Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wer steckt hinter dem mörderisch­en Plan?

Im Raum Augsburg sollte offenbar ein tschetsche­nischer Regime-Kritiker umgebracht werden. Dieser ist sich sicher, zu wissen, wer den Mord in Auftrag gab. Der Angeklagte will zu den Vorwürfen wohl schweigen.

- VON JAN KANDZORA

Augsburg Es ist ein Fall, der politisch brisant ist und viele Fragen aufwirft. Sollte ein tschetsche­nischer Opposition­eller in einer Asylunterk­unft in Deutschlan­d ermordet werden, nur wenige Kilometer von Augsburg entfernt? Mit Wissen, ja möglicherw­eise auf Anweisung der politische­n Führung der autonomen Republik in Russland? Wenn es stimmt, was die Bundesanwa­ltschaft ermittelt hat und was sie einem 47 Jahre alten Russen vorwirft, liegt das zumindest nahe. Am Mittwoch startet der Prozess gegen den Mann namens Valid D. vor einem Staatsschu­tzsenat am Oberlandes­gericht in München. Die Vorwürfe sind heftig, die Sicherheit­svorkehrun­gen sind schärfer als gewöhnlich.

Neben den obligatori­schen Zugangskon­trollen zum Gerichtsge­bäude gibt es Sonderregl­ungen; unter anderem sollen die Ausweise aller Zuschauer des Prozesses kopiert werden, damit etwaige Störer der Verhandlun­g identifizi­ert werden können. Opfer des mutmaßlich­en Mordplans war laut Anklage ein Mann namens Mokhmad A., der seit Jahren in Deutschlan­d lebt und auf öffentlich­en Kanälen keinen Hehl daraus macht, dass er den tschetsche­nischen Diktator Ramsan Kadyrow ablehnt. Mal schreibt er in

Netzwerken gegen den Diktator an, in dessen Regime Opposition­elle, Aktivisten und Homosexuel­le gefoltert und ermordet würden. Mokhmad A. betreibt aber auch einen Youtube-Kanal, den tausende Menschen verfolgen; man sieht dort, wie er auf einer Demo spricht oder sich gegen die russische Invasion der Ukraine positionie­rt. Der Bruder des 27-Jährigen, Tumso A., ist ein bekannter tschetsche­nischer Opposition­eller und Blogger, der in Schweden lebt.

Vor der Verhandlun­g teilt Mokhmad A. über seine Anwältin Johanna Künne mit, dass das „russische Besatzungs­regime“das tschetsche­nische Volk zerstöre und jeglichen Widerspruc­h unterdrück­e. „Putin hat Kadyrow die absolute Macht in Tschetsche­nien gegeben, dafür macht Kadyrow alles, um Putin zu gefallen.“Die Gründe für den Mordauftra­g vermutet der 27-Jährige in seiner Verwandtsc­haft zu seinem Bruder und in seinen „Aktivitäte­n gegen das russische Regime in Tschetsche­nien“. Mokhmad A. sagt, er sei sicher, „dass der Befehl, mich zu ermorden, von der obersten Führung der tschetsche­nischen Republik kam und mit Kadyrow abgestimmt wurde“. Er sei „erschütter­t und verunsiche­rt“, seit er erfahren habe, dass das prorussisc­he Regime in Tschetsche­nien ihn hier in Deutschlan­d habe umbringen lassen wollen. Die russische Regierung habe bereits versucht, seinen Bruder in Schweden zu töten. „Ich habe Angst vor weiteren Anschlägen auf mich und meinen Bruder. Aber wir lassen uns nicht inschüchte­rn.“Mokhmad A. nimmt an der Verhandlun­g als Nebenkläge­r teil.

Der Bundesanwa­ltschaft zufolge ist Valid D. angeklagt, weil er 2020 von einem „Mitglied im Sicherheit­sapparat des tschetsche­nischen Präsidente­n Ramsan Kadyrow“mit der „logistisch­en Organisati­on der Tösozialen tung eines in Deutschlan­d lebenden Exil-Opposition­ellen“beauftragt worden sein soll. Durch den geplanten Auftragsmo­rd sollte den Ermittlung­en zufolge „insbesonde­re der Bruder des avisierten Opfers zum Schweigen gebracht werden“. Valid D., 47 Jahre alt, nahm den Auftrag demnach an und begann mit der Planung der Tat. Er verschafft­e sich laut Bundesanwa­ltschaft eine Schusswaff­e mit Munition und Schalldämp­fer, er brachte die Adresse von Mokhmad A. im Raum Augsburg in Erfahrung und reiste im Sommer 2020 zu der Asylunterk­unft, um sie auszuforsc­hen.

Den Mord selbst allerdings sollte Valid D. den Ermittlung­en zufolge allerdings nicht ausführen. Dazu soll das offenbar hochrangig­e „Mitglied des tschetsche­nischen Sicherheit­sapparates“einen weiteren Mann angeheuert haben, der von Valid D. im Sommer 2020 von Tschetsche­nien nach Deutschlan­d geschleust worden sein soll. Wenn es stimmt, was die Ermittler annehmen, dann scheiterte der Auftragsmo­rd an Mokhmad A. vor allem am ausgesucht­en Killer. Der Mann soll den Auftrag nämlich lediglich „aus Angst vor Repressali­en nur zum Schein“angenommen haben, wie es von der Bundesanwa­ltschaft heißt. Zwar sollen Valid D. und der vermeintli­che Attentäter in Deutschlan­d noch eine Schießübun­g mit der

Tatwaffe durchgefüh­rt und im Dezember 2020 noch einmal den Wohnort von Mokhmad A. ausgekunds­chaftet haben, doch zur „Ausführung des Anschlags“kam es nicht, da die Polizei Valid D. am 1. Januar 2021 mit einem Haftbefehl des Amtsgerich­tes Augsburg festnahm, seither sitzt er in Untersuchu­ngshaft. Wie der Spiegel zuletzt berichtete, hatte der vermeintli­che Mittäter bei den deutschen Behörden umfangreic­h ausgepackt. Er wird im Verfahren nicht als Beschuldig­ter geführt, sondern als Zeuge. Juristisch geht es im Prozess um den Vorwurf, dass sich Valid D. bereit erklärt haben soll, einen Mord zu begehen; zudem geht es um die „Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat“und Verstöße gegen das Waffengese­tz.

Der Prozess soll bis Ende des Jahres andauern, der Senat unter Richter Christoph Wiesner hat knapp 40 Verhandlun­gstage angesetzt. Einige Erkenntnis­se der Ermittlung­en stammen angeblich aus Geheimdien­st-Quellen; sollten entspreche­nde Mitarbeite­r der Dienste im Prozess aussagen, ist davon auszugehen, dass die Öffentlich­keit bei diesen Vernehmung­en ausgeschlo­ssen wird. Ullrich Knye, Verteidige­r von Valid D., sagt auf Anfrage, sein Mandant werde zum Prozessbeg­inn schweigen.

 ?? Foto: Friedemann Kohler, dpa (Archivbild) ?? Ramsan Kadyrow ist Präsident der der russischen Teilrepubl­ik Tschetsche­nien.
Foto: Friedemann Kohler, dpa (Archivbild) Ramsan Kadyrow ist Präsident der der russischen Teilrepubl­ik Tschetsche­nien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany