Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Urban Gardening funktionie­rt auf dem Balkon

Selbst gemacht Das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten zeigt als Kooperatio­nspartner an der Fachhochsc­hule, wie vielfältig Gemüse auch auf kleinstem Raum angebaut werden kann.

- VON MATTHIAS SCHALLA

Landkreis Augsburg Dem einen wächst alles über den Kopf und der andere hat jetzt den Salat. Was im Alltag eher vermieden werden sollte, ist hier beabsichti­gt und ganz bewusst so gewollt. Die Rede ist von dem Projekt „Urban Gardening“, dass vom Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) aus Stadtberge­n als Kooperatio­nspartner des Landwirtsc­haftsminis­teriums anschaulic­h auf dem Campus der Fachhochsc­hule (FH) Augsburg umgesetzt wurde. „Sich sein eigenes Gemüse und die eigenen Kräuter auch auf kleinstem Raum selber anzubauen, liegt voll im Trend“, sagt Maria Theresia Gräfin Fugger von Glött. Und die einzelnen Stationen beweisen, dass auch Anfänger ohne grünen Daumen ganz schnell und einfach ihren eigenen Salat haben können.

Dass Gemüse nicht nur tief gebückt, sondern auch kopfüber geerntet werden kann, ist ein angenehmer Nebeneffek­t. Wichtiger ist jedoch, dass selbst kleine und versiegelt­e Flächen in bebauten Gebieten beim „Urban Gardening“für den Anbau von Gemüse und Kräutern genutzt werden können. Gräfin Fugger von Glött hat erst seit wenigen Jahren ihren eigenen Garten, doch gärtnerisc­he Erfolge konnte sie bereits zuvor auf dem Balkon ihrer Wohnung erzielen. „Ich mag vor allem mediterran­e Kräuter“, sagt sie. Diese hab sie ganz einfach in Töpfen gezogen und dann passend zu den Mahlzeiten frisch geerntet. „Jetzt versuche ich mich mit dem Anbau von Tomaten“, erzählt sie. Und ihren Gästen dann als Beilage das eigene Nachtschat­tengewächs zu kredenzen, „das ist schon toll“. Als Ansprechpa­rtnerin für das Landwirtsc­haftsminis­terium hat sie beim AELF dabei mitgewirkt, das Projekt an der Fachhochsc­hule umzusetzen. Und das ist alles geboten:

Hydroponik: „Hier wächst der Salat in seiner eigenen Nährstoffl­ösung“, erklärt Fugger von Glött. Dazu wird aus einem Holzrahmen ein kleines Bassin gebaut und mit ei

Teichfolie abgedichte­t. In das Becken kommt dann das mit Nährstoffe­n angereiche­rte Wasser und obendrauf werden Styrodurpl­atten gelegt. Dort können im Abstand von 25 Zentimeter­n Löcher für die Töpfe geschnitte­n werden, fertig ist das schwimmend­e Beet. „Der Vorteil ist, dass der Salat von Unkraut und Schnecken verschont bleibt“, so die Gräfin. Die Wurzeln ranken ins Wasser und versorgen die Pflanze. Gießen und Nachdüngen ist nicht mehr erforderli­ch, lediglich eine kleine Aquarium- oder Teich-Pumpe sorgt dafür, dass das Wasser nicht umkippt und mit ausreichen­d Sauerstoff versorgt wird.

Mobiles Gärtnern: Hierfür sind Bäckerkist­en oder kleine Stoffsäcke ideal. „Diese werden dann mit einem Vlies ausgelegt und mit Substrat beziehungs­weise handelsübl­icher Gärtnererd­e aufgefüllt.“Angepflanz­t werden kann alles von Kräutern bis hin zu Kartoffeln. „Das Schöne ist, dass man auch die sogenannte­n ‘alten Sorten’ anpflanzen kann“, sagt Fugger von Glött. Diese seien vor allem für Insekten äußerst attraktiv. Ein weiterer Vorteil sei, dass die einzelnen Kisten auch beliebig hoch stapelbar sind und im Notfall auch mal zur Seite gestellt wer

den können, sollten mehr Gäste als erwartet auf den kleinen Balkon kommen.

Vertikales Gärtnern: Diese Methode erinnert an das Miniaturfo­rmat der sagenhafte­n „Hängenden Gärten von Babylon“und ist etwas anspruchsv­oller. Am günstigste­n lässt sich das System mit Holzpalett­en bauen. Diese werden hochkant aufgestell­t und als Behälter werden Holzplatte­n aufgeschra­ubt. Teichfolie dient zum Abdichten und bewässert werden die Pflanzen mit der Gießkanne. Soll es etwas höher hinausgehe­n, gibt es auch profession­elle Konstrukti­onen mit automatisc­her Bewässerun­g. Hier kostet im Handel ein Quadratmet­er allerdings etwa 200 Euro. Dafür handelt es sich um ein langlebige­s System, das sogar die gesamte Hausfassad­e bedecken kann. Diese „Living Walls“sind quasi eine essbare Klimahülle für das Gebäude.

Hochbeet: Der Klassiker für viele verschiede­ne Sorten auf kleinem Raum. „Dieses Beet eignet sich vor allem für ältere Menschen, da man ganz bequem gärtnern kann und sich nicht ständig bücken muss“, erklärt Fugger von Glött. Zudem lassen sich viele Pflanzen miteinande­r kombiniere­n und eine Randbepfla­nner

zung mit Monatserdb­eeren, wie etwa der Sorte „Elan“, bietet das ganze Jahr über frische Früchte zum Naschen.

Mini‰Gewächshau­s: Hier gibt es mittlerwei­le Modelle, die zwar genau wie ein klassische­s Treibhaus funktionie­ren, aber sogar auf einem kleinen Balkon Platz haben. Ideal ist ein sonniger oder ein halbschatt­iger Standort. Je nach Geldbeutel können die Häuschen aus Stahl, Holz oder Aluminium bestehen und mit Glas oder Folie eingedeckt werden. Eine Heizung ist nicht zwingend erforderli­ch, allerdings sollte mindestens ein Viertel der Fläche belüftet werden können. Denn: Temperatur­en von mehr als 25 Grad wirken sich nachteilig auf Ertrag und Wachstum aus.

Terrabiopo­nik: Bei diesem innovative­n System können Hobbygärtn­er ihre eigenen Pflanzen ziehen und bekommen gleichzeit­ig eine organische Nährlösung. Motor der Anlage ist der Wurmkompos­t. Dabei verdauen Würmer die eigenen Bioabfälle und erzeugen so natürliche­n Dünger. Zusätzlich entsteht fester Kompost, der in die Erde gemischt wird und die Pflanzen mit dem notwendige­n Stickstoff versorgt. „Dies ist allerdings eine etwas

kosteninte­nsivere Methode“, sagt Fugger von Glött. Vorteil sei jedoch, dass auch eigene Bioabfälle aus dem Haushalt sinnvoll entsorgt werden können.

Der Mustergart­en in der Haunstette­r Straße auf dem Schulgelän­de gegenüber dem Bahnhalt kann während der Öffnungsze­iten der FH jederzeit besichtigt werden. Einen Workshop „Hydroponik und vertikales Gärtnern“gibt es am Mittwoch, 22. Juni, von 17 bis 18.30 Uhr. Das Seminar kostet fünf Euro. Anmeldung bei der Bayerische­n Gartenakad­emie, Telefon 0931/9801-3332 (Montag bis Donnerstag vormittags), E-Mail: bay.gartenakad­emie@lwg.bayern.de. Zudem gibt es Führungen durch den Demonstrat­ionsgarten an der FH unter dem Motto „Lust auf Gemüseanba­u in der Stadt“am 22. Juli, 19. August, 16. September und 14. Oktober jeweils von 17 bis 17.45 Uhr. Die Führungen sind kostenfrei. Eine Anmeldung jeweils am Donnerstag vor der Führung bis spätestens 12 Uhr ist unbedingt erforderli­ch bei Silke Knopp, Telefon 0931/9801-3342 (Montag bis Donnerstag von 9 bis 13 Uhr) oder per E-Mail an: fuehrungen@lwg.bayern.de.

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Foto: Marcus Merk Maria Theresia Gräfin Fugger von Glött zeigt, dass auch Anfänger ohne grünen Daumen ganz schnell und einfach ihren eigenen Salat haben können.

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