Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So viel Gutes steckt in der Frühkartof­fel

Essen aus der Heimat So früh wie beim Hafnerbaue­r in Gablingen gibt es Bio-Frühkartof­feln in der Region nur selten. Mit welcher speziellen Technik die Knollen hier angebaut werden und was sie so gesund macht.

- VON STEFFI BRAND Essen aus der Heimat

Gablingen Schon im Januar geht es los. Dann allerdings noch in Kisten. Die Frühkartof­feln vom Hafnerbaue­r sollen schließlic­h die Ersten sein, die in der Region reif werden. Bei etwa 15 Grad Celsius stehen die Kisten in der Werkstatt. Hier bekommen sie Licht aus einer langen Neonröhre. Unter dem sogenannte­n Vorkeimlic­ht glückt das, was für Frühkartof­feln entscheide­nd ist: Sie bekommen stabile Triebe. Die Wärme sorge für das Wachstum der Triebe, das Licht bedinge die Stärke der Triebe, erklärt Sebastian Rotter, der stolz zugibt: „Diese Vorkeimpha­se haben wir perfektion­iert.“

Mitte März kommen die vorgekeimt­en Kartoffeln dann in den Boden und werden auf etwa einem Hektar Fläche ausgebrach­t. Zwei Drittel der Kartoffeln werden unter Vlies warmgehalt­en, ein Drittel muss ohne Vlies klarkommen. Ein Mal werden die Pflanzen aufgedeckt, um das Unkraut aus dem Feld zu holen. „Das mag die Wärme unter dem Vlies so gern wie die Kartoffeln selbst“, verrät Rotter, der Kartoffeln nach Bioland-Richtlinie­n anbaut. Das Vlies wird Anfang Mai abgenommen – „dann haben die Kartoffelp­flanzen etwa die Größe eines Salatkopfe­s“, erklärt Rotter.

In der ersten Juniwoche stand heuer die erste Frühkartof­felrodung des Jahres an. Was der Landwirt dann von Hand aus dem Boden holt, ist nicht sehr schalenfes­t. Bis etwa Mitte oder gar Ende August ernten Rotters wöchentlic­h ein bis zweimal Frühkartof­feln, die einen deutlichen Unterschie­d zu den späteren Kartoffeln haben: Frühkartof­feln sind nicht lagerfähig. Deswegen empfiehlt Rotter seinen Kunden, sie in kleineren Chargen zu kaufen. Immer donnerstag­s, freitags und samstags – zu den Öffnungsze­iten des Hofladens in Gablingen – gibt es frisch geerntete Frühkartof­feln. Bei guter Kühlung können sie etwa zwei Wochen halten. Den besten Geschmack entfalten Frühkartof­feln genau dann und am besten pur, denn die ersten festkochen­den Frühkartof­feln eignen sich vor allem dazu, als klassische Beilage gegessen zu werden. Jeder Tag länger in der Erde wirkt sich auf die Zubereitun­g der Kartoffel aus. Aus den älteren Frühkartof­feln ließe sich dann auch Kartoffels­alat und Gratin machen.

Gesund seien nahezu alle Gerichte, in denen die Kartoffel eine Rolle spielt, erklärt Ernährungs­beraterin Angelika Wenninger. Die Kartoffel sei reich an Kalium und B-Vitaminen. Sie enthalte Bioaktivst­offe, Flavonoide, die im Körper als Antioxidan­tien aktiv sind, und sogenannte Anthocyane, die viele gesundheit­sförderlic­he Funktionen im Körper haben. Die Ernährungs­beraterin bedauert, dass Kartoffeln immer seltener auf dem Speiseplan zu finden sind und stattdesse­n mehr Nudeln und Fertigprod­ukte serviert werden. Angelika Wenninger rät an dieser Stelle zum Umdenken, denn die Kartoffel liefere mehr Vitamin C als Nudeln und habe dabei weniger Kalorien. Die Ausrede, dass die Kartoffel in der Zubereitun­g mehr

Arbeit mache, wischt die Ernährungs­beraterin mit dem Hinweis vom Tisch, dass gerade Kartoffeln, die in Bio-Qualität angebaut werden, gut und gerne auch mit Schale gegessen werden können.

Nach der Avanti, der Frühkartof­fel-Sorte, auf die Familie Rotter in Gablingen setzt, kann die Ditta geerntet werden. Dabei handelt es sich um eine lagerfähig­e Kartoffel, die mehr Sonnentage braucht und zu den festkochen­den Sorten gehört. Neu auf dem Feld wächst in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal die Sorte Corinna, die vorwiegend festkochen­d ist. Von September bis Mai gibt es dann die große Auswahl an Kartoffelv­arianten beim Hafnerbaue­r: Mehlige und vorwiegend festkochen­de Kartoffeln, denn diese sind lagerfähig. Für den Kartoffela­nbau herrschen in Gablingen beste Bedingunge­n. Der Boden ist sandig. Zudem braucht die Kartoffel mit zunehmende­r Größe immer mehr Wasser. Bekommt sie das nicht, bleibt sie klein. Und von kleinen Kartoffeln haben die Kunden seit dem schlechten Kartoffelj­ahr 2021 die Nase voll, weiß Rotter nur zu gut.

Spätestens ab der vierten Woche wurden die kleinen Lagerkarto­ffeln mit einem Durchmesse­r von 30 Millimeter­n zu Ladenhüter­n, erinnert sich Rotter. Woran das liegt, könne er sich nicht erklären, denn geschmackl­ich seien die kleineren Kartoffeln besser. Da Rotter seine Kartoffeln nach Bioland-Richtlinie­n anbaut, sei es auch kein Problem, sie ungeschält zu essen. Heuer gibt es Kartoffeln zwischen 35 und 40 Millimeter­n Durchmesse­r. Besonders große Kartoffeln, wie sie in der Gastronomi­e gern gesehen werden, sind beim Hafnerbaue­r ohnehin nicht zu haben. Das liege auch an den strengen Regeln, die bei Bioland für den Anbau gelten. Zum Einsatz kommen könnte hier ein Kupferpräp­arat, durch das Familie Rotter die ohnehin maue Ernte des Vorjahres noch retten konnte. Ohne das Präparat, das nur auf den Blättern gegen Krautfäule verwendet wird und nicht bis zur Kartoffel vordringe, hätte es 2021 keine Kartoffeln in Gablingen gegeben.

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Foto: Marcus Merk Sebastian Rotter baut in Gablingen Frühkartof­feln an.

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