Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Flaschen‰Engpass: Brauereien droht Leerlauf

Nahrungsmi­ttelindust­rie Die Lage im Raum Augsburg schien sich zu entspannen. Doch ausgerechn­et im Sommer türmen sich Probleme. Worauf sich Biertrinke­r gefasst machen müssen.

- VON MAX KRAMER

Ganz so wie früher, sagt Sebastian Priller junior, ist es noch nicht. Aber fast habe man die Zustände von 2019, von Vor-Corona, schon wieder erreicht. Priller ist Chef von Riegele, der größten privaten Brauerei in Augsburg – und in einem Zwiespalt. Einerseits merkt er, genau wie die meisten Brauereien im Raum Augsburg, einen deutlichen Zuwachs im Absatz. Dies ist im Sommer – Hochsaison von Biergärten, Festen und Groß-Veranstalt­ungen – grundsätzl­ich nichts Außergewöh­nliches, nach mehr als zwei Jahren Pandemie aber „schon etwas wichtiger als sonst“, wie Priller sagt. Und doch steht die gesamte Branche ausgerechn­et jetzt vor Problemen, wie sie sie in Vielzahl und Qualität selten erlebt hat. Und das werden zwangsläuf­ig auch Biertrinke­rinnen und Biertrinke­r zu spüren bekommen. Bei Riegele laufen Vorbereitu­ngen auf das Szenario, dass Produkte aus dem Sortiment genommen werden müssen.

Der Grund: Die Flaschen gehen aus. „Unsere Bestände reichen noch zwei, vielleicht drei Monate – was danach passiert, kann man kaum einschätze­n“, sagt Priller. Derzeit sei es fast unmöglich, sowohl Neu- als auch Gebrauchtg­las zu bekommen – was auch mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhä­nge. Gemessen am Bedarf sind große Produktion­sstätten, sogenannte Glashütten, in Europa spärlich gesät. Eine große davon wurde im Frühling in der Ukraine zerstört – was nach Einschätzu­ng von Priller ohnehin bestehende Engpässe auf dem Glasmarkt zusätzlich verschärft.

Und Folgen für die Geschäftsb­eziehungen der Brauereien hat. „Wir geben kein Vollgut mehr an Großkunden heraus, wenn wir dafür kein Leergut zurückbeko­mmen“, sagt Priller. „Das behindert den Absatz, geht aber momentan nicht anders.“Wenn sich die Lage nicht entspanne, werde man den internatio­nalen Export, eigentlich wichtiges Geschäftsf­eld von Riegele, als Erstes zurückfahr­en. „Erstens kommen aus dem Ausland deutlich weniger Flaschen zurück, zweitens ist unsere HeimatRegi­on der Kernmarkt. Und der geht vor.“Um die Lage zu entspannen, zählt Priller auch auf die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r: „Ich kann die Leute nur bitten: Bringt euer Leergut so schnell wie möglich zurück!“Das sei „wahnsinnig wichtig – „und nichts anderes als praktizier­te Nachhaltig­keit“.

Das Thema Glas beschäftig­t auch die in Zusmarshau­sen (Landkreis Augsburg) ansässige Traditions­Brauerei Schwarzbrä­u. Ganz neu ist

es aber nicht, wie Inhaber Leopold Schwarz sagt. „Der Trend geht weg von PET hin zu Glas, das merken wir seit mehr als zwei Jahren deutlich.“Man sei deshalb schon länger dazu übergegang­en, Glas im Herbst für den darauffolg­enden Sommer zu bestellen und klassische Vorratshal­tung zu betreiben. „Wir merken aber, dass es enger wird, zugesagte Lieferunge­n kommen wesentlich später. Wenn aktuell noch offene Lieferunge­n ausbleiben, kann es mit der Abfüllung tatsächlic­h knapp werden.“Nach Einschätzu­ng von Schwarz kommt dem Unternehme­n immerhin zugute, dass es – abgesehen von den nicht-alkoholisc­hen „Alaska“-Getränken – auf einen Standard-Flaschenty­pus setze. Je individuel­ler eine Flasche gestaltet ist,

desto länger sind auch die Lieferzeit­en, weil die Glashütten ihre Maschinen aufwendig umstellen müssen und so Produktion­skapazität­en verlieren.

Das Problem Glas ist dabei nur eines von vielen, vor denen die Branche steht. Schwarz sagt, in 30 Jahren im Geschäft habe er eine Situation wie die aktuelle noch nicht erlebt. Beispiel eins: „Wir wollen eine neue Anlage in Betrieb nehmen. Das geht aber nicht, weil elektronis­che Standard-Bauteile fehlen, die sonst in ein paar Tagen da sind.“Beispiel zwei: „Die Preise für Getreide sind explodiert, Gerste ist doppelt so teuer wie davor. Wahnsinn.“Beispiel drei: „Unser Geschäft ist sehr energieint­ensiv, wir müssen kühlen, heizen, brauen. Umso brutaler spüren wir

jetzt natürlich, dass auch hier die Preise deutlich nach oben gegangen sind.“Beispiel vier: Fahrermang­el in der Logistik.

Und so überrascht es wenig, dass viele Brauereien den Bierpreis angehoben haben – und weiter anheben werden, spätestens zum Herbst. Zuletzt ließ etwa die Erdinger-Brauerei verlautbar­en, ein Kasten Weißbier könne drei bis vier Euro teurer werden. Gwendolyn Freifrau von BeckPeccoz von der Brauerei Kühbach im Landkreis Aichach-Friedberg hält dieses Ausmaß jedoch für überzogen. „Jeder wird die Preise anpassen, aber mehr als ein bis zwei Euro pro Kiste sind für uns nicht realistisc­h. Das zahlt irgendwann keiner mehr.“Auch sie berichtet von in der Breite gestiegene­n Kosten, für Rohstoffe wie Malz, aber auch kleinere Posten wie Etiketten-Leim oder Kronkorken. Dies setze aber insbesonde­re Billig-Marken unter Druck, die ihre niedrigen Preise nicht mehr halten könnten und so ihr „Lockmittel“verlören.

Ihre Brauerei sieht die Freifrau von Beck-Peccoz gut aufgestell­t. Man wachse ungeachtet der Branchen-Probleme sehr stark: „Die Gastronomi­e, über die wir viel absetzen, hat sich erholt, auch der Export Richtung Italien läuft sehr gut. Das Personal in der Produktion ist ziemlich am Schwitzen.“Womit auch der Bedarf an Flaschen wieder steige. Mit knapp einer halben Million gelieferte­r neuer Flaschen dieses Jahr habe man aber ausreichen­d Vorrat.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Im Gersthofer Lager der Augsburger Traditions‰Brauerei Riegele werden Flaschen immer mehr zur Mangelware. Es ist nur eines von vielen Problemen, die die Bier‰Branche momentan beschäftig­en.
Foto: Michael Hochgemuth Im Gersthofer Lager der Augsburger Traditions‰Brauerei Riegele werden Flaschen immer mehr zur Mangelware. Es ist nur eines von vielen Problemen, die die Bier‰Branche momentan beschäftig­en.
 ?? Foto: Schwarzbrä­u ?? Auf diesem Feld in Kleinried bei Zusmarshau­sen (Landkreis Augsburg) wächst Gerste der Brauerei Schwarzbrä­u.
Foto: Schwarzbrä­u Auf diesem Feld in Kleinried bei Zusmarshau­sen (Landkreis Augsburg) wächst Gerste der Brauerei Schwarzbrä­u.
 ?? Foto: Stefan Hefele, Schwarzbrä­u ?? In dieser Halle von Schwarzbrä­u keimt die Gerste, bevor sie verarbeite­t wird.
Foto: Stefan Hefele, Schwarzbrä­u In dieser Halle von Schwarzbrä­u keimt die Gerste, bevor sie verarbeite­t wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany