Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Armut betrifft mehr Menschen, als man meint

- VON INA MARKS ina@augsburger‰allgemeine.de

Neulich erst wühlte eine gut gekleidete, ältere Dame in der Altstadt in Abfalleime­rn. Es war offensicht­lich, dass sie nach Pfandflasc­hen suchte. Nicht immer wird Bedürftigk­eit so sichtbar wie in dieser Szene. Armut hat viele Gesichter. Vieles spielt sich abseits der Öffentlich­keit, im Verborgene­n ab. Wer gibt schon gerne zu, arm zu sein. Wer will schon Gefahr laufen, als „Verlierer“stigmatisi­ert zu werden, oder als „Fauler“. Denn dieses Urteil ist schnell gefällt. Umso bemerkensw­erter ist eine Aktion, die seit Wochen auf Twitter kursiert.

Sie gewährt Einblicke in den Alltag vieler Menschen, die - verschärft durch steigende Lebenshalt­ungskosten - nicht mehr wissen, wie sie bis Ende des Monats ihr Leben finanziell meistern sollen. Unter dem Hashtag #IchBinArmu­tsbetroffe­n schreiben Menschen in dem Kurznachri­chtendiens­t über alltäglich­e Einschränk­ungen. Wie es etwa ist, wenn sich der Magen zusammensc­hnürt, weil in der Arbeit für den Geburtstag einer Kollegin fünf Euro gesammelt werden. Oder man sich die Ausstellun­g eines neuen Personalau­sweises nicht leisten kann, nachdem der alte abgelaufen ist. Auch das ist Armut. Und davon sind auch in Augsburg viel mehr Menschen betroffen, als man vielleicht denken mag.

Gemeinnütz­ige Einrichtun­gen, Stiftungen und Vereine, die mit ihren Angeboten hilfsbedür­ftige Menschen unterstütz­en, bestätigen die Entwicklun­g: Armut trifft in der Fuggerstad­t inzwischen mehr Menschen, als vermutet oder auch offenkundi­g. Vielleicht tragen offene Augen auf der Straße, vielleicht tragen Aktionen wie auf Twitter dazu bei, dass Armut als ein gesellscha­ftliches Problem betrachtet und angegangen wird und nicht als Versagen einzelner Menschen am Rande der Gesellscha­ft gewertet.

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