Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schwul – und bald ehrenamtlicher Priester?
Porträt
Christian Rehermann kann nicht ohne Kirche und Glauben leben. Mittlerweile hat der 43-jährige Augsburger seine religiöse Heimat bei den Alt-Katholiken gefunden und hat dort noch Großes vor.
Christian Rehermann ist katholisch und möchte Priester im Ehrenamt werden. Das ist an und für sich nichts Ungewöhnliches, denn in vielen Gemeinden unterstützen Diakone den hauptamtlichen Pfarrer. Sie können dieses Amt auch als Ehemann und Vater ausüben, wenn ihre Frau zustimmt. Auch Rehermann ist verheiratet – mit einem Mann. Daraus macht der 43-jährige Fachkrankenpfleger für Psychiatrie kein Geheimnis, als er sich im Pfarrbrief vorstellt und die Gemeinde darum bittet, ihm ihr Votum für einen theologischen Aufbaukurs zu erteilen. Den braucht der Augsburger, um seinen geistlichen Weg weitergehen zu können.
Ein Amt in der katholischen Kirche und offen schwul. Geht das? Anders als viele Beschäftigte in der römisch-katholischen Kirche hält Rehermann seine sexuelle Orientierung nicht geheim, weil er keine Konsequenzen befürchten muss. Er gehört der alt-katholischen Gemeinde an, in der Frauen zu Priesterinnen geweiht werden, Geschiedene erneut kirchlich heiraten können und gleichgeschlechtlichen Paaren das Sakrament der Ehe gespendet wird.
Christian Rehermann hat zum Gespräch über sich und seinen Glauben in der Apostelin-Junia-Kirche der alt-katholischen Gemeinde Augsburg mitten im Pferseer Sheridan-Park Platz genommen. Neben ihm sitzt Pfarrerin Alexandra Caspari, die sich wie der 43-Jährige darüber freut, dass ihre rund 320 Mitglieder starke Gemeinde sein großes Ziel unterstützen will. Freuen kann sie sich auch über steigende Beitrittszahlen. Das seien zum einen konfessionslose Menschen, die auf der Suche gewesen seien, sowie Gläubige, die konvertierten. Rehermann vereint beides, denn er ist seit Kindheit an mit dem Glauben und in der Kirche verwurzelt, hat sich von ihr distanziert und wieder zugewandt. Er wird evangelisch getauft und später konfirmiert und engagiert sich als Junge im Bärenkeller in der dortigen Gemeinde. Bis er merkt, „dass ich anders ticke als die Mehrheit“.
Das aufkommende Bewusstsein von seiner Homosexualität habe ihn zum Rückzug veranlasst („die evangelische Kirche war damals noch sehr konservativ“) und schließlich zum Austritt veranlasst. Mit „Mitte, Ende 20“tritt der aus einem gemischtkonfessionellen Elternhaus stammende Mann dann zum römisch-katholischen Glauben über.
„Das Katholische ist meins“, ist sich Rehermann sicher und nimmt dafür auch den einjährigen „Wiedereintrittsunterricht“bei St. Konrad in Kauf. Er engagiert sich erneut als erwachsener Ministrant. Bis der damals schon mit seinem Mann Verheiratete merkt, dass er „nicht ich sein darf und ich mich verleugnen muss“. Er hat, wie er betont, zwar in der Gemeinde keine Diskriminierung erfahren, doch Aussagen von Kirchenoberen wie Kardinal Reinhard Marx, der in einer Gesprächsrunde einmal Lesben und Schwule als „gescheiterte und gebrochene Menschen“bezeichnet hatte, bringen bei Rehermann das Fass zum Überlaufen. „Ich bin wieder ausgetreten, habe aber gemerkt, dass mir etwas fehlt.“
Über ein Gemeindemitglied stößt der Augsburger zur alt-katholischen Gemeinde und in die vor zehn Jahren geweihte neu erbaute Kirche in Pfersee. „Ich habe hier all das vorgefunden, wie ich mir Glauben vorstelle“, sagt der 43-Jährige. Hier könnten Wiederverheiratete an der Kommunion teilnehmen und hier könne er von „meinem Mann“erzählen, ohne Probleme zu bekommen. „Das ist Lebenswirklichkeit.“Dass der Partner und die Eltern mittlerweile der Gemeinde angehören, erfüllt Christian Rehermann ebenso mit Freude wie die Unterstützung der Familie auf seinem Weg zum Priester im Ehrenamt. Nach einem dreijährigen Grundkurs steht dem Alt-Katholiken jetzt ein dreijähriger Aufbaukurs, bestehend aus Fernstudium und mehreren Präsenzwochenenden im nordrein-westfälischem Königswinter, bevor.
Der Augsburger nimmt diese Mühen bewusst auf sich, auch weil er das ehrenamtliche Engagement als perfekte Ergänzung zu seinem Beruf sieht. Als Pfleger in der Psychiatrie mache er „Seelsorge auf Krankenschein“. Da spielten religiöse Aspekte immer wieder mit hinein. Außerdem könne er im priesterlichen Dienst etwas von seiner Profession zurückgeben und der Kirchengemeinde für seine Aufnahme danken. „Ich bin nicht so der handwerkliche Typ“, gibt er zu und überlässt diese ebenfalls sehr gefragten Arbeiten lieber anderen Freiwilligen.
Aufmerksam verfolgt der 43-Jährige aktuell die Initiative „OutInChurch“von Menschen, die hauptoder ehrenamtlich in der römisch-katholischen Kirche tätig sind und sich Anfang des Jahres als nicht heterosexuell outeten. „Es ist mutig, sich so in den Fokus zu stellen, und vielleicht dadurch den Arbeitsplatz zu verlieren“, findet Rehermann. Er habe sich damals bewusst gegen einen kirchlichen Arbeitgeber entschieden. Der Kirche jedoch wollte er nie den Rücken kehren.