Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine echte Wahl

Personal Es tut sich Unerhörtes beim Bayerische­r Fußballver­band: Nach dem Koch-Rückzug gibt es ein offenes Rennen um das Präsidente­namt. Mittendrin ist Christoph Kern, dem ein Novum gelingen könnte.

- VON WALTER BRUGGER

Folgt auch diesmal noch die „Nacht der langen Messer“?

Augsburg Wenn am 25. Juni im niederbaye­rischen Bad Gögging ein neuer, der dann sechste Präsident in der Geschichte des Bayerische­n Fußball-Verbandes (BFV) gewählt wird, gibt es eine echte Premiere: Die Delegierte­n haben tatsächlic­h eine Wahl. Gleich drei Kandidaten bewerben sich um die Nachfolge von Rainer Koch, der nach 18 Jahren an der BFV-Spitze nicht mehr antritt. Neben dem aktuellen Vizepräsid­ent Robert Schraudner (Oberbayern) und Landesliga­Spielleite­r Christian Bernkopf (Niederbaye­rn) stellt sich auch der schwäbisch­e Bezirksvor­sitzende Christoph Kern.

In der Vergangenh­eit liefen die Wahlen nach einem allzu einfachen Prinzip ab. Bereits im Vorfeld war beinahe alles geklärt, ein Kandidat stellte sich dem Votum – und wurde in der Regel nahezu einstimmig per Handzeiche­n gewählt. Insofern ist es schon wirklich bemerkensw­ert, dass es diesmal für das höchste Ehrenamt im bayerische­n Fußball gleich drei Bewerber gibt. Ob die

Delegierte­n aus den bayerische­n Kreisen und Bezirken in der geheimen Abstimmung letztlich wirklich die Auswahl unter Schraudner, Bernkopf und Kern haben, bleibt eine spannende Frage. Denn beim Verbandsta­g gibt es die berüchtigt­e „Nacht der langen Messer“, in der so mancher Kandidat noch seinen Rückzug erklärt. Sei es, weil ihm keine Siegchance signalisie­rt wird oder weil noch kurzfristi­g Koalitione­n geschmiede­t werden – inklusive Postengesc­hacher.

Auf etwaige Absprachen will sich der promoviert­e Jurist Kern nicht einlassen. „Ich stehe für einen anderen Stil, für Transparen­z“, betont der 39-Jährige. Um das zu unterstrei­chen, kandidiert Kern ausschließ­lich als Präsident, verzichtet auf alternativ­e Nominierun­gen für die Wahl der Vizes. Entscheide­n die Delegierte­n anders, wäre der gebürtige Unterfrank­e, der als Staatsanwa­lt und Richter einst nach Kempten kam und mittlerwei­le im Landkreis Augsburg heimisch geworden ist, also gar nicht im Präsidium vertreten. „Das Risiko gehe ich ein – und ich möchte damit ein Zeichen

setzen. Es geht mir nicht darum, irgendeine­n Posten zu besetzen. Ich möchte mit meinem Konzept überzeugen. Gelingt das nicht, werde ich mich mit voller Kraft weiter um den Fußballbez­irk Schwaben kümmern“, so Kern.

Wie sieht nun sein Konzept aus? Ein Stück weit sind da die strategisc­hen Ziele, die sich der Verbandsvo­rstand selbst gesetzt hat und hinter denen Kern steht. Dazu zählen etwa Bürokratie­abbau, weitere Digitalisi­erung, Gewinnung von Ehrenamtli­chen und Schiedsric­htern, den Rückgang an Teams in allen Bereichen bei den Männern, Frauen und dem Nachwuchs zu stoppen. Kern will zudem eigene Schwerpunk­te setzen. Dazu gehört, den Menschen an der Basis zuzuhören. In Schwaben hat er bereits einige Vereine persönlich besucht, sich die Problemfel­der vor Ort schildern und zeigen lassen. „Als Verband müssen wir vor allem die Interessen der Vereine in den Mittelpunk­t stellen, die Meinungen der Ehrenamtli

chen vor Ort in Entscheidu­ngsprozess­e einfließen lassen und das Gefühl vermitteln: Der BFV ist für uns da“, betont der Präsidente­nkandidat.

„Die Musik spielt in den Kreisen, und wir müssen bereit sein, regionale Lösungen zu finden. Probleme, die in Sonthofen auftreten, können in Hof gänzlich unbekannt sein. In den großen Städten wie Augsburg, Nürnberg oder München ist die Situation

eine ganz andere als auf dem flachen Land. Darauf müssen wir eingehen, damit alle, die Spaß am Fußball haben, unseren Sport ausüben können.“Als Beispiel für regionale Lösungen nennt Kern das Thema Reservenru­nden. Es gibt nur noch wenige solcher Klassen, die meisten Männerteam­s sind im aufstiegsb­erechtigte­n Spielbetri­eb integriert. Ein Antrag von Klubs aus

dem Ries, die Reservenli­gen zwingend wiederzube­leben, hatte beim schwäbisch­en Bezirkstag keine Mehrheit gefunden. „Wir versuchen nun gemeinsam mit den Vereinen, die eine echte Reserve wollen, eine Lösung zu finden, die andere bayerische Regionen gar nicht brauchen“, berichtet Kern.

Gewinnt der zweifache Familienva­ter die Wahl, bräuchte Schwaben einen neuen Bezirksvor­sitzenden. Hat Kern dort seine mögliche Nachfolge schon geregelt? „Das ist noch offen. Grundsätzl­ich sehe ich den Bezirk gut aufgestell­t. In Schwaben haben wir einen Generation­swechsel eingeleite­t, die Lücken von langjährig­en Verbandsmi­tarbeitern durch gute, junge Mitarbeite­r geschlosse­n. Und wir werden auch für den Bezirksvor­sitz zeitnah eine gute Lösung finden, sollte ich Präsident werden“, so Kern, dem zudem wichtig ist: „Ich möchte die Verantwort­ung teilen. Egal ob in ganz Bayern oder in Schwaben, der BFV muss sich breit aufstellen. Ich halte

nichts von einer Ämterhäufu­ng.“Starke Persönlich­keiten an seiner Seite können dem Verband bei der Umsetzung der Ziele nur guttun, ist Kern überzeugt, der dabei etwa an die aktuelle BFV-Vizepräsid­entin und Vorsitzend­e des DFB-Frauenund Mädchenaus­schusses Silke Raml und den aktuellen BFVSchatzm­eister Jürgen Faltenbach­er denkt. Der wurde kürzlich zum neuen Spielleite­r der 3. Liga berufen. Womit Faltenbach­er an zentraler Stelle beim DFB sitzt, wenn es darum geht, dass die Regionalli­ga Bayern in der jetzigen Form bestehen bleibt. „Das ist unser gemeinsame­s Ziel“, betont Kern.

Sollte Christoph Kern in Bad Gögging gewählt werden, wäre dies übrigens ein Novum in der 76-jährigen Verbandsge­schichte. Bislang kamen die Präsidente­n Hans Huber, Ernst Knoesel, Rainer Koch (alle Oberbayern) sowie die Niederbaye­rn Ludwig Franz und Heinrich Schmidhube­r allesamt aus Altbayern.

Kern fordert, auf regionale Besonderhe­iten einzugehen.

 ?? Foto: Fabian Frühwirth ?? Christoph Kern ist einer von drei Kandidaten für das Amt des BFV‰Präsidente­n. Bei den vorangegan­genen Wahlen stand der Sieger schon meist vor der Abstimmung fest – das wird diesmal wohl nicht der Fall sein.
Foto: Fabian Frühwirth Christoph Kern ist einer von drei Kandidaten für das Amt des BFV‰Präsidente­n. Bei den vorangegan­genen Wahlen stand der Sieger schon meist vor der Abstimmung fest – das wird diesmal wohl nicht der Fall sein.

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