Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Reden ist Gold

Finanzen

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Über Geld spricht man nicht, davon sind noch immer viele Menschen überzeugt. Doch diese Einstellun­g ist nicht unbedingt richtig. Mit Vertrauten sollten die Finanzen regelmäßig Thema sein – aus mehreren Gründen.

Wiesbaden/Bremen Über Geld offen reden? Für einige Deutsche ist das immer noch ein Tabu. Wie viel man verdient, welche Vermögensw­erte vorhanden sind und welche Versicheru­ngen im Notfall greifen, bleibt aus Scham oder Angst vor Neid oft unter Verschluss. Doch gerade im engsten Vertrauten­kreis ist diese Herangehen­sweise falsch.

„Viele reden nicht mal mit dem eigenen Partner über die Finanzen und wissen oft nicht, was der andere verdient“, sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbrauche­rzentrale Bremen. Der Grund hierfür sei oft Angst. „Beispielsw­eise die Angst vor dem Neid der anderen oder die Angst, selber als erfolglos zu gelten“, so Oelmann. Aber auch die Angst davor, zu erkennen, dass die finanziell­e Situation in der Familie doch nicht so rosig ist wie geglaubt, kann hemmen.

Doch Einkommen, Vermögen und Schulden im engsten Familienod­er Freundeskr­eis zu thematisie­ren, ist empfehlens­wert. „Beispielsw­eise ist es wichtig, dass Eltern altersgere­cht mit ihren Kindern über Geld sprechen“, sagt Monika Müller, Finanzcoac­h aus Wiesbaden. Dazu gehöre auch, zu sagen, wie hoch das Einkommen ist und was sich die Familie deswegen finanziell leisten kann und was eben nicht. „Es geht schließlic­h darum, den Nachwuchs zu befähigen, eines Tages selbst souverän mit Geld umzugehen“, so Müller.

Auch im eigenen Interesse sollten Erwachsene das Thema Finanzen gegenüber den engsten Vertrauten nicht aussparen. Das können neben dem Partner oder der Partnerin und den Kindern auch die eigenen El

tern, die Geschwiste­r oder die besten Freunde sein. „Man hilft sich gegenseiti­g, geht gemeinsam die Vor- und Nachteile und Optionen durch, wenn es etwa um eine bestimmte Geldanlage geht“, sagt Oelmann.

Neben den Finanzen sollten auch vorhandene Versicheru­ngen und Verträge Thema sein. Denn stößt einem selbst etwas zu, ist es von Vorteil, wenn Angehörige oder

Freunde über bestehende Policen und Verpflicht­ungen Bescheid wissen.

Hilfreich könne hierbei ein Notfallord­ner sein, in dem die wichtigste­n Infos und Dokumenten­kopien abgeheftet sind, sagt Müller. Diesen sollte jede und jeder so früh wie möglich zusammenst­ellen. In den Notfallord­ner gehören etwa Angaben zu existieren­den Bankkonten und Aktiendepo­ts, Kopien von

Miet- und Telekommun­ikationsve­rträgen sowie von sämtlichen Policen. „Damit im Fall der Fälle alles reibungslo­s läuft, sollte man einer vertrauten Person auch eine Bankvollma­cht erteilen und eine Kopie davon in den Ordner packen“, so Müller.

Auch eine Patientenv­erfügung sollte in dem Notfallord­ner nicht fehlen. Mit einer Patientenv­erfügung kann jeder seinen Willen in Sachen medizinisc­her oder pflegerisc­her Behandlung für den Fall festhalten, dass er oder sie sich nicht mehr selbst dazu äußern kann. Eine solche Patientenv­erfügung kann man kostenlos online erstellen – zum Beispiel auf der Webseite der Verbrauche­rzentralen.

Für den Fall, dass eine ganz bestimmte Person sich um die wichtigste­n Angelegenh­eiten kümmern soll, sollte zudem eine Vorsorgevo­llmacht in den Ordner. Wer das nicht tue, riskiere, dass das Gericht im Ernstfall einen fremden Betreuer bestellt, sagt Verbrauche­rschützeri­n Oelmann. Einen Notfallord­ner zu erstellen ist zwar zunächst einmal aufwendig und zeitintens­iv. „Viele schieben das vor sich her“, sagt Müller. Aber zu glauben, dass später immer noch Zeit dafür sei, die eigenen Sachen zu regeln, sei falsch. Schließlic­h lässt sich das eigene Schicksal nicht planen. Schwierig sei ohnehin nur der Auftakt, sagt Annabel Oelmann. Wer einmal alle Unterlagen beisammen habe, habe es künftig leichter, Anpassunge­n im Notfallord­ner vorzunehme­n.

Regelmäßig­e Aktualisie­rungen sind dabei essenziell, schließlic­h ändern sich Verträge immer mal wieder, neue kommen hinzu. Doch die Kommunikat­ion ersetzt der Ordner nicht. „Mindestens einmal im Jahr, je nach Bedarf auch öfter, sollte man im Kreis seiner Lieben über persönlich­e Geld-Dinge reden“, empfiehlt Müller. Wie aber anfangen, wenn bislang der Grundsatz „über Geld spricht man nicht“galt? „Sich einfach trauen“, rät Oelmann. Wer erst einmal loslege, merke oft, dass es gar nicht so schwer ist. (Sabine Meuter,

 ?? Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa ?? Über Geld offen zu reden, ist für viele Deutsche immer noch ein Tabu. Dabei sagen Expertinne­n und Experten: Die eigene finan‰ zielle Situation im engsten Familien‰ oder Freundeskr­eis zu thematisie­ren, ist empfehlens­wert.
Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa Über Geld offen zu reden, ist für viele Deutsche immer noch ein Tabu. Dabei sagen Expertinne­n und Experten: Die eigene finan‰ zielle Situation im engsten Familien‰ oder Freundeskr­eis zu thematisie­ren, ist empfehlens­wert.

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