Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Dolce Vita an der Seitenlinie
Porträt Roberto Mancini verkörpert nicht nur den italienischen Lebensstil – er weiß auch, was Teamgeist bedeutet. Als Nationaltrainer erlebt er trotzdem ein ständiges Auf und Ab.
Maßgeschneiderter Anzug, glänzende Lederschuhe und lange, zu einem Scheitel gekämmte Haare. Gibt es einen lässigeren Nationaltrainer als Roberto Mancini? Der Chef der italienischen Fußball-Nationalmannschaft ist so etwas wie die Stilikone unter den Übungsleitern. Allerdings geht es im Fußball nicht vorrangig um das gute Aussehen. Hätte man vor knapp einem Jahr, am 12. Juli 2021, danach gefragt, wie sich Mancini auf dem Trainerposten der Italiener schlägt, wären sich alle einig gewesen: „molto bene“. Und das wäre eine Untertreibung, denn am 11. Juli, punkt 23:14 Uhr, reckte Mancinis Kapitän Giorgio Chiellini den EM-Pokal im Londoner Wembley-Stadion in den Nachthimmel. Ganz Italien war im Freudenrausch, Mancini machte sich unsterblich.
Doch schon wenige Monate später folgte die Ernüchterung: Aus in der WM-Qualifikation. Der amtierende Europameister muss bei der Winter-Weltmeisterschaft in Katar von zu Hause aus zuschauen. Sportlich läuft es in der derzeit stattfindenden Nations League aber wieder etwas besser. Mancini geht mit seiner Mannschaft in das Gruppenspiel gegen Deutschland an diesem Dienstag als Tabellenführer. Nur ein schwacher Trost für die Nichtteilnahme an der WM. Trotz dieser Blamage ist man sich in Italien einig, dass „Il Mancio“– wie er in seiner Heimat genannt wird – nach wie vor der beste Mann für den Posten ist.
Er hat Qualitäten an sich, die für die Aufgabe des italienischen Nationaltrainers zugeschnitten sind: Der Jachtbesitzer versteht das „Dolce Vita“, und damit vieles, was südländische Fußballer eben so interessiert. Außerdem versteht er es, Teamgeist zu wecken. Bestes Beispiel dafür ist die Einwechslung Salvatore Sirigus bei der EM im letzten Vorrundenspiel gegen Wales. Italien führte mit 1:0, Mancini wechselte den Ersatztorhüter in der 89. Minute ein. Eine tolle Geste, die ihren Ursprung womöglich in der Vergangenheit von Mancini hat. Bei der WM 1990 war der ehemalige Mittelfeldspieler im Kader der Italiener, durfte jedoch keine Minute spielen. Für ihn eine herbe Enttäuschung, wie er später sagte.
Mancini hat vor allem aber auch Erfahrung. Sowohl als Spieler (775 Spiele) als auch als Trainer (782 Spiele). Bereits mit 16 Jahren debütierte der heute 57-Jährige in der Serie A. Seine erfolgreichste Zeit hatte er bei Sampdoria Genua. Gemeinsam mit seinem Freund und dem heutigen Teamkoordinator der italienischen Nationalelf Gianluca Vialli. Die beiden brachten den mittelklassigen Verein nach ganz oben. Sie wurden italienischer Meister und Europapokalsieger der Pokalsieger. Die größten Erfolge als Trainer feierte er, neben dem EM-Titel mit Italien, mit Manchester City (Englischer Meister 2011/12) und mit Inter Mailand (Italienischer Meister 2005/06, 06/07, 07/08). Ein großes Ziel aber hat der Commissario Tecnico mit Italien noch vor Augen: Mit der Squadra Azzurra Weltmeister werden.