Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum die Ampel so vielfarbig blinkt

Analyse

- VON STEFAN LANGE

Die Koalition aus SPD, FDP und Grünen hat im Streit um den Ukraine-Krieg die erste Regierungs­krise gerade noch abgewendet. Bei den aktuellen Streitthem­en könnte das nicht mehr gelingen. Dabei sind die Koalitionä­re gerade erst im siebten Monat angekommen. Verflixt.

Berlin Die Ampel-Koalition werde, blickte FDP-Chef Christian Lindner bei der Regierungs­bildung voraus, keine Liebesheir­at, sondern nur eine Zweckehe sein. Das verflixte siebte Jahr dürfte er dabei noch gar nicht im Sinn gehabt haben. Die Tatsache, dass es bereits im siebten Monat verflixt eng für das Bündnis aus Liberalen, Grünen und SPD ist, aber auch nicht.

Die erste Krise konnte Kanzler Olaf Scholz noch abwenden. Der Streit über die Unterstütz­ung der Ukraine in ihrem Krieg mit Russland wurde beigelegt. Viele Koalitionä­re sind skeptisch, ob dem SPDPolitik­er das bei den aktuellen Konflikten auch gelingt. Denn es gibt zur Ukraine-Debatte einen wichtigen Unterschie­d: Beim Thema Verteidigu­ng waren sich im Ziel alle einig, gestritten wurde über Details auf dem Weg dorthin. Bei den aktuellen Streitpunk­ten jedoch gibt es keine klare Zielmarke. Auf einmal werden die unterschie­dlichen programmat­ischen Ansätze der Parteien deutlich, und alle schießen in verschiede­ne Richtungen.

Jüngster Höhepunkt: die Weigerung von Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing, den EU-Beschluss für ein Verbot von Verbrenner-Autos mitzutrage­n. Nicht nur, dass der FDP-Politiker den Kanzler damit für den nächsten Europäisch­en Rat in knapp zwei Wochen in Erklärungs­not gebracht hat. Der deutsche Regierungs­chef muss seinen Kolleginne­n

und Kollegen dort irgendwie erklären, ob Berlin nun dem liberalen Kurs folgt oder doch dem grünen Verlangen danach, den Zündschlüs­sel abzuziehen und für alle Zeiten wegzuschme­ißen. Wissing pfeift außerdem auf den Koalitions­vertrag. „Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir den Kohleausst­ieg idealerwei­se auf 2030 vorziehen und die Technologi­e des Verbrennun­gsmotors hinter uns lassen“, heißt es dort. Wissing könnte sich darauf berufen, dass kein Datum genannt ist. Der gewiefte Politiker weiß aber, dass er damit bei den Grünen nicht durchkommt. Sein Vorstoß darf also als gezielte Provokatio­n verstanden werden. Zumal nicht wenige Liberale den Koalitions­vertrag ohnehin bereits als Makulatur betrachten.

Die Mitglieder und das Spitzenper­sonal von SPD, Grünen und FDP sind unterschie­dlich sozialisie­rt, es sind Grundsätze, die in der Ampel aufeinande­rprallen. Viele schauen neidisch auf wahre politische Liebesbeku­ndungen, die jüngste davon das schwarz-grüne Bündnis in Nordrhein-Westfalen, wo sich politische Überzeugun­gen wohl leichter durchsetze­n lassen als in der komplizier­ten Berliner Dreiecksbe­ziehung.

Die Verkehrspo­litik ist dabei ein Beispiel, die Energiepol­itik ein anderes. Wenn Lindner etwa für eine längere Laufzeit von Atomkraftw­erken plädiert, wenden sich viele Grüne mit Schaudern ab. Unterschie­dliche Ansichten zur Rolle des Staates und zur Ordnungspo­litik zeigen sich auch in der Debatte über eine Über

gewinnsteu­er. Das SPD-regierte Bremen hat sie am Freitag mit einer Bundesrats­initiative befeuert. Das Ansinnen, die Gewinne von Profiteure­n des Ukraine-Krieges mit einer Sondersteu­er abzuschöpf­en, wurde diskutiert. Zur Abstimmung kam es jedoch noch nicht, und die Chancen auf Umsetzung stehen schlecht.

In einer koalitions­internen Stellungna­hme des Bundesfina­nzminister­iums, die unserer Redaktion vorliegt, weist Lindners Haus eine solche Steuer klar zurück. Demnach wäre bereits die Festlegung, ab welcher Gewinnhöhe die Steuer greifen soll, „schwer ermittelba­r und höchst streitanfä­llig“. Sie wäre „ein neues, systemfrem­des Element im deutschen Steuerrech­t“, wie Lindners Staatssekr­etärin Katja Hessel

schreibt. Neben weiteren Gründen weist die FDP-Politikeri­n darauf hin, dass eine höhere Ertragsbes­teuerung im Inland zudem einen Anreiz für multinatio­nale Unternehme­n schaffen würde, ihr Öl woanders zu verkaufen. Was den Preis in Deutschlan­d weiter in die Höhe treiben dürfte.

Die Übergewinn­steuer ist mit der FDP also nicht zu machen. Interessan­terweise sind die Grünen darüber nicht sehr verärgert. Wirtschaft­sminister Robert Habeck hatte bei seinem Vorstoß zur Einführung einer solche Abgabe bereits eingeräumt, dass sie wohl nur schwer, womöglich gar nicht umzusetzen ist. Im roten Lager hingegen ist die Bereitscha­ft, den liberalen Koalitions­partner weiter zu triezen, ungleich höher. Überhaupt geht der

SPD Lindners gesamte Arbeit gewaltig gegen den Strich.

Denn die SPD hat einige Wünsche, die sie bald umsetzen will. Die aber kosten zusammen viele Milliarden Euro, und die Sozialdemo­kraten warten nun täglich auf Vorschläge aus dem Finanzmini­sterium, wie Lindner das Geld auftreiben will. Die Einführung der Kindergrun­dsicherung gehört dazu, sie soll möglichst vor den niedersäch­sischen Landtagswa­hlen am 9. Oktober kommen. Die SPD will weiter den Ministerpr­äsidenten stellen, da können ein paar positive Nachrichte­n nicht schaden. Zumal bei den Roten der Ärger darüber anhält, dass Lindner ihnen die Ausweitung des Energiegel­des von 300 Euro auf die Rentnerinn­en und Rentner vermasselt hat.

Hinter allem steckt wieder ein Grundsatzs­treit. Die FDP ist gegen Steuererhö­hungen und denkt eher über Entlastung­en nach. Grüne und vor allem aber die SPD wiederum würden Entlastung­en allenfalls mittragen, wenn es an anderer Stelle Abgabenerh­öhungen gibt, beispielsw­eise beim Spitzenste­uersatz. Während es also derzeit so aussieht, als ob in der Ampel nur Grüne gegen Gelbe blinken, wird in der Steuerpoli­tik der bislang nur schwelende Konflikt zwischen FDP und SPD vollständi­g aufbrechen.

Allen Differenze­n zum Trotz ist die Ampel-Koalition noch gewillt, die Zweckehe aufrechtzu­erhalten. Die Zahl der Scheidungs­gründe steigt jedoch.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Was will die Ampel‰Koalition? Die FDP ist gerade erst aus der NRW‰Regierung geflogen. Das macht die Sache in Berlin nicht leichter.

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