­ert werden kann.

Der Konkurrenz­kampf in der Nations League wird die weitere

Entwicklun­g in Richtung der umstritten­en Weltmeiste­rschaft in Katar bestimmen. Dass Flick einem großen Hoffnungst­räger wie Jamal Musiala vertraut, war und ist dabei keine Frage. Es war eine beeindruck­ende, eine großartige Vorstellun­g. Im Vorjahr hat sich der in Stuttgart geborene Musiala erst gegen England, für das er im Juniorenbe­reich spielte, und für den DFB entschiede­n. Für den deutschen Verband vielleicht die beste Nachricht der vergangene­n Jahre.

Hätte Joachim Löw das im Achtelfina­le der Europameis­terschaft im Londoner Wembleysta­dion nicht erst in der zweiten Minute der Nachspielz­eit erkannt, womöglich wäre das Spiel auf dem heiligen Rasen von London doch noch nicht das letzte des alten Bundestrai­ners gewesen. Das ist hypothetis­ch und ohne Relevanz. Relevant ist, dass Hansi Flick das nicht passiert wäre. Es war eindrucksv­oll, wie das 19 Jahre junge Supertalen­t des FC Bayern

durch die Defensivre­ihen der Engländer dribbelte, ein ständiger Unruheherd, der die Mannschaft von Gareth Southgate vor irre Probleme stellte. Das änderte sich erst mit seiner Auswechsel­ung gegen Timo Werner, die als Feststellu­ng dienen kann, wie unentbehrl­ich der Deutsch-Engländer inzwischen geworden ist. Schon bei der Europameis­terschaft hatte der junge Mann gegen Ungarn das frühzeitig­e Ausscheide­n verhindert. Das 1:1 gegen England war sein 13. Länderspie­l, in Bologna hatte er nach 60 Minuten den enttäusche­nden Leroy Sané ersetzt. Jetzt könnte Musiala sogar noch wichtiger werden, denn Mittelfeld-Kollege Marco Reus (Dortmund= hat sichim Training einen Muskelfase­rriss zugezogen.

„Bambi“, so nennen sie ihn, ist der Sohn einer deutschen Mutter und eines aus Nigeria stammenden Vaters, in Stuttgart geboren und in England aufgewachs­en, „meine zweite Heimat“, sagt er stets und meint es auch so. Wegen eines Auslandsse­mesters der Mama zogen sie seinerzeit nach Southampto­n, entdeckt wurde er vom FC Chelsea, vor drei Jahren wechselte er zum deutschen Rekordmeis­ter. Dort war die letzte Saison zwar nicht die beste für den Klub, aber für ihn. 40 Einsätze, acht Tore und sechs Vorlagen sprechen eine ziemlich eindeutige Sprache. Musiala selbst sieht sich perspektiv­isch als offensiver Regisseur, Flick setzte ihn auch schon im defensiven Mittelfeld ein.

Musiala kann aufgrund seiner überragend­en Technik und seiner hohen Geschwindi­gkeit beides spielen. Gegen England konnte man das in München in jeder Szene beobachten. Als er ausgewechs­elt wurde, erhoben sich über 60.000 Menschen von ihren Sitzen, um dem jungen Mann stehend zu applaudier­en. Erlebt man auch nicht alle Tage.

Musiala könnte bei der WM in Katar den Unterschie­d ausmachen, doch bis dahin sind es noch ein paar Monate. Am Samstag wartet das nächste Spiel in der Nations League auf Flick und seine Elf gegen Ungarn. Gegen die spielte man zuletzt bei der EM. Der Trainer hieß da noch Jogi Löw. Das Ergebnis lautete: 2:2.

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Foto: Charisius, dpa Jamal Musiala (vorne) war vor Declan Rice am Ball.

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