Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Garten auf dem Weg zum Selbstversorger
Geschichte Energiekosten spielten bereits beim Vorläufer des Botanischen Gartens eine Rolle. Auch heute braucht die Anlage viel Energie. Wie die Stromversorgung zukunftsfähig gemacht werden soll.
Der Botanische Garten benötigt viel Wärme und Strom. Das wird Besucherinnen und Besuchern im feuchtwarmen Schauhaus „Pflanzenwelt unter Glas“klar. Auf einer Grundfläche von 565 Quadratmetern bietet der über acht Meter hohe Glasbau Wohlfühlatmosphäre für Gewächse der Tropen und Subtropen. Sie benötigen Verhältnisse wie in ihrer Heimat: feuchtwarmes Tropenklima. Der Wärmebedarf in der Halle mit fast 5000 Kubikmeter Rauminhalt ist hoch. Die Sonne reicht dafür nicht aus, eine leistungsfähige Zusatzbeheizung ist nötig.
Das Energiemanagement eines Botanischen Gartens soll ökologisch vorbildlich und zugleich kostengünstig sein. Deshalb richteten die Stadtwerke bereits 2001 auf dem Betriebshof eine BiomasseHeizanlage zur Wärmeversorgung ein. Beheizt wurden damit nicht nur die Glashäuser und Funktionsbauten, sondern das gesamte Amt für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen, Dr.-ZiegenspeckWeg 10 (derzeit 304 Beschäftigte).
Die Biomasse-Heizanlage bewährte sich. 2005 wurde ein Wärmeverbund mit dem benachbarten Zoo hergestellt. Die ökologische Selbstversorgungsanlage deckt seither rund 70 Prozent des Wärmebedarfs des Botanischen Gartens und des Zoos. Mit Strauch- und Baumschnitt als Heizmaterial werden pro Jahr 2,3 Millionen Kilowattstunden Wärme klimaneutral erzeugt. Das entspricht dem Bedarf von 160 Einfamilienhäusern. Für Notfälle und für den Spitzenbedarf sind zwei mit Gas beheizbare Heißwasserkessel installiert.
Auch die Sonne liefert im Botanischen Garten Primärenergie. 2010 wurden im Rahmen der Klimaoffensive Augsburg die Dächer des Seminarhauses und der Biomassehalle an ein Solarstrom-Unternehmen vermietet. Der Strom wird ins Netz eingespeist. Im Botanischen Garten macht eine Schrifttafel auf die ökologische Energieversorgung aufmerksam, eine Anzeige liefert aktuelle Daten zum Sonnenstrom.
Die Ausbeute wird steigen: Das für die Solarstrom-Erzeugung zuständige Kommunale Energiemanagement der Stadt Augsburg gab 2020 eine Machbarkeitsanalyse in Auftrag: Die Stromversorgung des Botanischen Gartens (Jahresverbrauch rund 300.000 Kilowattstunden) soll zukunftsfähig und klimaneutral gemacht werden, unabhängig von fossilen Rohstoffen. Die Studie mit Kostenberechnung lag im Juni 2021 vor und wurde als Förderprojekt der Nationalen Klimaschutz-Initiative beim Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz eingereicht. Auf rund eine Million Euro sind die Kosten veranschlagt. Derzeit wird die Förderfähigkeit geprüft.
Auf dem Dach eines Werkstattgebäudes und auf dem Umwelt-Bildungszentrum werden Photovoltaikanlagen montiert. Eine neue Energiezentrale und ein Strom-Speichergebäude sollen den Solarstrom verwerten, speichern und ins Betriebsnetz abgeben. Hier werden auch die rund 20 Elektromobile des Fuhrparks (Kleintransporter, Pkw, E-Bikes) mit Solarstrom betankt.
Eine Rückblende: Bereits 1935 bei den Planungen für eine neue Stadtgärtnerei am Rande des Siebentischparks spielten Heizung und Strom als bedeutende Kostenfaktoren eine Rolle. Damals befand sich die Stadtgärtnerei mit ein paar Glashäusern im Stadtgarten. Auf dem einstigen Gärtnerei-Areal stehen jetzt der Hotelturm und das Parkhaus. Im Oktober 1935 beschloss der Stadtrat die Verlegung der Stadtgärtnerei auf ein entschieden größeres Gelände für die Pflanzenaufzucht und die Überwinterung. Dem Betriebsgelände wurde eine botanische Lehr- und Schauanlage mit Gewächshäusern angegliedert. Dieser öffentliche Teil war der Vorläufer des Botanischen Gartens.
Am 19. November 1935 berichteten Augsburger Zeitungen über den ersten Spatenstich für das Verwaltungsgebäude der Stadtgärtnerei. Auch eine ausgedehnte Heizungsanlage sei nötig, erfuhren die Leser. Be
richte und Bilder über den Fortschritt der Arbeiten folgten. Aus einem abgelassenen Weiher im Siebentischpark wurde mit einer Feldbahn Schlamm zur Bodendurchmischung auf dem Freigelände verteilt. Die Arbeiten gingen im Winter 1935/36 weiter. Im Frühjahr begannen die Pflanzungen, ab 27. September 1936 war der Besucherbereich zugänglich.
Das Palmenhaus wurde 1936 gebaut, das achteckige Victoria-RegiaHaus 1937. Bereits 1937 musste die Heizanlage vergrößert werden. Auch im Winter sollte sich ein Besuch der neuen Stadtgärtnerei lohnen. Die exotische Flora in den Glashäusern lockte das Publikum an. Doch bald nach Beginn des Zweiten Weltkriegs waren Besucher ausgesperrt. Der Grund: Die Ernährungslage hatte sich derart verschlechtert, dass Zierund Kulturflächen in eine Gemüsegärtnerei umgewandelt wurden. Sie belieferte Krankenhäuser und Altenheime.
Ab 1947 konnten die Anbauflächen reduziert werden. Es dauerte bis Juli 1950, ehe rund 17.000 Quadratmeter große botanische Lehrund Schaubereiche geöffnet werden konnten. Sie bekamen die Bezeichnung „Botanischer Garten“. Im Adressbuch 1954 sind unter der Anschrift Parkstraße 15 a nur das Städtische Gartenbauamt und die Stadtgärtnerei verzeichnet, der „Botanische Garten in den Siebentisch-Anlagen“wird aber bereits unter den Augsburger Sehenswürdigkeiten aufgeführt.
Eine neue Epoche leitete der 18. September 1982 ein: An diesem Tag fand der erste Spatenstich zur Neugestaltung und Erweiterung des Botanischen Gartens statt. Der Anlass: Augsburg hatte die Ausrichtung der Bayerischen Landesgartenschau 1985 übertragen bekommen. Der Botanische Garten wurde zentraler Veranstaltungsort. Ein Prospekt
„Neuer Botanischer Garten Augsburg – schön wie die Gartenschau“warb danach für die um fast zehn Hektar vergrößerte Schau- und Erholungslandschaft. Der 1984 darin integrierte 4200 Quadratmeter große Japanische Garten hatte sich als Attraktion für die fast 1,3 Millionen Besucher der Landesgartenschau erwiesen. Zu den Event-Bereichen des Botanischen Gartens gehören seither ein Biergarten mit Kastanienbäumen sowie der Rosengarten mit großem Musikpavillon. Ein großes Glashaus der Stadtgärtnerei wird im Sommer 2022 wieder zum „Konzerthaus“umfunktioniert.
Der Botanische Garten kann in der Energiedebatte mit ökologischer Wärme- und Solarstromversorgung als zukunftsfähiges Vorzeigeobjekt punkten: An Tagen der offenen Tür und Begehungen dürfen Technikinteressierte auch hinter die Kulissen blicken.