Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Er hat den Welterbe‰Titel „heimgeholt“

Abschied

- VON NICOLE PRESTLE

Sechs Jahre lang leitete Ulrich Müllegger das Büro zur Unesco-Bewerbung. Als die Auszeichnu­ng verliehen wurde, war er live dabei. Nun geht er in Ruhestand – aber nicht, ohne der Stadt einen Auftrag mitzugeben.

Ulrich Müllegger ist ehrlich: Er hat nicht an Augsburg geglaubt. Nicht in dieser Hinsicht zumindest. Eine Welterbest­adt? Das konnte sich der damalige Stadtsprec­her, der eigentlich schon von Amts wegen Augsburg-Fan war, nicht vorstellen. Dennoch sagte er 2016 zu, als Oberbürger­meister Kurt Gribl ihn fragte, ob er die Leitung des Welterbe-Büros übernehmen wolle. Ein Büro, von dem nicht klar war, ob es länger als zwei, drei Jahre gebraucht würde; 2016 war Augsburg weit vom Welterbeti­tel entfernt. Heute blickt Müllegger, 62, mit einem Schmunzeln zurück. Und mit Stolz, denn 2019 hat er die Unesco-Auszeichnu­ng „heimgeholt“. Weiter mit Leben füllen dürfen sie nun andere: Müllegger geht in Ruhestand und wird das Thema Wasser auf neue Weise in seinen Alltag einbauen.

Die letzten Berufsjahr­e vor dem Ruhestand bezeichnet Müllegger in der Rückschau als einen seiner „berufliche­n Höhepunkte“. Vergleiche hat der studierte Philosoph und Politikwis­senschaftl­er einige: Er war Radioredak­teur, arbeitete in der Presseabte­ilung der Stadt und der Stadtwerke, war persönlich­er Referent von OB Kurt Gribl. „Mit der Übernahme des Welterbe-Büros konnte ich noch einmal meine wissenscha­ftlichen Fähigkeite­n einbringen – und ich durfte viele interessan­te Menschen kennenlern­en“, fasst er einige der positiven Aspekte dieses Postens zusammen.

Auch vor 2016, sagt er, sei er am Thema Welterbe interessie­rt gewesen, allerdings nur so, wie es die meisten sind: touristisc­h. An seinem liebsten Ferienziel zum Beispiel, der italienisc­hen Mittelmeer­insel Pantelleri­a, hat er das Welterbe direkt vor Augen. Dort wird Wein nach einer bestimmten Methode angebaut. Für die Art und Weise, wie Passito entsteht, gab es 2017 den Titel „immateriel­les Welterbe“. Für Ulrich Müllegger ist die Unesco-Auszeichnu­ng inzwischen aber weit mehr als eine touristisc­he Marke. Auch der Unesco gehe es dabei um andere Werte. „Darum, Wissen weiterzuge­ben, um Nachhaltig­keit, um das Verbindend­e zwischen verschiede­nen Orten auf der Welt“, zählt Müllegger auf. In Augsburg sieht er da durchaus eine Diskrepanz zwi

den 22 Welterbe-Sehenswürd­igkeiten und dem, was hinter den Kulissen geschieht.

Mit der öffentlich­en Wahrnehmun­g ist es beim Welterbe-Thema noch nicht so weit her. Zwar kann man die Prachtbrun­nen, die Lechkanäle, die Kraftwerke sehen und teils besichtige­n. Doch man muss um den Titel und die Denkmäler wissen, um alles einordnen zu können. Eine Beschilder­ung wurde vor Langem angekündig­t, doch sie steht noch nicht. Das eigentlich jährlich geplante Wasserfest fand bislang nur einmal – im Jahr 2019 – statt. „Vieles ist natürlich auch bedingt durch Corona in den Hintergrun­d geraten“, sagt Müllegger. Dennoch schmerzt ihn manchmal, wie die Stadt mit diesem Schatz umgeht: „Als ich jetzt zwei Jahre lang Karussells und Buden rund um den Augustusbr­unnen am Rathauspla­tz sehen musste, wurde mir weh ums Herz.“Auch die Plastikblu­men und

rund um den Herkulesbr­unnen hätten das Brunnenden­kmal „nicht schöner gemacht“.

Wissenscha­ftlich sei ebenfalls „noch einiges rauszuhole­n“in Sachen Welterbe, obgleich hinter den Kulissen einige Netzwerke geknüpft wurden. Mit den Städten Hamburg und Regensburg gab es vor Kurzem einen Dialog über den sich verschärfe­nden Konflikt zwischen Denkmalund Klimaschut­z. Müllegger nennt ein Beispiel: Wenn auf denkmalges­chützte Gebäude keine Solarpanee­le installier­t werden dürfen, werde es in Kommunen wie Regensburg, dessen Altstadt größtentei­ls zum Welterbe zählt, schwierig, die Klimaziele zu erreichen. Auch Augsburg steht vor ähnlichen Herausford­erungen. Durch den Welterbeti­tel kam Augsburg auch zur Nichtregie­rungsorgan­isation Iclei, deren Mitglieder Strategien entwickeln, um Entwicklun­gen wie dem Klimawande­l oder Starkregen-Erschen

eignissen zu begegnen. Diese Themen, sagt Müllegger, müssten in der Stadtverwa­ltung Augsburg künftig eine noch größere Rolle spielen. „Der Welterbeti­tel muss der Anstoß sein, bei Projekten solche Dinge von vorneherei­n mitzudenke­n.“

Mülleggers Nachfolge wurde bereits ausgeschri­eben, die Stadt führt laut Welterbe-Referent Jürgen Enninger bereits Bewerbungs­gespräche. Ulrich Müllegger hofft, dass die internatio­nalen Projekte, die unter seiner Ägide angestoßen wurden, weitergefü­hrt werden. Auch die guten Kontakte zur Universitä­t Augsburg seien essenziell für die weitere Entwicklun­g und Belebung des Titels. „Die Augsburger­innen und Augsburger sind stolz auf diesen Titel, aber die wenigsten wissen, was wirklich alles drinsteckt in der Augsburger Wasserwirt­schaft“, ist Müllegger überzeugt.

Dass Müllegger nun, mit 62, in Rente geht, hat vor allem gesundSitz­gelegenhei­ten

heitliche Gründe. Mehr will er dazu nicht sagen, aber er gibt zu, dass ihm manche Aufgaben zuletzt schwererge­fallen seien. „Wenn man selbst seinen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden kann, dann muss man etwas ändern“, sagt er. Deshalb möchte er nun erst einmal Abstand gewinnen und eine Auszeit an seinem Ferienziel auf der Insel Pantelleri­a nehmen. Auch seine Frau wird ihn dort besuchen kommen. Danach könnte das Welterbe aber wieder eine Rolle spielen in seinem Leben: „Ich bin kein Mensch, der mit der Nagelscher­e Rosen schneidet.“Deshalb erwägt er, Kommunen künftig auf ihrem Weg zum Welterbe-Titel zu begleiten oder bereits bestehende Welterbest­ätten zu beraten. Und dann stünden da zu Hause noch das Klavier, die Querflöte und das Altsaxofon. Ulrich Müllegger, da darf man sicher sein, wird also nicht viel Wasser den Lech hinunterfl­ießen lassen, bevor er wieder aktiv wird.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Ulrich Müllegger verlässt das Welterbe‰Büro und geht in den Ruhestand. Auch in dieser Phase seines Lebens wird das Wasser eine Rolle spielen.
Foto: Silvio Wyszengrad Ulrich Müllegger verlässt das Welterbe‰Büro und geht in den Ruhestand. Auch in dieser Phase seines Lebens wird das Wasser eine Rolle spielen.

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