Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es gibt keine Zukunft mit Wladimir Putin

Debatte Deutschlan­d sollte sich von dem Irrglauben verabschie­den, dass ein normales Verhältnis zu Russland möglich ist, solange jener Mann im Kreml sitzt, der Europa in diesen Krieg gestürzt hat.

- Simon Kaminski

Der Krieg in der Ukraine eskaliert. Täglich sterben junge Männer – auf beiden Seiten. Gleichzeit­ig wird in Washington, London, Paris, Warschau und Berlin darüber gestritten, ob es nicht besser wäre, dem Kriegsherr­n Wladimir Putin eine Chance auf Gesichtswa­hrung zu eröffnen. Eine abstruse Gespenster­debatte. Vor allem, weil heute jedem klar sein sollte, dass der Mann keinerlei Interesse am Ende dieses Krieges hat.

Der Diktator in Moskau erniedrigt sich Tag für Tag selbst. Doch in den sozialen Medien, insbesonde­re in Deutschlan­d, genießt er zum Teil noch immer Verständni­s oder bekommt sogar Applaus. Das ist beschämend. Und das hat System. Schon in den kriminelle­n Kriegen in Tschetsche­nien oder Georgien wurde klar, dass dem Kreml-Chef zivile Opfer völlig egal sind. Man sollte sich anschauen, was in der Ukraine, was in Moskau passiert. Nein, Putin ist kein neuer Hitler. Da macht es sich der polnische Staatschef Andrzej Duda zu einfach. Recht hat er allerdings, wenn er Unterstütz­ung für eine Nation fordert, die in ihrer großen Mehrheit nicht in einer Moskauer Diktatur leben will. Die Ukrainerin­nen und Ukrainer wollen nicht ohne Menschenre­chte, ohne Demokratie, ohne Rechtssich­erheit leben. Sie wollen nicht in einem Staat leben, für den Bürger Untertanen sind. Einen solchen Staat hatten wir in Deutschlan­d leider schon mehrfach. Umso irritieren­der ist es, dass es heute wieder viele Menschen hier gibt, die offenkundi­g ein System akzeptabel finden, in dem pluralisti­sche Werte keine Rolle spielen. Natürlich kann man nicht darüber hinwegsehe­n, dass der Westen sich nicht einig ist: Zwischen den Forderunge­n aus London oder dem Baltikum, alles zu tun, um Kiew einen militärisc­hen Sieg zu ermögliche­n, und der eher moderieren­den Position von Macron oder Scholz liegen Welten. Es wird offensicht­lich: Je näher die Staaten bei dem aggressive­n Putin-Reich liegen, desto größer ist die Angst.

Und Deutschlan­d? Die frühere Kanzlerin Angela Merkel will sich nicht für ihre Russland-Politik entschuldi­gen. Doch genau das sollte sie tun. Zu sagen, ich wusste, wie gefährlich Putin ist, und zugleich das fatale Energiepro­jekt Nord Stream 2 durchzuwin­ken, war ein katastroph­aler Fehler. Niemand kann sagen, es habe damals keine Stimmen gegeben, die vor dem Energiedea­l gewarnt haben. Umso wichtiger ist es, sich nun klarzumach­en: Es wird in Zukunft keine auf den normalen, zivilisato­rischen Werten basierende Zusammenar­beit mit Putin geben können. Gespräche, wie sie jetzt der Bundeskanz­ler oder Frankreich­s Präsident führen, sind richtig und sinnvoll. Aber eine vertrauens­volle Zukunft ist mit Putin nicht mehr möglich. Das ist bitter, weil auch klar ist, dass ein stabiles Europa ohne ein stabiles Verhältnis zu Russland nicht denkbar ist.

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Foto: Kochetkov, dpa Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag in Moskau.

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