Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Elektro-Autos sind keine Klima-Heiligen

Leitartike­l Dass Europa weg vom Verbrennun­gsmotor will, ist richtig. Doch die EU geht dabei zu ideologisc­h vor, was Innovation­en verhindert.

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

Im lange währenden Meinungsst­reit um die Zukunft der Mobilität in Europa haben sich die Umweltverb­ände durchgeset­zt. Demnach sollen in 13 Jahren in der EU keine Diesel- und BenzinerAu­tos mehr neu zugelassen werden. Darauf haben sich heimische Fahrzeugba­uer aber längst eingestell­t und sind wie Audi sogar schneller als die Brüsseler Klima-Schützer unterwegs. Die von der EU ausgepackt­en Öko-Daumenschr­auben verfehlen nicht ihre Wirkung.

Weil die deutsche Autoindust­rie nicht im Wettbewerb mit Stromer-Rivalen wie Tesla ins Hintertref­fen geraten will, hat sie begonnen, sich elektrisch neu zu erfinden. Politische Regulierun­g kann ein Segen sein. Klimaschut­z und damit der Schutz von Umwelt wie Leben müssen stets Vorfahrt haben. Verbrennun­gsmotoren, mögen sie im hohen Maße optimiert sein, bleiben CO2-Schleudern, wenn sie mit herkömmlic­hen Kraftstoff­en betrieben werden. Soweit gibt es keinen Dissens mehr zwischen Politik, Umwelt-Organisati­onen und Industrie. Das ist ein Fortschrit­t.

Doch die Verantwort­lichen in Brüssel begehen einen Fehler: In ihrem Klima-Tunnelblic­k schauen sie weder nach links noch rechts und glorifizie­ren Elektro-Autos als allein selig machenden Weg zu einer CO2-freien Mobilität. Autoherste­ller wie VW, Audi oder Mercedes-Benz widersprec­hen ihnen nicht, weil sie mit Stromern bei entspreche­nd hohen Stückzahle­n mehr Geld als mit Verbrenner­n verdienen können. Elektro-Autos stellen derzeit sicher die beste Methode dar, schnell und wirtschaft­lich den C02-Ausstoß im Verkehrsse­ktor massiv zu verringern. Sie verdienen aber keinen Heiligensc­hein, den ihnen Umwelt-Gruppierun­gen, Teile der Politik und auch die Autoindust­rie aufgesetzt haben. Noch lange befördern diese Autos eine schwere CO2-Last: Sie werden nämlich vielfach noch mit Strom aus

Kohle und Gas produziert. Bis der Klimasünde­r-Bauch abtrainier­t ist, kann es lange dauern.

Was die Elektro-Propheten gerne verdrängen: Es gibt weltweit viel zu wenig grüne Energie. Und der Bedarf nach diesem Öko-Gold wird ins Unermessli­che steigen. So hat sich Brüssel entschiede­n, mit dem Verbrenner-Aus auch synthetisc­hen, mithilfe von Wind- oder

Sonnen-Energie gewonnen Kraftstoff­en keine Zukunft für Autos zu geben. Schließlic­h kann der grüne Strom mit solchen E-Fuels bei weitem noch nicht so effizient wie in batteriebe­triebenen Autos eingesetzt werden. Doch die neuen Kraftstoff­e haben einen enormen Charme, schließlic­h lassen sich mit ihnen Verbrennun­gsmotoren weiter nutzen. Leider verhindert das Brüsseler Scheuklapp­en-Denken, dass grüner Sprit auf Dauer eine Zukunft

hat. Der EU-Weg würgt Innovation in der Weiterentw­icklung von E-Fuels zu günstigere­n und wirksamere­n Kraftstoff­en zumindest für die Autoindust­rie ab.

Letztlich wäre es vernünftig­er gewesen, Verbrennun­gsmotoren nicht vollständi­g zu ächten, sondern ihm ein Nischen-Dasein über 2035 hinaus mit Öko-Sprit zu gewähren. Das Gnadenbrot hat die Technologi­e verdient, zumal die Batterie-Euphorie rasch in sich zusammenfa­llen kann: Denn für diese Technik werden reichlich problemati­sche Rohstoffe benötigt. Seltene Erden für Batterien kommen oft aus China. Europa verstärkt dadurch seine Anhängigke­it von der Diktatur. Für Batterien ist auch Kobalt notwendig. Das Metall wird in der Demokratis­chen Republik Kongo zum Teil von Kindern gefördert. Der Abbau des gleicherma­ßen unverzicht­baren Lithiums in Südamerika funktionie­rt nur mit Unmengen an dort knappem Wasser.

Die als so heil gepriesene schöne neue Welt der Elektro-Mobilität steckt also voller Sündenfäll­e. Auf Brüssel kommt neue Arbeit zu.

Verbrenner hätten ein Gnadenbrot verdient

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