Augsburger Allgemeine (Land Nord)

A bisserl was geht immer noch

Erinnerung Vor 25 Jahren starb Helmut Fischer, der als „Monaco Franze“zum Kult wurde. Lange hatte er auf seinen Erfolg warten müssen. In dieser Zeit schrieb er unzählige Briefe – die mindestens genauso unterhalts­am waren wie seine Filme.

- VON MICHAEL STIFTER

München Als Helmut Fischer noch ein weithin unbekannte­r Nebendarst­eller ist, der sich als Filmkritik­er ein paar Mark dazu verdient – und das ist er den größten Teil seines Lebens –, nimmt er sich viel Zeit, um Briefe auf der Schreibmas­chine zu tippen. Oft sind es Bewerbunge­n für kleinere und größere Rollen, die fast genauso oft im Papierkorb landen. Die Adressaten werden das mit hoher Wahrschein­lichkeit bereut haben. Nicht nur, weil Helmut Fischer später zur Legende wird, sondern auch, weil aus jedem dieser Briefe der einzigarti­ge Charme des ewigen Stenz’ spricht, dem man einfach nicht böse sein kann.

Der Schauspiel­er geht schon stramm auf die sechzig zu, als er sich in der Rolle des Franz Münchinger – besser bekannt als „Monaco Franze“– unsterblic­h macht. Also rein gefühlsmäß­ig. Weil gestorben ist er trotzdem, viel zu früh, mit gerade einmal siebzig. Geblieben sind aber wunderbare Anekdoten, ein Gefühl der Melancholi­e, das Fischer eben auch stets umwehte – und die zugleich durch und durch lebensbeja­hende Gewissheit: A bisserl was geht immer.

Dass wir uns 25 Jahre nach seinem Tod noch so gerne an ihn erinnern, ist vor allem dem Regisseur Helmut Dietl zu verdanken – und womöglich auch einem jener Briefe. „Sehr geehrter Herr Dietl, wie ich aus der heutigen Abendzeitu­ng ersehen kann, drehen Sie bald einen großen Spielfilm in München. Da ich hier als Schauspiel­er ansässig bin, trifft es sich gut, indem ich bei Ihnen um eine Rolle darin nachsuche. Eventuelle Zweifel an meiner Eignung dafür möchte ich dadurch ausräumen, dass ich Ihnen beiliegend ein Bild von meinem Gesicht sende. Mein mimischer Begabungsb­ogen ist weit gefächert und bietet so alle Chancen für eine gedeihlich­e Zusammenar­beit während der Dreharbeit­en. Zeitlich gesehen stehen Ihnen meine Termine jederzeit zur Verfügung, sodass Sie sich nicht ängstigen sollten, Sie müssten den Film womöglich ohne mich zurechtwur­schteln. Schicken Sie mir umgehend das Drehbuch, wenn Sie nicht wollen, dass ich absage.“

der Brief Wirkung zeigte und wie Dietl damals reagierte, bleibt unklar. Später, so viel ist sicher, verhilft er dem lange eher mäßig erfolgreic­hen Schauspiel­er zum Durchbruch. Und dem Publikum zu rechten Sternstund­en. Dankbar und glücklich müssen wir sein, dass wir dabei sein durften, um es mit dem legendären Herrn Doktor Schönferbe­r zu sagen. Gemeinsam mit dem Schriftste­ller Patrick Süßkind schreibt Dietl das Drehbuch für den „Monaco Franze“– wobei so ziem

lich alles dafür spricht, dass der reale Helmut Fischer zumindest partiell die Vorlage für den fiktiven Charakter Franz Münchinger geliefert hatte. Oder kann es wirklich Zufall sein, dass beide als Sohn einer Änderungss­chneiderin zur Welt kamen und sich der Vater aus dem Staub machte? Dass beide ihre Frau „Spatzl“nannten? Dass beide das alte analoge München verkörpert­en, bevor es zur Weltstadt wurde?

Die Idee zur Figur kommt Dietl übrigens, als er eines Tages mit seiOb

ner damaligen Frau Barbara Valentin an einem Café vorbeispaz­iert und dort Helmut Fischer in der Sonne sitzen sieht, wie er die Menschen beobachtet – darunter konnten auch Frauen sein. „Komm, setzt’s euch her“, sagt der Schauspiel­er, der sich selbst als „guten Freizeitve­rwerter“bezeichnet. Dietl nimmt Platz – und findet seinen „Monaco Franze“. Die Rolle seines Lebens an der Seite von Ruth Maria Kubitschek ist für Fischer 1983 eine späte Erfüllung jahrzehnte­lang zerplatzte­r Träume.

Manchmal hadert er damit, dass er erst so spät zu Ruhm gekommen ist. Anderersei­ts: Hätte er noch mehr Zeit gehabt, er wäre wohl kaum noch aus der Schublade des ewigen Hallodris entkommen – der er privat übrigens gar nicht war. Charmant schon, mit Humor und sprachlich­em Witz, aber kein Aufreißer, eher preußisch penibel. 44 Jahre ist er verheirate­t mit seiner Utta. In schlechten wie in guten Zeiten. Im Misserfolg wie im Erfolg.

In seinen letzten Jahren kämpft Fischer mit ständigen Rückenschm­erzen. Es ist Krebs, doch fast niemandem erzählt er davon. Christian Ude, lange Oberbürger­meister und noch länger einer seiner engsten Freunde, wird hellhörig, als Fischer an seinem 70. Geburtstag sagt: „Das Leben macht sich aus dem Staub.“Doch wie so viele andere will Ude es wohl einfach nicht wahrhaben, dass Fischers Leben schon zu Ende gehen soll. Als dieser für die Öffentlich­keit völlig überrasche­nd am 14. Juni 1997 stirbt, ist er längst ein Münchner Original. Es gibt heute einen Helmut-Fischer-Platz in der Stadt. In seinem geliebten Schwabing haben sie ihm ein Denkmal im Café Münchner Freiheit gesetzt. Da sitzt er nun in Bronze und schaut den Leuten mit seinem Monaco-Lächeln beim Leben zu. Und wer noch einen Brief von ihm hat, der würde im Leben nicht auf die irre Idee kommen, ihn wegzuwerfe­n.

Der Journalist Helmut Markwort zitierte einmal aus einem Schreiben, das er nach einem gemeinsame­n Termin von Fischer bekommen hatte: „Lieber, sehr verehrter Herr Markwort! Hiermit erstatte ich Ihnen mit herzlichem Dank Ihr Eigentum zurück, weil ich nicht möchte, dass Sie überall herumerzäh­len, ich wäre einer, der schwarze Socken nicht zurückgibt. Es sind also zwei einwandfre­i gereinigte Socken, ein linker und ein rechter. Wobei es natürlich Ihnen überlassen bleibt, den linken Socken rechts zu tragen oder umgekehrt, ich misch mich da nicht ein. Jedenfalls habe ich vier erwachsene Zeugen – ein Diplominge­nieur darunter – dass ich die Socken abgegeben habe. Denn, dass Ihre Sekretärin, falls es zu einem Prozess kommen sollte, für Sie aussagt, liegt auf der Hand.“

 ?? ??
 ?? ??
 ?? Fotos:Ulrich Wagner/ Imago Images (2) ?? Helmut Fischer in der Rolle seines Lebens, als „Monaco Franze“(oben), mit Filmemache­r und Freund Helmut Dietl und als Bron‰ zefigur an der Münchner Freiheit, wo er heute den Leuten beim Leben zuschaut.
Fotos:Ulrich Wagner/ Imago Images (2) Helmut Fischer in der Rolle seines Lebens, als „Monaco Franze“(oben), mit Filmemache­r und Freund Helmut Dietl und als Bron‰ zefigur an der Münchner Freiheit, wo er heute den Leuten beim Leben zuschaut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany