Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Letztes Mandat wurde Jurist zum Verhängnis

Gericht Ein ehemaliger Anwalt ist vor dem Augsburger Amtsgerich­t nun selbst auf der Anklageban­k gelandet. Dort saß er schon früher – nur in anderer Mission. Warum es für den 77-Jährigen so weit kam.

- VON KLAUS UTZNI

Am Ende ist nicht immer alles so, wie es scheint. Ein als „falscher Verteidige­r“titulierte­r Angeklagte­r entpuppte sich beim näheren Hinsehen, also im Prozess, keineswegs als ausgebufft­er Hochstaple­r. Nein, eher als eine tragische Gestalt. Als ein Jurist, der am Schluss seines berufliche­n Lebens mit nunmehr 77 Jahren als Beschuldig­ter auf der Anklageban­k Platz nahm. Wo er auch früher oft gesessen hatte, da aber in anderer Mission, als Beistand für mutmaßlich­e Straftäter. „Missbrauch von Titeln, Berufsbeze­ichnungen und Abzeichen“warf ihm die Staatsanwa­ltschaft in dem Prozess vor Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r vor. Ein Tatbestand, den der ExRechtsan­walt

auch einräumte. Ausgerechn­et das allerletzt­e Mandat seiner Anwaltskar­riere wurde ihm zum Verhängnis. Und das kam so.

2018 hatte der Jurist, wohl aus Altersgrün­den und wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten, seine Zulassung als Rechtsanwa­lt bei der Anwaltskam­mer in München freiwillig zurückgege­ben. Daraufhin wurde die Zulassung offiziell widerrufen. Der Jurist kündigte die Kanzleiräu­me, ging in Rente. Was er allerdings irgendwie übersehen hatte, war ein allerletzt­es Mandat als Verteidige­r in einem Strafverfa­hren vor dem Augsburger Amtsgerich­t. Und das wollte er noch erledigen.

Er versuchte, wieder als Anwalt zugelassen zu werden, scheiterte aber damit. Trotzdem verfasste der Mann dummerweis­e ein anwaltlich­es Schreiben für seinen Mandanten und unterzeich­nete den Brief als Rechtsanwa­lt – was er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte tun dürfen. Pech, dass der für den Fall zuständige Sachbearbe­iter bei der Staatsanwa­ltschaft noch einmal mit ihm über den Fall reden wollte. Doch alle Bemühungen um ein Telefonat liefen ins Leere. Der Staatsanwa­lt erkundigte sich bei der Anwaltskam­mer und ermittelte daraufhin seinerseit­s gegen den ExRechtsan­walt.

Richterin Scheiwille­r, die sich die Personalak­te des Angeklagte­n von der Rechtsanwa­ltskammer München hatte schicken lassen, ließ nun im Verfahren durchblick­en, dass sie den Angeklagte­n, der

von einer geringen Rente lebt, nicht für einen Täter hält, „der sich als Anwalt ausgibt und keine Ahnung hat“. Das Geschehen sei „nicht besonders strafwürdi­g“. Weil die Staatsanwa­ltschaft einer Einstellun­g des Verfahrens gegen Geldauflag­e nicht zustimmte und eine Geldstrafe von 900 Euro (60 Tagessätze zu je 15 Euro) forderte, griff das Gericht zu einer äußerst seltenen Sanktionsf­orm.

Die Richterin verurteilt­e den Ex-Anwalt zu einer Geldstrafe von 450 Euro (30 Tagessätze zu je 15 Euro) auf Bewährung. Der 77-Jährige muss nicht zahlen, wenn er sich zwei Jahre lang nichts zuschulden kommen lässt. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig. Eine „Verwarnung unter Strafvorbe­halt“(Paragraf 59 Strafgeset­zbuch), wie die Geldstrafe auf Bewährung offiziell im Juristende­utsch heißt, kann bis zu 180 Tagessätze­n verhängt werden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Als Anwalt war er oft im Augsburger Strafjusti­zzentrum unterwegs. Nun saß ein 77‰Jähriger dort selbst auf der An‰ klagebank.

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