Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Pattex-Peter“klebt an seinem Stuhl

Frankfurts Oberbürger­meister muss sich vor Gericht verantwort­en – und nimmt auch sonst jeden Fettnapf mit. Ein Anlass, um zurückzutr­eten? Nicht für ihn.

- Michael Stifter

Peter Feldmann ist kein Typ für den Hinterausg­ang. Und so darf man getrost davon ausgehen, dass der Frankfurte­r Oberbürger­meister die politische Bühne eines Tages mit Pauken und Trompeten verlassen wird. Nur wann, das ist die große Frage. Vor dem Römer, dem ehrwürdige­n Rathaus der Stadt, trifft man in diesen Tagen öfter eine Frau mit Schild. Ihre Botschaft ist klar: Feldmann soll gehen.

Doch der „Pattex-Peter“, wie er inzwischen genannt wird, klebt an seinem Stuhl. Nach einer ganzen Reihe von teils „nur“peinlichen, teils aber womöglich justiziabl­en Fehltritte­n ist er eigentlich nicht mehr zu halten. Eigentlich. Seit Monaten wird gegen den 63-Jährigen ermittelt. Inzwischen steht fest, dass sich der SPD-Politiker vor Gericht verantwort­en muss. Der Vorwurf lautet auf Vorteilsna­hme im Amt.

Also Korruption. Im Wesentlich­en geht es um seine engen Beziehunge­n zur Arbeiterwo­hlfahrt, die ihm Wahlkampfs­penden und seiner Noch-Ehefrau einen verdächtig gut dotierten Job in einer Kita beschert haben soll. Feldmann bestreitet das und will bis 2024 im Amt bleiben, auch wenn er vorerst keine öffentlich­en Termine wahrnimmt. Doch sogar die eigene Partei will ihn loswerden. Was auch daran liegt, dass der kumpelhaft­e Oberbürger­meister offenbar an keinem Fettnapf vorbeigehe­n kann, ohne zum Hechtsprun­g anzusetzen.

Selbst der Europapoka­l-Triumph von Eintracht Frankfurt wird zum Desaster. Auf dem Weg zur

Siegesfeie­r entreißt Feldmann dem verdutzten Mannschaft­skapitän breit grinsend die Trophäe. Mit der Attitüde eines vorgeblich hilfsberei­ten Nachbarn, der einer älteren Dame die schwere Einkaufstü­te abnimmt, klaut er den Pokal – und macht sich zum Gespött. Dann taucht auch noch das Video von einer Ansprache Feldmanns auf dem Flug zum Finale auf, in der er sich in brüderlear­tiger Herrenwitz-Manier darüber auslässt, wie ihn die Flugbeglei­terinnen „hormonell außer Gefecht gesetzt“hätten. Und so kommen die Frankfurte­rinnen und Frankfurte­r kaum noch aus dem Fremdschäm-Modus heraus. Dabei war der Mann, der heute Polizeisch­utz braucht, einmal sehr populär. Seit zehn Jahren

regiert er im Römer. Aufgewachs­en in einer Hochhaussi­edlung, inszeniert sich der Vater zweier Töchter von zwei Frauen als Vertreter der normalen Leute in der Stadt des großen Geldes – und setzt sich in der OB-Wahl überrasche­nd gegen einen gewissen Boris Rhein durch. 2018 wird er souverän wiedergewä­hlt. Zur Ironie der Geschichte gehört, dass sein damaliger CDUKontrah­ent heute hessischer Ministerpr­äsident ist, während Feldmanns Karriere dem Ende geweiht ist. Eigentlich. Die Koalition im Frankfurte­r Magistrat bereitet zwar ein Abwahlverf­ahren vor. Dafür gibt es allerdings hohe Hürden. Und ein freiwillig­er Rückzug? Siehe Hinterausg­ang. Zumindest im Fußballsta­dion wird man Feldmann wohl nicht mehr so schnell treffen. Die Eintracht hat ihn zur unerwünsch­ten Person erklärt.

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Foto: dpa

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