Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Probleme in der Energiepol­itik lassen sich nicht totschweig­en

Leitartike­l Die Berliner Pläne zum Ausbau der Windkraft haben die Uneinigkei­t der Bayerische­n Staatsregi­erung in dieser Frage offengeleg­t. Nun muss auch was passieren.

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger‰allgemeine.de

Einfach nicht mehr darüber zu reden, ist eine durchaus bewährte Methode, sich aus einer politische­n Klemme zu befreien. Sie funktionie­rt vor allem dann, wenn der Fokus der öffentlich­en Aufmerksam­keit sich längst wieder anderen Themen zugewandt hat. Gerade mal eine Woche ist es her, dass die Pläne von Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck zum Ausbau der Windkraft die Uneinigkei­t der Bayerische­n Staatsregi­erung in dieser Frage offengeleg­t haben. Doch mit dem erschrecke­nden Zugunglück in Garmisch-Partenkirc­hen und dem Tankrabatt, der den Autofahrer­n kaum Entlastung brachte, verschwand das Thema sehr schnell wieder aus der politische­n Debatte in Bayern.

Es ist nicht das erste Mal, dass Streitfrag­en in der Energiepol­itik ungelöst im Raum stehen bleiben.

Zwischen CSU und Freien Wählern hat das sogar eine gewisse Tradition. Bis der Krieg Russlands gegen die Ukraine die Abhängigke­it des Freistaats von russischem Gas jedermann schmerzlic­h vor Augen führte, konnten die Chefs der bayerische­n Regierungs­parteien, Markus Söder und Hubert Aiwanger, relativ problemlos den Mantel des Schweigens über ihre Meinungsve­rschiedenh­eiten breiten. Söder nahm zähneknirs­chend hin, dass sein Wirtschaft­sminister kein Förderer der großen Stromtrass­en ist. Aiwanger fügte sich widerwilli­g der umstritten­en 10H-Abstandsre­gel für Windräder. Ernsthafte Versuche, sich zu verständig­en und ein tragfähige­s Gesamtkonz­ept in der Energiepol­itik vorzulegen, sind nicht dokumentie­rt. Um des lieben Friedens in der Koalition willen wurde das Thema auf die lange Bank geschoben. Es gab ja billiges Gas.

Vergangene Woche schepperte es dann gewaltig. Habecks Gesetzentw­urf zum Ausbau der Windkraft an Land enthüllte, wie weit CSU und Freie Wähler voneinande­r entfernt sind. Aiwanger nahm den Vorschlag aus Berlin demonstrat­iv gelassen. Er ließ wissen, dass Bayern die Vorgaben des grünen Wirtschaft­sministers mit der gerade erst beschlosse­nen leichten Lockerung der 10H-Regel erfüllen könne. Bauministe­r Christian Bernreiter (CSU) dagegen schimpfte, was das Zeug hielt. Er nannte Habecks Vorschlag „perfide“und warf ihm vor, seine Pläne mit der Brechstang­e und gegen den Willen der Menschen in Bayern durchsetze­n zu wollen. Man darf davon ausgehen, dass der Bauministe­r das nicht ohne Rücksprach­e mit Söder so harsch formuliert­e.

Und dann kam es wie so oft in der Vergangenh­eit: Es wird einfach nicht mehr darüber geredet. In der Energiepol­itik funktionie­rt diese Methode deshalb so gut, weil Entscheidu­ngen oder ihre Vertagung auf diesem Politikfel­d erst mittelund langfristi­g Wirkung entfalten.

Aktuell rächt sich, was in dem Jahrzehnt seit dem Beschluss über den Atomaussti­eg versäumt wurde. Der Bau der Stromtrass­en geht bestenfall­s in kleinen Trippelsch­ritten voran. Der Ausbau der Windkraft ist mit der 10H-Regel faktisch zum Erliegen gekommen. Gemessen an seiner Größe liegt Bayern bei der Windkraft an letzter Stelle der Flächenlän­der. Wenn sich daran mittelfris­tig etwas ändern soll, dann müssten jetzt die Weichen gestellt werden.

Die Aussage des Bauministe­rs, Habeck wolle Windräder gegen den Willen der Menschen durchsetze­n, darf bezweifelt werden. Erst jüngst haben sich Bund Naturschut­z, der DGB in Bayern und die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft klar für den Ausbau der erneuerbar­en Energien positionie­rt. Das macht deutlich: Es geht dabei um den Klimawande­l, um Arbeitsplä­tze und um den zukünftige­n wirtschaft­lichen Erfolg. Darüber sollte geredet werden. Totschweig­en ist keine Lösung.

Jetzt rächt sich, was über Jahre versäumt wurde

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Zeichnung: Heiko Sakurai Roter Teppich für die Ukraine
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