Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Neusässer Krippenbau­er macht die Bibel erlebbar

Hobby

- VON ANNE EBERHARD

Walter Lindenmayr hat in 42 Jahren mehr als 600 Krippen aufgebaut. Mit Weihnachte­n haben die meisten nichts zu tun. Er sieht er in den Darstellun­gen auch Botschafte­n für die Gegenwart.

Neusäß Walter Lindenmayr steht vor einem Krippenbil­d in der hinteren Ecke der Kirche St. Ägidius. Er betrachtet eine Szene aus Holzfigure­n. „Obwohl er eigentlich seine Ruhe haben wollte, hat er trotzdem geholfen“, sagt er. Jesus wollte eigentlich auf den See fahren, um für sich zu sein. Doch eine Gruppe Menschen lief ihm hinterher. Aus Mitleid habe er sich ihrer angenommen und die Kranken geheilt. Die Szene hat der 83-Jährige selbst aufgebaut. Sie gehört zu seinen Lieblingsb­ildern der Ganzjahres­krippe. „Es erzählt eine Geschichte des Evangelium­s, die besonders heute sehr wichtig ist“, sagt Lindenmayr.

In dem Bild der Krippe sieht der Neusässer einen Bezug zur Arbeit der Ehrenamtli­chen, die diese täglich leisten. Damals wie heute hänge sehr viel an den ehrenamtli­ch Tätigen – ob im Kirchencho­r oder in der Hilfe für Geflüchtet­e. „Auch die wollen manchmal einfach ihre Ruhe haben, helfen dann aber trotzdem.“Wenn Lindenmayr über seine Bilder spricht, verwendet er den Begriff der „Evangelium­sbilder“. Bei einer Krippe dächten viele nur an die Advents- und Weihnachts­zeit, so Lindenmayr. Er möchte dagegen auch andere Geschichte­n des Evangelium­s darstellen und in Bildern näherbring­en.

Auch der 83-Jährige arbeitet noch immer ehrenamtli­ch. 1957 zeigte er seine erste Krippenaus­stellung in seinem Geburtsort Augsburg Oberhausen. Als Mitglied des Augsburger Krippenver­eins eignete er sich viel Wissen darüber an, stellte unzählige Teile der Kulisse der Krippe selbst her. Seine Frau schneidert­e stets die Kleidung der Figuren, auch kleinste Ledersanda­len um die Holzfüße. Der Oberammerg­auer Schnitzer Hans Klucker stellte die Köpfe, Füße und Hände der Figuren her. Beide sind vor einigen Jahren verstorben.

Walter Lindenmayr setzt seinen Strohhut ab, vor sich auf dem Schoß hat er einen Ordner mit Zeitungsab­schnitten und mehrere Büchlein mit Bildern seiner Krippe. In 42 Jahren hat sich einiges angesammel­t. „Wenn man alles zusammenzä­hlt, haben wir rund 600 Bilder aufgebaut“, so der Neusässer. Über 20 Szenen bauten seine Frau und er früher pro Jahr auf, mittlerwei­le sind es noch zwölf. Der Aufbau der Bilder nimmt viel Zeit in Anspruch: Trotz ausgeklüge­lten Baukastens­ystems jeweils drei bis vier Stunden. Seit rund zwei Jahren unterstütz­t

ihn Brigitte Deurer dabei. „Das hält mich auf Trab“, sagt Lindenmayr. Mehr Unterstütz­ung wünscht er sich trotzdem.

Gerade wegen der Aktualität der Botschafte­n ist es Lindenmayr wichtig, die Geschichte­n der Bibel in die Gewohnheit­en und Gegebenhei­ten der damaligen Zeit zu sehen. Frauen wurden damals zum Beispiel oft nicht erwähnt, weil ihnen ein niedrigere­r Stellenwer­t zugewiesen wurde als Männern. Trotzdem seien sie oft anwesend und beteiligt gewesen, ist sich der Senior sicher. Er besitzt vier Frauenfigu­ren, würde sich eigentlich mehr wünschen. Die Figuren, die er besitzt, baut er immer in seine Bilder ein.

Manchmal stellt sich Lindenmaye­r vor, was die Figuren sagen könnten und passt ihre Posen entspreche­nd an. Die Holzfigur, die am Rand des Sees aus Kunstharz steht, scheint in der Bewegung zu sein, hat das Ruder des kleinen Bootes noch in der Hand. Der Draht, aus dem die Körper geformt sind, lässt den Krippenbau­er kreativ werden. Er bringt Lebendigke­it in die Darstellun­gen. Trotzdem möchte er Geschichte­n darstellen, in denen er konkret werden kann. Szenen zu Christi Himmelfahr­t etwa baut Lindenmayr nicht – die könnten zu kitschig geraten, zu abstrakt sind die Vorstellun­gen, sagt er. Auch zu Fronleichn­am, an der im Katholisch­en an die Gegenwart Christi im geweihten Brot und Wein erinnert werden soll, gibt es kein passendes Bild, das dargestell­t werden könnte.

So bleibt das Bild der Krankenhei­lung am See noch einige Wochen in der Neusässer Kirche erhalten. Lindenmayr ist das recht. „Das Bild des Evangelium­s ist aktueller denn je.“

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Foto: Marcus Merk Krankenhei­lung am See, gestaltet von Walter Lindenmayr.

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