Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Ein harter Brocken für Deutschland“
Interview Der Ungar und ehemalige Bundesliga-Spieler Lajos Detari spricht über das Duell am Samstag, seine Zeit in Frankfurt und warum er ein besonderes Verhältnis zu Klopp hat.
Herr Detari, Ungarn ist mit einem Sieg gegen England und einer Niederlage in Italien in die Nations League gestartet. Welches Bild haben Sie von der Mannschaft gewonnen?
Lajos Detari: Gegen England bot das Team eine starke Leistung und hat verdient gewonnen. In Italien sind wir nicht so gut ins Spiel gekommen und konnten gegen die laufstarken, jungen Italiener nicht Paroli bieten. Nichtsdestotrotz bin ich aber sehr zuversichtlich, was die Zukunft dieser Mannschaft anbelangt.
Nun kommt es am Samstag zum Aufeinandertreffen mit der deutschen Nationalmannschaft. Da ist doch noch eine Rechnung offen vom letzten Jahr? Detari: Das Team von Marco Rossi wird bestimmt an die Leistung des England-Spiels anknüpfen wollen. Zudem hat die Mannschaft bei der letztjährigen EM bewiesen, dass sie durchaus in der Lage ist, gegen die Großen mitzuhalten. Deutschland hat damals mit Mühe und Not ein glückliches Unentschieden in München herausgeholt.
Nun sind die Karten neu gemischt. Detari: Deutschland hat nun einen neuen Bundestrainer und ist in der Breite sicherlich besser aufgestellt als unser Team. Insofern kann Hansi Flick aus dem Vollen schöpfen. Unser Trainer musste hingegen zwei Spieler aus der U21 nachnominieren. Trotzdem wird es ein harter Brocken für Deutschland.
Ihr Ex-Verein Eintracht Frankfurt hat vor knapp einem Monat einen epischen Erfolg gefeiert, als er die Europa League gewonnen hat. Waren auch Sie in Sevilla dabei?
Detari: Leider nicht. Ich bin des Öfteren als Gast in Frankfurt, aber diesmal hat es nicht geklappt, beim Finale im Stadion zu sitzen. Ich habe mich riesig gefreut und warte ungeduldig, um die Eintracht in der kommenden Champions-LeagueSaison im Stadion zu erleben.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihren alten Weggefährten?
Detari: Primär zu Charly Körbel und Andi Möller, der vor ein paar Jahren Co-Trainer der ungarischen Nationalmannschaft gewesen ist. Mitte Juli werde ich wieder nach Frankfurt reisen: Es steht ein Benefizspiel der Eintracht-Veteranen an. Ich bin immer wieder verblüfft, welche Wertschätzung ich am Main erfahre.
Ähnlich dürfte es auch mit Jürgen Klopp gewesen sein?
Detari: Ich wusste gar nicht, dass Kloppo zu meiner Zeit in der Amateurmannschaft der Eintracht spiel
te und mich so auf dem Radar hatte. Als ich die ungarische Elf betreut habe, besuchte ich mal unseren Spieler Imre Szabics in Mainz. Da kam er auf mich zu und sprach mir seine Bewunderung aus. Anschließend waren wir gemeinsam beim Essen. Ein sehr besonderer Mensch und Trainer.
Haben Sie ihm beim Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und Liverpool die Daumen gedrückt? Detari: Ich war hin- und hergerissen, zumal ich beide Klubs sehr mag. Ich glaube, Klopp war nach dem Spiel extrem frustriert, nachdem sein Team viel mehr Chancen hatte, das Finale für sich zu entscheiden.
Apropos Frustbewältigung: Betrachten Sie rückblickend Ihre Karriere nicht als etwas unvollendet, gemessen an den Stationen und den Titeln, die Sie holten?
Detari: Es nützt nichts, über die Vergangenheit zu grübeln. Ich bin mit mir im Reinen. Als Kind im kommunistischen Ungarn hätte ich mir diesen Werdegang nie zu träumen gewagt. Zudem war ich nicht stets alleiniger Entscheidungsträger. Den
Wechsel zu Eintracht fädelte der ungarische Verband ohne meine Kenntnisnahme ein. Ich wurde im Nachhinein informiert. So war es damals bei den meisten Vereinen des Ostblocks. AS Monaco und der FC Barcelona hatten damals auch Interesse bekundet, mich zu verpflichten, die Frankfurter beherrschten anscheinend besser die sportpolitische Diplomatie. Nach dem Pokalgewinn wollte ich eigentlich Frankfurt auch nicht verlassen, und wenn, dann primär zu Juventus Turin wechseln, das mich unbedingt verpflichten wollte und mein Lieblingsverein war.
Stattdessen landeten Sie bei Olympiakos Piräus und dem obskuren Vereinspräsidenten Georgios Koskotas, der zuvor auch Wolfram Wuttke umwarb. Detari: Er überbot mit der Rekordsumme von 17 Millionen DM das Angebot der Italiener, was natürlich ein lukrativer Deal für alle Beteiligten war, den ungarischen Verband inbegriffen. Bei der Vorstellung am Rathausplatz von Piräus begrüßten mich 10.000 Fans. Ich wurde mit einem fürstlichen Vertrag ausgestattet und spielte Woche für Woche vor
frenetischem Publikum. Sportlich lief es zwar nicht ganz rund, zumal Koskotas im Spätherbst fluchtartig das Land verlassen hatte, nachdem er sich als Hauptakteur eines riesigen finanzpolitischen Skandals entpuppte. In der zweiten Saison holte ich auch in Griechenland den Pokal, ehe ich nach Italien wechselte. Allerdings nicht zu Juventus Turin, sondern zum FC Bologna. Trotz der Turbulenzen wollte ich die Zeit in Griechenland nicht missen.