Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schwul – und bald ehrenamtli­cher Priester?

Porträt

- VON ANDREA BAUMANN

Christian Rehermann kann nicht ohne Kirche und Glauben leben. Mittlerwei­le hat der 43-jährige Augsburger seine religiöse Heimat bei den Alt-Katholiken gefunden und hat dort noch Großes vor.

Christian Rehermann ist katholisch und möchte Priester im Ehrenamt werden. Das ist an und für sich nichts Ungewöhnli­ches, denn in vielen Gemeinden unterstütz­en Diakone den hauptamtli­chen Pfarrer. Sie können dieses Amt auch als Ehemann und Vater ausüben, wenn ihre Frau zustimmt. Auch Rehermann ist verheirate­t – mit einem Mann. Daraus macht der 43-jährige Fachkranke­npfleger für Psychiatri­e kein Geheimnis, als er sich im Pfarrbrief vorstellt und die Gemeinde darum bittet, ihm ihr Votum für einen theologisc­hen Aufbaukurs zu erteilen. Den braucht der Augsburger, um seinen geistliche­n Weg weitergehe­n zu können.

Ein Amt in der katholisch­en Kirche und offen schwul. Geht das? Anders als viele Beschäftig­te in der römisch-katholisch­en Kirche hält Rehermann seine sexuelle Orientieru­ng nicht geheim, weil er keine Konsequenz­en befürchten muss. Er gehört der alt-katholisch­en Gemeinde an, in der Frauen zu Priesterin­nen geweiht werden, Geschieden­e erneut kirchlich heiraten können und gleichgesc­hlechtlich­en Paaren das Sakrament der Ehe gespendet wird.

Christian Rehermann hat zum Gespräch über sich und seinen Glauben in der Apostelin-Junia-Kirche der alt-katholisch­en Gemeinde Augsburg mitten im Pferseer Sheridan-Park Platz genommen. Neben ihm sitzt Pfarrerin Alexandra Caspari, die sich wie der 43-Jährige darüber freut, dass ihre rund 320 Mitglieder starke Gemeinde sein großes Ziel unterstütz­en will. Freuen kann sie sich auch über steigende Beitrittsz­ahlen. Das seien zum einen konfession­slose Menschen, die auf der Suche gewesen seien, sowie Gläubige, die konvertier­ten. Rehermann vereint beides, denn er ist seit Kindheit an mit dem Glauben und in der Kirche verwurzelt, hat sich von ihr distanzier­t und wieder zugewandt. Er wird evangelisc­h getauft und später konfirmier­t und engagiert sich als Junge im Bärenkelle­r in der dortigen Gemeinde. Bis er merkt, „dass ich anders ticke als die Mehrheit“.

Das aufkommend­e Bewusstsei­n von seiner Homosexual­ität habe ihn zum Rückzug veranlasst („die evangelisc­he Kirche war damals noch sehr konservati­v“) und schließlic­h zum Austritt veranlasst. Mit „Mitte, Ende 20“tritt der aus einem gemischtko­nfessionel­len Elternhaus stammende Mann dann zum römisch-katholisch­en Glauben über.

„Das Katholisch­e ist meins“, ist sich Rehermann sicher und nimmt dafür auch den einjährige­n „Wiedereint­rittsunter­richt“bei St. Konrad in Kauf. Er engagiert sich erneut als erwachsene­r Ministrant. Bis der damals schon mit seinem Mann Verheirate­te merkt, dass er „nicht ich sein darf und ich mich verleugnen muss“. Er hat, wie er betont, zwar in der Gemeinde keine Diskrimini­erung erfahren, doch Aussagen von Kirchenobe­ren wie Kardinal Reinhard Marx, der in einer Gesprächsr­unde einmal Lesben und Schwule als „gescheiter­te und gebrochene Menschen“bezeichnet hatte, bringen bei Rehermann das Fass zum Überlaufen. „Ich bin wieder ausgetrete­n, habe aber gemerkt, dass mir etwas fehlt.“

Über ein Gemeindemi­tglied stößt der Augsburger zur alt-katholisch­en Gemeinde und in die vor zehn Jahren geweihte neu erbaute Kirche in Pfersee. „Ich habe hier all das vorgefunde­n, wie ich mir Glauben vorstelle“, sagt der 43-Jährige. Hier könnten Wiederverh­eiratete an der Kommunion teilnehmen und hier könne er von „meinem Mann“erzählen, ohne Probleme zu bekommen. „Das ist Lebenswirk­lichkeit.“Dass der Partner und die Eltern mittlerwei­le der Gemeinde angehören, erfüllt Christian Rehermann ebenso mit Freude wie die Unterstütz­ung der Familie auf seinem Weg zum Priester im Ehrenamt. Nach einem dreijährig­en Grundkurs steht dem Alt-Katholiken jetzt ein dreijährig­er Aufbaukurs, bestehend aus Fernstudiu­m und mehreren Präsenzwoc­henenden im nordrein-westfälisc­hem Königswint­er, bevor.

Der Augsburger nimmt diese Mühen bewusst auf sich, auch weil er das ehrenamtli­che Engagement als perfekte Ergänzung zu seinem Beruf sieht. Als Pfleger in der Psychiatri­e mache er „Seelsorge auf Krankensch­ein“. Da spielten religiöse Aspekte immer wieder mit hinein. Außerdem könne er im priesterli­chen Dienst etwas von seiner Profession zurückgebe­n und der Kirchengem­einde für seine Aufnahme danken. „Ich bin nicht so der handwerkli­che Typ“, gibt er zu und überlässt diese ebenfalls sehr gefragten Arbeiten lieber anderen Freiwillig­en.

Aufmerksam verfolgt der 43-Jährige aktuell die Initiative „OutInChurc­h“von Menschen, die hauptoder ehrenamtli­ch in der römisch-katholisch­en Kirche tätig sind und sich Anfang des Jahres als nicht heterosexu­ell outeten. „Es ist mutig, sich so in den Fokus zu stellen, und vielleicht dadurch den Arbeitspla­tz zu verlieren“, findet Rehermann. Er habe sich damals bewusst gegen einen kirchliche­n Arbeitgebe­r entschiede­n. Der Kirche jedoch wollte er nie den Rücken kehren.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Der Augsburger Christian Rehermann ist auf dem Weg zum ehrenamtli­chen Priester. Dass er mit einem Mann verheirate­t ist, stellt für den 43‰jährigen Alt‰Katholiken kein Hindernis dar.
Foto: Annette Zoepf Der Augsburger Christian Rehermann ist auf dem Weg zum ehrenamtli­chen Priester. Dass er mit einem Mann verheirate­t ist, stellt für den 43‰jährigen Alt‰Katholiken kein Hindernis dar.

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