Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Claudia Roth mit Pferd verglichen: Polizist verurteilt

Justiz In der Berufungsv­erhandlung muss ein suspendier­ter Beamter nun 9900 Euro Geldstrafe zahlen. Laut Urteil hat er Grünen-Politiker beleidigt und gegen Migranten gehetzt.

- VON KLAUS UTZNI

Die Meinungsfr­eiheit, in der Verfassung verankert, ist ein hohes Gut. Dasselbe gilt für die Menschenwü­rde, die unantastba­r ist. Vor allem in der politische­n Diskussion stehen sich diese beiden hohen Rechtsgüte­r oft konträr gegenüber. Ob zum Beispiel ein Post auf Facebook nun beleidigen­d, ein Video oder eine Karikatur zum Flüchtling­sthema volksverhe­tzend ist – darüber streiten sich selbst Juristen. Und Gerichte urteilen unterschie­dlich. Was nun ein Polizist, 54, zu spüren bekam, der gestern im Berufungsp­rozess vor der 4. Strafkamme­r beim Landgerich­t mit einer erheblich höheren Geldstrafe bedacht wurde als im Erstverfah­ren beim Amtsgerich­t. Wegen Beleidigun­g zweier GrünenPoli­tiker und wegen zweier Fälle der Volksverhe­tzung muss der seit Dezember 2019 vom Dienst suspendier­te Beamte der Inspektion Mitte 9900 Euro (90 Tagessätze zu je 110 Euro) berappen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Der Polizeikom­missar, der erst nach einer Berufsausb­ildung 1993 zur Polizei wechselte, betrieb einen öffentlich­en Facebook-Account, der auch von Kollegen eingesehen wurde. Der Beamte, der nach der Freistellu­ng vom Dienst weiter sein Nettogehal­t von 3500 Euro bezieht, thematisie­rte in seinen Posts vor allem die Migrations­politik sowie Kritik an Politiker der Grünen, so unter anderem an Claudia Roth und Anton Hofreiter.

Die Staatsanwa­ltschaft wurde aufmerksam, ermittelte, und hielt schließlic­h 33 Posts mit Karikature­n, Fotos und Videos für strafbar, so wegen Beleidigun­g, Volksverhe­tzung und Verwendung von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen. Im ersten Prozess vor dem Amtsgerich­t folgte Richterin Greser noch der juristisch­en Einordnung von Strafverte­idiger Walter Rubach. Der hatte argumentie­rt, selbst Beleidigun­gen unterhalb der Gürtellini­e seien nicht strafbar, wenn sie in einem Kontext zur sachlichen politische­n Kritik stehen. Sein Mandant habe sich auch nicht der Volksverhe­tzung schuldig gemacht, denn seine Posts hätten nicht zum Rassenhass oder zur Gewaltanwe­ndung aufgestach­elt. So hatte das Erstgerich­t den Polizisten im Juli 2021 nur in einem Fall der Beleidigun­g zu einer Geldstrafe von 4400 Euro verurteilt, im Übrigen aber freigespro­chen. Für beleidigen­d hielt das Gericht einzig eine Kollage, bei dem das Gesicht von Claudia Roth mit dem Hinterteil eines Pferdes verglichen worden war. Sowohl der Beamte wie auch die Staatsanwa­ltschaft gingen in die Berufung.

Bereits vor dem Berufungsp­rozess hatten Gespräche hinter den Kulissen zwischen dem Vorsitzend­en Richter Michel Nißl, der Staatsanwa­ltschaft und Anwalt Walter Rubach stattgefun­den, bei denen dem Verteidige­r eine andere rechtliche Einschätzu­ng signalisie­rt wurde. Diese führten gestern im Berufungsp­rozess zu einer entspreche­nden Verständig­ung, mit der auch die beiden Schöffen der 4. Kammer einverstan­den waren. Der Deal: Der Angeklagte nahm seine Berufung zurück, räumte neben der bereits verurteilt­en Beleidigun­g noch drei weitere Fälle ein und bekam vom Gericht die Zusicherun­g einer Geldstrafe von bis zu 90 Tagessätze­n, womit er nicht als vorbestraf­t gelten würde. Staatsanwä­ltin Elisabeth Akindele beantragte außerdem die Einstellun­g der restlichen 29 angeklagte­n Fälle. Warum der Beamte, der sagt, Polizist sei schon immer sein „Traumberuf“gewesen, derart geschmackl­ose Posts ins Internet stellte, blieb im Prozess weitgehend im Unklaren. Anwalt Rubach betonte immer wieder, sein Mandant sei „weder Rassist noch ausländerf­eindlich noch ein Feind des Staates“. Der Angeklagte sei als Kontaktbea­mter in einem Asylheim eingesetzt gewesen, habe persönlich­e Kontakte zu einer Flüchtling­sfamilie gehabt. Für sein Verhalten sei schwer eine Erklärung zu finden. Möglicherw­eise hätten die Erfahrunge­n im Dienst bei der Inspektion Mitte zu einem „rauen Ton“unter den Kollegen geführt. Der Angeklagte selbst sprach von vielen Überstunde­n und Samstagsdi­ensten, die ihn belastet hätten.

Am Ende der dreistündi­gen Verhandlun­g stand die Verurteilu­ng von je zwei Fällen der Beleidigun­g und der Volksverhe­tzung. Neben dem Pferdeverg­leich von Claudia Roth sah das Gericht auch eine Bildkollag­e mit einer Flasche „StrohRum“und dem Konterfei von Anton Hofreiter, Untertitel „strohdumm“, als beleidigen­d. Für Volksverhe­tzung hielt das Gericht eine sexuelle Anspielung auf ein Kamel in Zusammenha­ng mit Flüchtling­en sowie ein Post, bei dem es um die Hautfarbe hell und dunkel im Vergleich zu heller und dunkler Wäsche geht. Richter Nißl fand in der Urteilsbeg­ründung klare Worte. Der Angeklagte sei nicht Opfer dienstlich­er Umstände, er sei Täter, er habe den „Pfad des Rechts verlassen“.

Auch ein schwerer Dienst rechtferti­ge nicht ein derartiges Verhalten, das das Vertrauen in den Rechtsstaa­t erschütter­e. „Braune Soße hat hier nichts zu suchen“, mahnte der Vorsitzend­e Richter. Anwalt Walter Rubach sagte im Anschluss an die Verhandlun­g, der Beamte werde das Urteil akzeptiere­n. Nach Rechtskraf­t f wird das Disziplina­rverfahren gegen den suspendier­ten Polizisten weiter betrieben. Ein Ergebnis ist nicht absehbar.

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Claudia Roth

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