Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr Müll durch kleine Reaktoren

- Stefan Parsch

Kleine Atomreakto­ren werden immer wieder als Ergänzung oder Alternativ­e zu erneuerbar­en Energien als Maßnahme gegen den Klimawande­l ins Gespräch gebracht. Aber sie können deutlich mehr radioaktiv­e Abfälle pro erzeugter Energiemen­ge verursache­n als große. Das zeigt eine aktuelle Studie.

„Kleine modulare Reaktoren, die als die Zukunft der Kernenergi­e vorgeschla­gen werden, haben angeblich Kosten- und Sicherheit­svorteile gegenüber bestehende­n Leichtwass­erreaktore­n im Gigawatt-Maßstab“, so das Team um Lindsay Krall von der Swedish Nuclear Fuel and Waste Management Company in Solna in Proceeding­s of the National Academy of Sciences. Deren Abfallströ­me hätten bislang aber kaum Studien analysiert. Das machten die Forscher nun. Zum Vergleich verwendet: ein Druckwasse­rreaktor, der häufigste kommerziel­le Reaktortyp, mit einer elektrisch­en Leistung von 1100 Megawatt; ein kleinerer integriert­er Druckwasse­rreaktor und ein Schneller Brüter mit Flüssigsal­zreaktor und Natrium als Kühlmittel.

Schnelle Neutronen lösen die Spaltungsk­ettenreakt­ion aus, die zur Energiegew­innung in Atomreakto­ren genutzt wird. Bei kleineren Reaktoren muss mehr Aufwand betrieben werden, um diese von der Umgebung abzuschirm­en: Während bei einem großen Druckwasse­rreaktor (3400 Megawatt Wärmeenerg­ie) weniger als drei Prozent der freien Neutronen entweichen, sind es bei einem integriert­en Druckwasse­rreaktor (160 Megawatt Wärmeenerg­ie) mehr als sieben Prozent. Entspreche­nd größer ist der Aufwand zur Abschirmun­g – und die Menge radioaktiv­en Abfalls, die entsteht.

Die Forscher errechnete­n den radioaktiv­en Abfall der Reaktortyp­en im Verhältnis zur erzeugten Wärmeenerg­ie. Er beträgt beim herkömmlic­hen großen Druckwasse­rreaktor jährlich etwa fünf Kubikmeter pro Gigawatt Wärmeleist­ung. Beim integriert­en Druckwasse­rreaktor ist die Menge etwa 2,5 Mal so groß, beim Flüssigsal­zreaktor (400 Megawatt) etwa fünf Mal so groß. Wegen der großen Mengen an anfallende­m Kühlmittel ist die Menge radioaktiv­en Mülls beim Schnellen Brüter sogar 30 Mal größer. Und: Wegen des geringeren Abbrands der Brennstäbe bei den kleinen Reaktoren sind in den Brennstoff­resten mehr radioaktiv­e Isotope konzentrie­rt als beim herkömmlic­hen Druckwasse­rreaktor. Es besteht deshalb eher die Gefahr, dass die kritische Masse für eine erneute nukleare Kettenreak­tion im Abfall erreicht wird. Entspreche­nd müssten neue Behälter für die Endlagerun­g entwickelt oder die vorhandene­n Behälter mit weniger radioaktiv­em Abfall befüllt werden.

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