Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Staatsintendant drängt zu mehr Eile
Theatersanierung
Für das Staatstheater Augsburg bedeutet die Verzögerung bei der Sanierung eine weitere Belastung und weitere Kompromisse. Alternative Lösungen zu den begonnenen Arbeiten sieht der André Bücker nicht.
Konsterniert hat Staatsintendant André Bücker zur Kenntnis genommen, dass sich die Generalsanierung des Großen Hauses und der Neubau der zweiten Spielstätte sowie des angrenzenen Verwaltungs- und Werkstättengebäudes um ein weiteres Jahr verzögern wird (wir berichteten). Statt Ende 2027 ist nun von einer Inbetriebnahme des Großen Hauses Ende 2028 die Rede. Das heißt zu einem Augenblick, an dem André Bücker noch gar nicht sagen kann, ob er dann noch Intendant des Hauses ist. Sein Vertrag endet momentan zur Saison 2027/28.
Das wäre dann Bückers elfte Spielzeit in Augsburg. Und wenn man schaut, unter welchen Bedingungen er in Augsburg seinen Vertrag angetreten ist, erkennt man deutlich das ganze Ausmaß der Verzögerungen bei der Generalsanierung des Theaters. Als Bücker sich 2015 für die Intendanz bewarb, war noch davon die Rede, dass das Große Haus 2023 wieder spielbereit sein sollte. Man ging von einer Sanierungsphase aus, die sechs Jahre dauern und 2017 beginnen sollte.
2016 folgte von einem Tag auf den anderen die Schließung des Großen Hauses, in der letzten Spielzeit von Juliane Votteler hatte das Staatstheater keine große Spielstätte mehr und musste Ausweichquartiere in der ganzen Stadt suchen. Als Bücker mit seinem Team dann 2017 in Augsburg die Arbeit aufnahm, galt es jenseits des Künstlerischen in rekordverdächtiger Zeit den Martinipark als große Ausweichspielstätte des Theaters zu entwickeln. „Wir haben das in sehr kurzer Zeit hinbekommen“, sagt Bücker, auch mit
Blick auf die weitere Verzögerung bei der Sanierung des Großen Hauses und des Neubaus für das Theater.
Eigentlich will Bücker nicht jammern. Das sagt er immer wieder. Die Ausweichspielstätten des Theaters im Martinipark und im Gaswerkareal haben ihren Reiz. In die Planung für das generalsanierte Staatstheater ist das Haus laufend involviert. Auf die neue kleine Spielstätte neben dem Großen Haus freut sich Bücker schon jetzt: Die Bühne soll Platz für 500 Zuschauerinnen und Zuschauer haben. Durch den sechseckigen Grundriss des Raums sind viele verschiedene Bestuhlungsszenarien möglich. Frontal, ringsum. Und: Anders als noch in der Brechtbühne wird der Umbau der Sitzplatzpodien innerhalb eines Tages möglich sein. Das Staatsthea
ter könne dann tatsächlich von Tag zu Tag in einem anderen Setting spielen. Das wiederum macht es möglich, dass die Bühne auch von anderen Ensembles der Stadt genutzt werden kann.
Nun weist Bücker einmal mehr darauf hin, dass es sich bei den Ausweichspielstätten um Übergangslösungen handelt. „Das Foyer in der Brechtbühne ist toll, der Restaurantbereich auch, aber die Werkstätten dort sind zu klein und die Bühnentechnik ist veraltet“, sagt er. Die Technik sei von der Brechtbühne übernommen worden und funktioniere mittlerweile nicht mehr richtig. „Man lebt in Ausweichspielstätten ständig mit Kompromissen“, so Bücker. Es sei auch nicht schlecht, mit Kompromissen leben zu müssen. Aber mittlerweile hätte er zum Beispiel gerne einen
Bühnenturm im Martinipark, weil das für die Regie und das Bühnenbild andere Möglichkeiten mit sich bringt.
Bücker ist klar, dass die Stadt Augsburg weder etwas für die Pandemie und den damit einhergehenden Verzögerungen als auch für den Komplettausfall eines Planungsbüros könne. „Diplomatisch will ich sagen: Es wäre jetzt sehr schön, wenn wir die Sanierung so schnell wie möglich fertig bekommen.“Vielleicht gelinge es ja einmal, nicht weiter zurückzubleiben, sondern vor den Zeitplan zu kommen. „Das ist auch wichtig für die Belebung der Innenstadt, für ein lebendiges Theaterviertel“, sagt Bücker.
Wobei Bücker weiß, wie schwierig das ist. „Die vielen Vorschriften und Vergaberichtlinien machen das öffentliche Bauen sehr teuer.“Erst wenn das vereinfacht werde und weniger bürokratisch, werden öffentliche Großaufträge wie zum Beispiel Theatersanierungen wieder günstiger.
Wobei Augsburg bei den Kosten für die Interimspielstätten noch vergleichsweise günstig dasteht, wie Bücker sagt. Anderswo, etwa in Stuttgart bei der Generalsanierung der Oper, fällt allein für die Ausweichspielstätte samt Bühnenturm ein horrender Betrag an, so dass die Kosten dort insgesamt den Betrag von einer Milliarde Euro übersteigen könnten. Allein für den Bau des Interims plus zweier Nebengebäude für die 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stuttgarter Oper werden rund 170 Millionen Euro veranschlagt. Kein Wunder also, dass Augsburg öfters Besuch von anderen Theatern bekommt, in denen Sanierungen gerade anstehen, um sich hier kostengünstige Lösungen anzusehen.
Denen, die jetzt noch einmal grundsätzliche Bedenken bei der Generalsanierung des Theaters bekommen und etwa einen Stop der Planung für das Bauteil 2 fordern, hält Bücker entgegen, was das bedeuten würde: Millionen Euro Verschwendung für Planungen. Dazu müsste das Theater, wenn die Werkstätten und eine zweite Bühne an einem anderen Ort entstehen würde, täglich mit Dutzenden LKW-Fahrten durch die Stadt Material hin und her transportieren. „Das ist überhaupt nicht sinnvoll“, sagt der Intendant. „Wir haben eine tolle Planung, die über Jahrzehnte Bestand haben wird.“Außerdem seien alle Argumente ausgetauscht. Eine eindeutige Mehrheit sei für die Generalsanierung.