Augsburger Allgemeine (Land Nord)
So viel Gutes steckt in der Frühkartoffel
Essen aus der Heimat So früh wie beim Hafnerbauer in Gablingen gibt es Bio-Frühkartoffeln in der Region nur selten. Mit welcher speziellen Technik die Knollen hier angebaut werden und was sie so gesund macht.
Gablingen Schon im Januar geht es los. Dann allerdings noch in Kisten. Die Frühkartoffeln vom Hafnerbauer sollen schließlich die Ersten sein, die in der Region reif werden. Bei etwa 15 Grad Celsius stehen die Kisten in der Werkstatt. Hier bekommen sie Licht aus einer langen Neonröhre. Unter dem sogenannten Vorkeimlicht glückt das, was für Frühkartoffeln entscheidend ist: Sie bekommen stabile Triebe. Die Wärme sorge für das Wachstum der Triebe, das Licht bedinge die Stärke der Triebe, erklärt Sebastian Rotter, der stolz zugibt: „Diese Vorkeimphase haben wir perfektioniert.“
Mitte März kommen die vorgekeimten Kartoffeln dann in den Boden und werden auf etwa einem Hektar Fläche ausgebracht. Zwei Drittel der Kartoffeln werden unter Vlies warmgehalten, ein Drittel muss ohne Vlies klarkommen. Ein Mal werden die Pflanzen aufgedeckt, um das Unkraut aus dem Feld zu holen. „Das mag die Wärme unter dem Vlies so gern wie die Kartoffeln selbst“, verrät Rotter, der Kartoffeln nach Bioland-Richtlinien anbaut. Das Vlies wird Anfang Mai abgenommen – „dann haben die Kartoffelpflanzen etwa die Größe eines Salatkopfes“, erklärt Rotter.
In der ersten Juniwoche stand heuer die erste Frühkartoffelrodung des Jahres an. Was der Landwirt dann von Hand aus dem Boden holt, ist nicht sehr schalenfest. Bis etwa Mitte oder gar Ende August ernten Rotters wöchentlich ein bis zweimal Frühkartoffeln, die einen deutlichen Unterschied zu den späteren Kartoffeln haben: Frühkartoffeln sind nicht lagerfähig. Deswegen empfiehlt Rotter seinen Kunden, sie in kleineren Chargen zu kaufen. Immer donnerstags, freitags und samstags – zu den Öffnungszeiten des Hofladens in Gablingen – gibt es frisch geerntete Frühkartoffeln. Bei guter Kühlung können sie etwa zwei Wochen halten. Den besten Geschmack entfalten Frühkartoffeln genau dann und am besten pur, denn die ersten festkochenden Frühkartoffeln eignen sich vor allem dazu, als klassische Beilage gegessen zu werden. Jeder Tag länger in der Erde wirkt sich auf die Zubereitung der Kartoffel aus. Aus den älteren Frühkartoffeln ließe sich dann auch Kartoffelsalat und Gratin machen.
Gesund seien nahezu alle Gerichte, in denen die Kartoffel eine Rolle spielt, erklärt Ernährungsberaterin Angelika Wenninger. Die Kartoffel sei reich an Kalium und B-Vitaminen. Sie enthalte Bioaktivstoffe, Flavonoide, die im Körper als Antioxidantien aktiv sind, und sogenannte Anthocyane, die viele gesundheitsförderliche Funktionen im Körper haben. Die Ernährungsberaterin bedauert, dass Kartoffeln immer seltener auf dem Speiseplan zu finden sind und stattdessen mehr Nudeln und Fertigprodukte serviert werden. Angelika Wenninger rät an dieser Stelle zum Umdenken, denn die Kartoffel liefere mehr Vitamin C als Nudeln und habe dabei weniger Kalorien. Die Ausrede, dass die Kartoffel in der Zubereitung mehr
Arbeit mache, wischt die Ernährungsberaterin mit dem Hinweis vom Tisch, dass gerade Kartoffeln, die in Bio-Qualität angebaut werden, gut und gerne auch mit Schale gegessen werden können.
Nach der Avanti, der Frühkartoffel-Sorte, auf die Familie Rotter in Gablingen setzt, kann die Ditta geerntet werden. Dabei handelt es sich um eine lagerfähige Kartoffel, die mehr Sonnentage braucht und zu den festkochenden Sorten gehört. Neu auf dem Feld wächst in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal die Sorte Corinna, die vorwiegend festkochend ist. Von September bis Mai gibt es dann die große Auswahl an Kartoffelvarianten beim Hafnerbauer: Mehlige und vorwiegend festkochende Kartoffeln, denn diese sind lagerfähig. Für den Kartoffelanbau herrschen in Gablingen beste Bedingungen. Der Boden ist sandig. Zudem braucht die Kartoffel mit zunehmender Größe immer mehr Wasser. Bekommt sie das nicht, bleibt sie klein. Und von kleinen Kartoffeln haben die Kunden seit dem schlechten Kartoffeljahr 2021 die Nase voll, weiß Rotter nur zu gut.
Spätestens ab der vierten Woche wurden die kleinen Lagerkartoffeln mit einem Durchmesser von 30 Millimetern zu Ladenhütern, erinnert sich Rotter. Woran das liegt, könne er sich nicht erklären, denn geschmacklich seien die kleineren Kartoffeln besser. Da Rotter seine Kartoffeln nach Bioland-Richtlinien anbaut, sei es auch kein Problem, sie ungeschält zu essen. Heuer gibt es Kartoffeln zwischen 35 und 40 Millimetern Durchmesser. Besonders große Kartoffeln, wie sie in der Gastronomie gern gesehen werden, sind beim Hafnerbauer ohnehin nicht zu haben. Das liege auch an den strengen Regeln, die bei Bioland für den Anbau gelten. Zum Einsatz kommen könnte hier ein Kupferpräparat, durch das Familie Rotter die ohnehin maue Ernte des Vorjahres noch retten konnte. Ohne das Präparat, das nur auf den Blättern gegen Krautfäule verwendet wird und nicht bis zur Kartoffel vordringe, hätte es 2021 keine Kartoffeln in Gablingen gegeben.