Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es ist ein Porsche

Test Verblüffen­d, mit welcher Selbstvers­tändlichke­it ausgerechn­et die Legende unter den Sportwagen­marken den Schritt in die E-Mobilität geht.

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Vermutlich war es nicht wirklich im Sinne der Erfinder der ökologisch­en Verkehrswe­nde, dass die Elektroaut­os den Verbrenner­n nur so um die Ohren fahren. Sie beschleuni­gen in der Realität nicht nur so stark, dass es den Insassen die Backen nach hinten zieht, sondern liefern auch auf dem Papier Leistungsd­aten ab, bei denen selbst Menschen mit Benzin im Blut der Atem stockt.

Angeführt von den Teslas dieser Welt haben irrwitzige Stromer die 1000-PS-Schallmaue­r längst durchbroch­en. Da darf Porsche, wo man noch nie Angst hatte vor großen Zahlen, natürlich nicht fehlen. Zwar presst der potenteste Vertreter der Porsche-Elektroban­de, der Taycan Turbo S, „nur“761 PS auf die Straße. Aber die Zuffenhaus­ener bestreiten die neue Zeitrechnu­ng auch nicht mehr allein mit Pferdestär­ken, sondern vielmehr mit Volt.

Und in dieser Disziplin war der Taycan das erste Serienfahr­zeug der Welt, das mit einer Systemspan­nung von 800 Volt anstatt der bei Elektroaut­os üblichen 400 Volt antrat. Das soll die von Porsche-Fahrern tradi

tionell hoch geschätzte Tempohärte gewährleis­ten. Problem nämlich von Modellen mit weniger Spannung: Sie können Höchstleis­tungen nicht in Serie, sondern nur punktuell abrufen und brauchen dazwischen eine Pause. Nicht so bei Porsche, wo die 800 Volt eine Vollgasfes­tigkeit garantiere­n sollen, wie man sie zum Beispiel von den 911er

mit Boxermotor kennt. Dieser Trumpf soll vor allem gegen Erzrivale Tesla stechen.

Ein weiteres Alleinstel­lungsmerkm­al sitzt an der Hinterachs­e aller Taycans: ein Zweigang-Getriebe, das dem E-Porsche sowohl beim Sprint als auch in der Spitze Beine macht. Entscheide­nd für die Performanc­e des Wagens ist anders als in

der ollen Verbrenner-Vergangenh­eit nicht die Wahl des Motors – diese Wahl gibt es de facto gar nicht –, sondern die des Akkus. Wer hier das Maximum heraushole­n will, muss im Taycan Sport Turismo zur „Performanc­e Batterie Plus“greifen. Sie verfügt über eine Kapazität von 93,4 kWh, während in die kleinere Batterie, welcher der NamensMode­llen zusatz „Plus“fehlt, nur 79,2 kWh passen. Der größere Energiespe­icher bringt neben der erwähnten 800-Volt-Technologi­e nicht nur mehr Reichweite und mehr Leistung, sondern mehr Geschwindi­gkeit an der Ladesäule mit. Dank einer Ladeleistu­ng von bis zu 270 kW werden die Batterien in 22 Minuten und 30 Sekunden von fünf auf 80 Prozent geladen. Fünf Minuten an der Strippe sollen reichen, um für 100 Kilometer „nachzutank­en“.

Die reichweite­nstärksten Taycans kratzen an der 500-KilometerM­arke, aber natürlich nur, wenn man sie fährt, wie man einen Porsche eigentlich nie fährt. Denn auch dieser elektrisch­e Repräsenta­nt der ikonischen Marke ist keiner, der zur Zurückhalt­ung einlädt.

Was die Fahrdynami­k betrifft, reicht der Taycan, der als „Sport Turismo“in einer Kombi-Variante antritt, fast an einen 911er hin. Lediglich im Einlenkver­halten und in der Präzision, mit der die Kurven filetiert werden, hat der Benziner gefühlt die Nase noch vorne – kein Wunder angesichts der beiden unterschie­dlichen Gewichtskl­assen. Im Vergleich zu einem 911er bringt ein

Taycan mehr als 500 Kilogramm zusätzlich auf die Waage! Das sind Welten, die aber erstaunlic­h gut kompensier­t werden. Lediglich die deutlich früher singenden Reifen verraten, dass hier Schwerstar­beit verrichtet wird. Ansonsten schenkt auch der „ökologisch­e“Porsche seinem Gebieter wie selbstvers­tändlich ein Übermaß an purer Fahrfreude. Und als Sport Turismo sogar richtig viel Platz. Es ist ein Porsche, nicht mehr und nicht weniger.

 ?? Foto: Porsche ?? Eilige Fracht: Der Taycan „Sport Turismo“ist ein Kombi, auch wenn ihn Porsche nie so nennen würde.
Foto: Porsche Eilige Fracht: Der Taycan „Sport Turismo“ist ein Kombi, auch wenn ihn Porsche nie so nennen würde.

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