Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Musik statt Studium
Album Paula Carolina erzählt mit ihren Songs ihre Geschichten.
Die Welt sieht doch gleich freundlicher aus, wenn die Bäume blühen. Das Leben wird wieder lebenswerter, die zarten Blätter verscheuchen Tristesse und Dunkelheit im seltsamen Zwischenstadium von Jugendlichkeit und Erwachsensein. Dort warten sie, die ersten Irrungen und Wirrungen des Lebens, die die Leichtigkeit der Kindheit auf einmal Dekaden entfernt erscheinen lassen. Während die Stimme des Didaktikprofessors im Seminarraum zu einem weißen Rauschen verkommt, kann man sich schon mal die Frage stellen, ob der gewählte Studiengang der Weg zur Berufung ist.
Paula Carolina verneinte die Frage für sich. Die junge Songwriterin hat der Uni Augsburg samt Lehramtsstudium den Rücken gekehrt, „ein großer Schritt, über den ich zwei Jahre lang nachgedacht habe“. Man muss nicht nachfragen, ob sie diesen Schritt bereute, wenn man sie neben ihrem Lebensbegleiter, dem Piano mit Namen Olaf, in ihrer neuen Wahlheimat Mannheim in die Kamera lachen sieht.
Paula Carolina blüht in ihrer Musik auf und hat jetzt die Möglichkeit, sich ganz darauf zu konzentrieren. Sich einfach mal mit der Band in ein kleines Refugium im Niemandsland des Harz zurückzuziehen und an Songs zu feilen. Ihre jüngst erschienene Debut-EP „Aus der Blüte des Lebens“ist ein höchst abwechslungsreiches, liebevoll arrangiertes Dokument ihres Weges zu einer selbstbewussten Frau, die um die Ambivalenz des Lebens weiß.
„Es sind meine Geschichten, ich schreibe aus dem Moment heraus, manchmal ein wenig verpackt, aber ehrlich. Musik ist unglaublich emotional für mich.“Ihre Songs entstehen nur in extremen Momenten, oft im Überschwang oder in der Niedergeschlagenheit, nachdem sich die Schmetterlinge im Bauch mal wieder zu einer tonnenschweren Last auf dem Herzen verwandelt haben.
So ist das „Liebeslied“eine leicht überdrehte Hymne auf die Selbstliebe und ein mit einem Grinsen verabreichter Mittelfinger mit Indiegitarren in Richtung des Typen, der die ganze Misere eingebrockt hat. „Scheiß auf Liebe“hat die lakonischen Klavierakkorde eines „Allesegal“-Tages, „Beide“eine tieftraurige Melodie mit viel Hall und zitternder Unterlippe. Und wenn sie in einem lupenreinen Chanson dem Ex samt neuer Flamme zu Slidegitarre und stolperndem Schlagzeugsolo wünscht, dass ihnen „hoffentlich sonntags mal die Nutella ausgeht“, merkt man, dass ihre eigene Poesie die Basis ihrer Stücke ist.
Hildegard Knef würde sie sicher gerne auf Tour mitnehmen, wäre dies denn noch möglich. Sie erzählt aus ihrem Leben, aber sie berührt und bestärkt viele, die ihr zuhören. Sie sah auf ihren Konzerten die ein oder andere Träne im Publikum, sie bekam nicht nur eine Nachricht, in der ihr die Menschen mitteilen wollten, was ihre Musik in ihnen auslöste.
Man hört Paula Carolina gerne zu. Und so stößt sie auch auf offene Ohren für ein Thema, das – zur Erinnerung, wir befinden uns im Jahr 2022 – noch immer Kontroversen auslöst: die Menstruation. „Gerlindes Garten“ist politisch, „es ist abstrakter getextet, weil das Thema in der ganzen Gesellschaft stattfindet“. Carolina hat alles hineingepackt, was sie nervt: Vielfliegerei, testosterontriefende Grillorgien, ein anachronistisches Frauenbild in einer patriarchalen Gesellschaft. Trotzdem wollte sie ein positives Bild der Menstruation zeichnen, einen fruchtbaren, blühenden Garten. Paula Carolina steht in der Blüte des Lebens, das hört man den fünf Songs der EP in jeder Sekunde an. Und es darf gerne weiter blühen, oder wie sie es formuliert: „Eine Blüte kann wachsen und vielleicht wird auch mal ein Baum draus.“ⅈ
Konzert Paula Carolina tritt am 16. Juli auf dem Gaswerksommer auf.