Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Einsätze, die sie nie vergessen werden
Mitglieder der Bergwacht berichten von ihren Rettungsaktionen – darunter spektakuläre und kuriose.
„Jeder Bergretter trägt eine Geschichte mit sich, die er nicht vergessen kann“, sagt der Journalist und Historiker Thomas Käsbohrer. In seinem jetzt erschienenen Buch „Der Einsatz meines Lebens – Bergretter erzählen“berichtet er von 20 spektakulären Einsätzen bayerischer Bergwachtler. Käsbohrer hat sie alle besucht, stundenlang mit ihnen gesprochen und Interviews geführt.
Weit mehr als ein Abenteuerbuch bietet es einen Einblick jenseits aller Klischees in die Arbeit der Bergwacht und in die Denkweise von Menschen, die raufgehen, wenn andere nicht mehr runterkommen. 25 Prozent der Einnahmen des Buches werden an die Bayerische Bergwacht gespendet, teilt der Verlag „Millemari-Bibliothek der Extreme“mit. Von sechs Notsituationen im Gebirge berichten Angehörige der Hilfsorganisation im Allgäu.
Leni Trenkle, junge Bergretterin der Bereitschaft Pfronten, schildert ihren ersten Einsatz: Eine Totenbergung nach einem Lawinenabgang am Breitenberg. Das Opfer ist ein guter Bekannter, der selbst aktiver Bergwachtler ist. An seinem ersten Tag als Rentner kam er an jenem Abend des 1. März 2016 in einer Lawine ums Leben.
Otto Möslang aus dem Oberallgäuer Blaichach erinnert an eine Hilfsaktion in der Osttürkei vor über 30 Jahren. Zigtausende Angehörige der kurdischen Minderheit im Irak waren nach Ausbruch des Golfkriegs in die Berge geflohen. Unter anderem waren Bergwachtler im Einsatz, die sich bei spätwinterlichen Verhältnissen in den Bergen bewegen konnten und dort medizinische Hilfe leisteten. Jörg Häusler aus Schwangau schildert eine spektakuläre Rettungsaktion am Säuling. Ein 53 Jahre alter Mann war abgestürzt und wurde vermisst. In einer nächtlichen Suchaktion mit Hubschrauberunterstützung fanden die Retter den Schwerverletzten, bargen ihn und brachten ihn ins Krankenhaus – lebend.
Nina und Hannes Rädler aus Bad Hindelang-Unterjoch erzählen die ungewöhnliche Geschichte einer Schumpen-Rettung aus einem Tobel. Jungkuh „Bianca“war bei schlechtem Wetter abgestürzt. In einer stundenlangen nächtlichen Aktion gelang es dem BergwachtEhepaar, das 250 Kilogramm schwere Tier mit einer Seilwinde aus der misslichen Lage zu befreien.
Raphael Müller von der Bergwacht Hinterstein blickt auf Silvester 2005 zurück: Ein Schneeschuhgeher-Paar war bei widrigen Verhältnissen am Prinz-Luitpold-Haus in eine Lawine geraten. Die Frau lag unter anderthalb Meter dicken Schneemassen. Nach einer dreiviertel Stunde gelang es, sie zu orten und lebend zu bergen.
Stefan Blochum von der Bergwacht-Bereitschaft Füssen erzählt von der Rettung von Alpinisten am Zwölf-Apostel Grat, der als Klettertour vom Pilgerschrofen zum Säuling bei Füssen führt. Zwei 30-Jährige hatten sich bei einer winterlichen Begehung im Dezember 2020 zeitlich verschätzt und kamen bei einer Abseilaktion nicht mehr weiter. Eine direkte Hubschrauber-Rettung der beiden Kletterer war wegen eines Föhnsturms nicht möglich. Doch Bergwachtler konnten bei einem nächtlichen Einsatz schließlich von unten zu den beiden vordringen und sie in sicheres Gelände führen. Die Geretteten waren unverletzt.