Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schock in Bätzings Bistum
Kirche Der tragische Tod eines ranghohen Priesters verstärkt die Krisenstimmung.
Limburg Der Leiter des Priesterseminars im Bistum Limburg ist tot aufgefunden worden. Das teilte das Bistum am Freitag mit, ohne Details zu den Todesumständen des Geistlichen zu nennen. Der Priester sei am Mittwoch von Bischof Georg Bätzing im Zusammenhang mit Vorwürfen wegen übergriffigen Verhaltens angehört und vorläufig von seinen Ämtern freigestellt worden. Dies sei von den kirchlichen Ordnungen so vorgesehen, um die Vorwürfe prüfen und aufklären zu können. Einen Tag später sei der ranghohe Priester dann tot entdeckt worden.
Auch für Bätzing muss die Nachricht ein großer Schock gewesen sein, denn er hat jahrelang eng mit dem Geistlichen zusammengearbeitet. „Die Geschehnisse erschüttern uns im Bistum Limburg und weit darüber hinaus“, teilte das Bistum mit. Dabei ist Bätzing gerade als verständnisvoller und empathischer Chef bekannt. Kürzlich war ihm sogar vorgeworfen worden, im Umgang mit einem anderen Priester zu lax gehandelt zu haben. Der Geistliche hatte zwei Frauen belästigt, war Jahre später aber gleichwohl von Bätzing zum Bezirksdekan befördert worden. Bätzing rechtfertigte dies damit, dass die Übergriffe des Priesters keine Straftaten dargestellt hätten und er sein Verhalten bereut und sich entschuldigt habe.
Der 61 Jahre alte Bischof von Limburg ist seit 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und eine der treibenden Kräfte hinter dem derzeitigen Reformprozess der deutschen Katholiken. Dieser „Synodale Weg“strebt konkrete Änderungen an, so eine Beteiligung der Gläubigen an der Bischofswahl, die Segnung homosexueller Paare und möglichst auch das Diakonat der Frau.
Der Vatikan verfolgt die deutschen Erneuerungsbemühungen mit größtem Misstrauen. Konservative Bischöfe aus aller Welt haben sich bereits mit harschen Erklärungen dagegen in Stellung gebracht. In Deutschland gehören Konservative wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer zu Bätzings Gegenspielern. Er selbst ist jedoch der Überzeugung, dass der Reformprozess die letzte Chance der Kirche in Deutschland ist, denn längst wenden sich auch die Treuesten der Treuen in Scharen ab.
Der nun tot aufgefundene Leiter des Priesterseminars, Christof May, war selbst ein bekannter Reformer, der sogar noch weit schärfer und entschiedener formulierte als Bätzing. Im Jahr 2020 erzielte der begabte Redner 165.000 Abrufe mit der Videoaufzeichnung einer Predigt, in der er sich unter anderem für die Segnung homosexueller Paare, für die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion und für die Öffnung des Priesteramts für Frauen aussprach. „Theologen und Theologinnen, die Argumente bringen für das Weiheamt der Frau, werden mundtot gemacht“, kritisierte er. Das sind Töne, die man so nur sehr selten von hohen Geistlichen hört.
Die Ermittler gehen davon aus, dass sich der Priester das Leben genommen hat. Der tragische Tod des 49-Jährigen, für den es nach Angaben der Staatsanwaltschaft Limburg keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden oder eine strafbare Handlung gibt, verstärkt die tiefe Krisenstimmung in der katholischen Kirche in Deutschland.
Der Leiter des Limburger Priesterseminars hatte noch Anfang dieses Jahres in einer Predigt zugegeben, dass er mitunter selbst an seiner Berufung zweifle und das Gefühl habe, ihr nicht gerecht werden zu können. Es vergehe kein Tag, ohne dass er Gott nicht um Vergebung bitte. „Jeden Abend auf der Bettkante muss ich sagen: „Christof, Du hast es wieder nicht auf die Kette gebracht.“(Christoph Driessen, dpa)