Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Broadway findet zurück zu altem Glanz
Preise Am Sonntag werden die wichtigsten Theaterpreise New Yorks vergeben. Das Geschäft brummt wieder nach Corona.
New York Ein Waggon voller Geschäftsmänner in beigen Sakkos, gelangweilte Gesichter, einige davon hinter Tageszeitungen – plötzlich steht einer auf, strahlt, beginnt zu singen, und im New Yorker Winter Garden Theatre brandet langer Applaus auf. Es ist Hugh Jackman, einer der Superstars in Hollywood. Aber der 53-jährige Australier hat sich seine Sporen auch auf der Musicalbühne verdient, einst gelang ihm der Durchbruch als Curly im uramerikanischen Musical „Oklahoma!“. Aktuell steppt, singt und schauspielert er achtmal pro Woche auf der Bühne in „The Music Man“– und er ist nicht der einzige Superstar, der dem New Yorker Broadway zu dem Glanz verhelfen soll, der das berühmteste Theaterviertel der Welt vor der Corona-Pandemie auszeichnete.
Sarah Jessica Parker („Sex and the City“) und Ehemann Matthew
Broderick („Ferris macht blau“) spielen auch auf der Bühne in „Plaza Suite“ein Paar, Comedy-Veteran Billy Crystal („Harry und Sally“) gibt einen alternden Komiker, und „Baywatch“-Star Pamela Anderson hat im Touristen-Magnet „Chicago“angeheuert.
Der größte Name neben Jackman ist der von „James Bond“-Darsteller Daniel Craig. Er verkörpert William Shakespeares „Macbeth“und hat auf der Bühne ähnlich wie Jackman einen Auftritt aus einer anonymen Menge heraus. Weil die Inszenierung von Regisseur Sam Gold aber deutlich düsterer ausfällt, hält sich im Longacre Theatre, zwei Blocks südlich von Jackmans Spielstätte, das Publikum mit Auftrittsapplaus für den Briten eher zurück.
Trotzdem ist das überraschende Auftauchen der Stars auf den Bühnen der Weltmetropole ein Symbol für die gesamte New Yorker Theaterbranche
– es passt zu den vergangenen beiden Jahren. Genau so plötzlich wie derzeit die Promis in ihren Stücken im Scheinwerferlicht stehen, waren am 12. März 2020 die Lichter ausgegangen. Anderthalb Jahre sollte es dauern, bis die größten Stücke wieder aufgenommen wurden – während zwei Weltkriegen, Weltwirtschaftskrisen oder nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kannte der Broadway immer nur wenige Tage Pause.
Mit rund 15 Millionen verkauften Tickets und 1,8 Milliarden Dollar (ca. 1,68 Mrd Euro) Ticketerlösen in der letzten vollständigen Saison 2018/2019 vor der Pandemie war die Theatermeile ein immens wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt. Der Branchenverband Broadway League spricht gerne davon, dass die im weiteren Sinne generierten 15 Milliarden Dollar Umsatz in Hotels, Bars und sonstigen Unternehmen für fast 100.000 Jobs sorgen. Deshalb zählt am Sonntag (12. Juni) bei der ersten Verleihung der Tony Awards nach einer kompletten Saison neuer Stücke vor allem eines: Optimismus.
Jackman könnte seinen dritten Darsteller-Tony einheimsen. Mit elf Nominierungen führt aber „A Strange Loop“das Feld an, ein Musical über einen Platzanweiser, der von einer Show über sich und seinen Alltag als „schwuler dicker Schwarzer“im Theaterbusiness träumt. Ein Sieg wäre auch ein Zeichen dafür, dass der Broadway endlich auch schwarze Stimmen stärker berücksichtigt.
In der Hauptkategorie „Bestes neues Musical“könnte der Show aber „Six“in die Quere kommen, ein Konzert-Musical über die sechs Frauen des britischen Königs Heinrich VIII. Der Plot dieses aufgedrehten Pop-Stücks ist dünn, aber viele Fans bringen ihm auch deshalb Sympathien entgegen, weil am 12. März 2020 schon der rote Teppich zur Premiere ausgerollt war, als ausgerechnet vor der allerersten Vorstellung die Lichter am Broadway ausgingen. Als aussichtsreiche Konkurrenz von Jackman gilt auch Neuling Myles Frost, der in „MJ“als junger Michael Jackson gefeiert wird.