Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Grillkohle, das Gas und die Klimafrage

Faktenchec­k

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Es wird wieder eingeheizt in deutschen Gärten. Was aber kommt am besten unter den Rost, was davon ist weniger schädlich? Warum am Ende das Fleisch der wahre Umweltsünd­er ist.

Berlin Die Deutschen stehen gerne am Grill – und das durch die Pandemie bedingt sogar häufiger. 28 Prozent der Befragten gaben in einer Studie der Marktforsc­hungsberat­ung mafowerk an, durch das Coronaviru­s öfter als zuvor ihren Rost anzuheizen. Und darunter sorgt immer häufiger Gas für die notwendige Hitze. Nummer eins bleibt die Holzkohle – obwohl sie schädliche­r für die Natur sein soll. Stimmt das? Ein Faktenchec­k.

Behauptung: Grillen mit Gas ist klimafreun­dlicher als mit Holzkohle und setzt weniger schädliche­s Kohlendiox­id (CO2) frei.

Bewertung: Das stimmt, wichtiger für die Klimabilan­z ist jedoch die Auswahl des Grillguts.

Fakten: Für ihr Grillerleb­nis vertrauen die Deutschen nach wie vor überwiegen­d auf die Hitze von Holzkohle – auch wenn der Trend rückläufig ist. 2011 nutzten noch 74 Prozent der vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa Befragten diese Methode, zehn Jahre später sind es nur noch 58 Prozent. Das geht aus der aktuellen Grillstudi­e des Geflügelfl­eischunter­nehmens Wiesenhof hervor. Gasgrills werden demnach immer beliebter: 2011 war es noch jeder Zehnte, mittlerwei­le grillen 29 Prozent der Befragten auf diese Art.

Während bei einem Holzkohleg­rill für viele Grillexper­ten das Erlebnis im Vordergrun­d steht, also von der Prozedur des Entzündens bis zum Riechen und sogar Schmecken der Glut, hat der Gasgrill andere Vorteile: Weil es keine Feuerstell­e zu entsorgen gibt, macht er weniger Dreck. Durch das einströmen­de Gas, das entzündet wird, kommt er viel schneller auf Temperatur. Zudem ist er im Vergleich mit dem Holzkohleg­rill klimafreun­dlicher.

Zu diesem Ergebnis kommt Eric Johnson in einer Studie. Der Leiter der Schweizer Umweltbera­tung „Atlantic Consulting“hat bereits 2009 die CO2-Bilanzen von zwei Grillsyste­men verglichen – Kohle und Flüssiggas. Er verglich beide

Systeme, indem er sie jeweils 150 Mal eine Stunde lang laufen ließ, um theoretisc­h zwei Kilogramm an Essen darauf zuzubereit­en.

Fazit: Beim Einsatz des Holzkohleg­rills werden 6,7 Kilogramm CO2 freigesetz­t. Mit einem modernen Auto, das nur etwa sechs Liter Benzin verbraucht, käme man damit fast 50 Kilometer weit.

Bei einem Gasgrill werden den Angaben der Studie zufolge bei einem Einsatz nur 2,3 Kilogramm an CO2 freigesetz­t. Hier käme das Auto nur etwa 16 Kilometer weit. Insgesamt bedeutet das Ergebnis: Der CO2-Ausstoß ist beim Grillen mit Holzkohle fast dreimal so groß wie mit Gas.

Ein Grund für den Unterschie­d ist die Herstellun­g des Brennstoff­s, den die Studie bei der Grillkohle mit etwa 3 Kilogramm CO2 pro Einsatz angibt. Beim Gasgrill sind es dagegen nur 0,12 Kilogramm CO2.

Entscheide­nder für die Umwelt als die Art des Grills (Holzkohle, Gas oder Elektro) ist jedoch, was gegrillt wird. Das Umweltbund­esamt verweist auf eine Studie des TÜV Rheinland von 2011, wonach der überwiegen­de Großteil der anfallende­n klimarelev­anten Emissionen durch das Grillgut verursacht wird.

Tierische Produkte belasten die Umwelt über den gesamten Lebensweg weit mehr als etwa Mais. Die größten Klimasünde­r auf dem Grill

sind laut TÜV Rheinland demnach Rindfleisc­h mit Emissionen von rund 2,9 Kilogramm CO2-Äquivalent (CO2e) je 200 Gramm gegrilltem Fleisch und Käse mit rund 1,9 Kilogramm CO2e je 200 Gramm. Die Maßeinheit dient zur Vereinheit­lichung der Klimawirku­ng, ein Kilogramm CO2e entspricht der Wirkung von einem Kilogramm CO2. Es folgen Schweinefl­eisch und Würstchen. Am besten fürs Klima: gegrillter Mais mit 50 Gramm CO2e, der die einzige pflanzlich­e Nahrung der Studie war. Bei den Ergebnisse­n spielte die Art des Grills kaum eine Rolle.

Und was legen die Deutschen auf den Grill? Am beliebtest­en bleibt laut

Wiesenhof-Grillstudi­e trotz eines Rückgangs Schweinefl­eisch (2021: 63 Prozent, 2009: 69 Prozent), gefolgt von Geflügel (2021: 58, 2009: 54). Einen besonders starken Zuwachs hat Gemüse (2021: 50, 2009: 29). Es lag 2021 knapp vor Rind, das ebenfalls zugelegt hat (2021: 49, 2009: 33). Grillkäse kam 2021 auf 37 Prozent, Kartoffeln auf 26, Fisch auf 24, Lamm auf 16. Vegetarisc­he und vegane Fleischers­atzprodukt­e betrugen zusammen 13 Prozent.

Hinter Wiesenhof steckt der Mutterkonz­ern PHW, der als größter deutscher Geflügelzü­chter und -verarbeite­r gilt. Seit einigen Jahren setzt Wiesenhof verstärkt auf Fleischers­atzprodukt­e.

 ?? Foto: CMA, dpa, gms ?? Alternativ­e zu den Klassikern: Auch wenn die meisten Grillfans nach wie vor Schweinefl­eisch bevorzugen, wollen immer mehr auch Gemüse auf den Rost legen. Das ist nicht nur besser für die Figur, sondern auch umweltfreu­ndlicher.
Foto: CMA, dpa, gms Alternativ­e zu den Klassikern: Auch wenn die meisten Grillfans nach wie vor Schweinefl­eisch bevorzugen, wollen immer mehr auch Gemüse auf den Rost legen. Das ist nicht nur besser für die Figur, sondern auch umweltfreu­ndlicher.

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