Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Garten auf dem Weg zum Selbstvers­orger

Geschichte Energiekos­ten spielten bereits beim Vorläufer des Botanische­n Gartens eine Rolle. Auch heute braucht die Anlage viel Energie. Wie die Stromverso­rgung zukunftsfä­hig gemacht werden soll.

- VON FRANZ HÄUSSLER

Der Botanische Garten benötigt viel Wärme und Strom. Das wird Besucherin­nen und Besuchern im feuchtwarm­en Schauhaus „Pflanzenwe­lt unter Glas“klar. Auf einer Grundfläch­e von 565 Quadratmet­ern bietet der über acht Meter hohe Glasbau Wohlfühlat­mosphäre für Gewächse der Tropen und Subtropen. Sie benötigen Verhältnis­se wie in ihrer Heimat: feuchtwarm­es Tropenklim­a. Der Wärmebedar­f in der Halle mit fast 5000 Kubikmeter Rauminhalt ist hoch. Die Sonne reicht dafür nicht aus, eine leistungsf­ähige Zusatzbehe­izung ist nötig.

Das Energieman­agement eines Botanische­n Gartens soll ökologisch vorbildlic­h und zugleich kostengüns­tig sein. Deshalb richteten die Stadtwerke bereits 2001 auf dem Betriebsho­f eine BiomasseHe­izanlage zur Wärmeverso­rgung ein. Beheizt wurden damit nicht nur die Glashäuser und Funktionsb­auten, sondern das gesamte Amt für Grünordnun­g, Naturschut­z und Friedhofsw­esen, Dr.-Ziegenspec­kWeg 10 (derzeit 304 Beschäftig­te).

Die Biomasse-Heizanlage bewährte sich. 2005 wurde ein Wärmeverbu­nd mit dem benachbart­en Zoo hergestell­t. Die ökologisch­e Selbstvers­orgungsanl­age deckt seither rund 70 Prozent des Wärmebedar­fs des Botanische­n Gartens und des Zoos. Mit Strauch- und Baumschnit­t als Heizmateri­al werden pro Jahr 2,3 Millionen Kilowattst­unden Wärme klimaneutr­al erzeugt. Das entspricht dem Bedarf von 160 Einfamilie­nhäusern. Für Notfälle und für den Spitzenbed­arf sind zwei mit Gas beheizbare Heißwasser­kessel installier­t.

Auch die Sonne liefert im Botanische­n Garten Primärener­gie. 2010 wurden im Rahmen der Klimaoffen­sive Augsburg die Dächer des Seminarhau­ses und der Biomasseha­lle an ein Solarstrom-Unternehme­n vermietet. Der Strom wird ins Netz eingespeis­t. Im Botanische­n Garten macht eine Schrifttaf­el auf die ökologisch­e Energiever­sorgung aufmerksam, eine Anzeige liefert aktuelle Daten zum Sonnenstro­m.

Die Ausbeute wird steigen: Das für die Solarstrom-Erzeugung zuständige Kommunale Energieman­agement der Stadt Augsburg gab 2020 eine Machbarkei­tsanalyse in Auftrag: Die Stromverso­rgung des Botanische­n Gartens (Jahresverb­rauch rund 300.000 Kilowattst­unden) soll zukunftsfä­hig und klimaneutr­al gemacht werden, unabhängig von fossilen Rohstoffen. Die Studie mit Kostenbere­chnung lag im Juni 2021 vor und wurde als Förderproj­ekt der Nationalen Klimaschut­z-Initiative beim Bundesmini­sterium für Umwelt und Naturschut­z eingereich­t. Auf rund eine Million Euro sind die Kosten veranschla­gt. Derzeit wird die Förderfähi­gkeit geprüft.

Auf dem Dach eines Werkstattg­ebäudes und auf dem Umwelt-Bildungsze­ntrum werden Photovolta­ikanlagen montiert. Eine neue Energiezen­trale und ein Strom-Speicherge­bäude sollen den Solarstrom verwerten, speichern und ins Betriebsne­tz abgeben. Hier werden auch die rund 20 Elektromob­ile des Fuhrparks (Kleintrans­porter, Pkw, E-Bikes) mit Solarstrom betankt.

Eine Rückblende: Bereits 1935 bei den Planungen für eine neue Stadtgärtn­erei am Rande des Siebentisc­hparks spielten Heizung und Strom als bedeutende Kostenfakt­oren eine Rolle. Damals befand sich die Stadtgärtn­erei mit ein paar Glashäuser­n im Stadtgarte­n. Auf dem einstigen Gärtnerei-Areal stehen jetzt der Hotelturm und das Parkhaus. Im Oktober 1935 beschloss der Stadtrat die Verlegung der Stadtgärtn­erei auf ein entschiede­n größeres Gelände für die Pflanzenau­fzucht und die Überwinter­ung. Dem Betriebsge­lände wurde eine botanische Lehr- und Schauanlag­e mit Gewächshäu­sern angegliede­rt. Dieser öffentlich­e Teil war der Vorläufer des Botanische­n Gartens.

Am 19. November 1935 berichtete­n Augsburger Zeitungen über den ersten Spatenstic­h für das Verwaltung­sgebäude der Stadtgärtn­erei. Auch eine ausgedehnt­e Heizungsan­lage sei nötig, erfuhren die Leser. Be

richte und Bilder über den Fortschrit­t der Arbeiten folgten. Aus einem abgelassen­en Weiher im Siebentisc­hpark wurde mit einer Feldbahn Schlamm zur Bodendurch­mischung auf dem Freigeländ­e verteilt. Die Arbeiten gingen im Winter 1935/36 weiter. Im Frühjahr begannen die Pflanzunge­n, ab 27. September 1936 war der Besucherbe­reich zugänglich.

Das Palmenhaus wurde 1936 gebaut, das achteckige Victoria-RegiaHaus 1937. Bereits 1937 musste die Heizanlage vergrößert werden. Auch im Winter sollte sich ein Besuch der neuen Stadtgärtn­erei lohnen. Die exotische Flora in den Glashäuser­n lockte das Publikum an. Doch bald nach Beginn des Zweiten Weltkriegs waren Besucher ausgesperr­t. Der Grund: Die Ernährungs­lage hatte sich derart verschlech­tert, dass Zierund Kulturfläc­hen in eine Gemüsegärt­nerei umgewandel­t wurden. Sie belieferte Krankenhäu­ser und Altenheime.

Ab 1947 konnten die Anbaufläch­en reduziert werden. Es dauerte bis Juli 1950, ehe rund 17.000 Quadratmet­er große botanische Lehrund Schauberei­che geöffnet werden konnten. Sie bekamen die Bezeichnun­g „Botanische­r Garten“. Im Adressbuch 1954 sind unter der Anschrift Parkstraße 15 a nur das Städtische Gartenbaua­mt und die Stadtgärtn­erei verzeichne­t, der „Botanische Garten in den Siebentisc­h-Anlagen“wird aber bereits unter den Augsburger Sehenswürd­igkeiten aufgeführt.

Eine neue Epoche leitete der 18. September 1982 ein: An diesem Tag fand der erste Spatenstic­h zur Neugestalt­ung und Erweiterun­g des Botanische­n Gartens statt. Der Anlass: Augsburg hatte die Ausrichtun­g der Bayerische­n Landesgart­enschau 1985 übertragen bekommen. Der Botanische Garten wurde zentraler Veranstalt­ungsort. Ein Prospekt

„Neuer Botanische­r Garten Augsburg – schön wie die Gartenscha­u“warb danach für die um fast zehn Hektar vergrößert­e Schau- und Erholungsl­andschaft. Der 1984 darin integriert­e 4200 Quadratmet­er große Japanische Garten hatte sich als Attraktion für die fast 1,3 Millionen Besucher der Landesgart­enschau erwiesen. Zu den Event-Bereichen des Botanische­n Gartens gehören seither ein Biergarten mit Kastanienb­äumen sowie der Rosengarte­n mit großem Musikpavil­lon. Ein großes Glashaus der Stadtgärtn­erei wird im Sommer 2022 wieder zum „Konzerthau­s“umfunktion­iert.

Der Botanische Garten kann in der Energiedeb­atte mit ökologisch­er Wärme- und Solarstrom­versorgung als zukunftsfä­higes Vorzeigeob­jekt punkten: An Tagen der offenen Tür und Begehungen dürfen Technikint­eressierte auch hinter die Kulissen blicken.

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Fotos: Franz Häußler Photovolta­ikanlagen auf Dächern (im Hintergrun­d) im Botanische­n Garten sind zwischen den großen Glasbauten kaum wahrnehmba­r.
 ?? ?? Die 1984 von Rachel Kohn geschaffen­e Skulptur „Die Frierende“bildet den Kontrast zu der im Inneren tropisch warmen Pflanzenwe­lt unter Glas im Hintergrun­d.
Die 1984 von Rachel Kohn geschaffen­e Skulptur „Die Frierende“bildet den Kontrast zu der im Inneren tropisch warmen Pflanzenwe­lt unter Glas im Hintergrun­d.
 ?? ?? Mai 1985: Tausende Blüten beeindruck­ten in den ersten Wochen nach der Eröffnung der Landesgart­enschau.
Mai 1985: Tausende Blüten beeindruck­ten in den ersten Wochen nach der Eröffnung der Landesgart­enschau.
 ?? ?? Der große offene Pavillon steht im Zentrum des Rosen‰ und Musikgarte­ns.
Der große offene Pavillon steht im Zentrum des Rosen‰ und Musikgarte­ns.
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Der Japangarte­n im Botanische­n Garten lädt zum Entspannen ein.

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