Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mehr Müll durch kleine Reaktoren
Kleine Atomreaktoren werden immer wieder als Ergänzung oder Alternative zu erneuerbaren Energien als Maßnahme gegen den Klimawandel ins Gespräch gebracht. Aber sie können deutlich mehr radioaktive Abfälle pro erzeugter Energiemenge verursachen als große. Das zeigt eine aktuelle Studie.
„Kleine modulare Reaktoren, die als die Zukunft der Kernenergie vorgeschlagen werden, haben angeblich Kosten- und Sicherheitsvorteile gegenüber bestehenden Leichtwasserreaktoren im Gigawatt-Maßstab“, so das Team um Lindsay Krall von der Swedish Nuclear Fuel and Waste Management Company in Solna in Proceedings of the National Academy of Sciences. Deren Abfallströme hätten bislang aber kaum Studien analysiert. Das machten die Forscher nun. Zum Vergleich verwendet: ein Druckwasserreaktor, der häufigste kommerzielle Reaktortyp, mit einer elektrischen Leistung von 1100 Megawatt; ein kleinerer integrierter Druckwasserreaktor und ein Schneller Brüter mit Flüssigsalzreaktor und Natrium als Kühlmittel.
Schnelle Neutronen lösen die Spaltungskettenreaktion aus, die zur Energiegewinnung in Atomreaktoren genutzt wird. Bei kleineren Reaktoren muss mehr Aufwand betrieben werden, um diese von der Umgebung abzuschirmen: Während bei einem großen Druckwasserreaktor (3400 Megawatt Wärmeenergie) weniger als drei Prozent der freien Neutronen entweichen, sind es bei einem integrierten Druckwasserreaktor (160 Megawatt Wärmeenergie) mehr als sieben Prozent. Entsprechend größer ist der Aufwand zur Abschirmung – und die Menge radioaktiven Abfalls, die entsteht.
Die Forscher errechneten den radioaktiven Abfall der Reaktortypen im Verhältnis zur erzeugten Wärmeenergie. Er beträgt beim herkömmlichen großen Druckwasserreaktor jährlich etwa fünf Kubikmeter pro Gigawatt Wärmeleistung. Beim integrierten Druckwasserreaktor ist die Menge etwa 2,5 Mal so groß, beim Flüssigsalzreaktor (400 Megawatt) etwa fünf Mal so groß. Wegen der großen Mengen an anfallendem Kühlmittel ist die Menge radioaktiven Mülls beim Schnellen Brüter sogar 30 Mal größer. Und: Wegen des geringeren Abbrands der Brennstäbe bei den kleinen Reaktoren sind in den Brennstoffresten mehr radioaktive Isotope konzentriert als beim herkömmlichen Druckwasserreaktor. Es besteht deshalb eher die Gefahr, dass die kritische Masse für eine erneute nukleare Kettenreaktion im Abfall erreicht wird. Entsprechend müssten neue Behälter für die Endlagerung entwickelt oder die vorhandenen Behälter mit weniger radioaktivem Abfall befüllt werden.