Augsburger Allgemeine (Land Nord)
80.000 Euro für einen Mord?
Justiz In der Region Augsburg sollte offenbar ein Oppositioneller des tschetschenischen Regimes umgebracht werden. Die Spur führt zum Führungszirkel des Diktators Ramsan Kadyrow.
Valid D. reiste in den Monaten vor seiner Verhaftung im Januar 2021 wohl mehrfach zwischen Deutschland und Tschetschenien hin und her. Aus Sicht der Ermittler der Bundesanwaltschaft mit einem bestimmten Zweck: Er plante demnach den Mord an einem tschetschenischen Blogger, der zu der Zeit im Raum Augsburg lebte. Am Mittwoch startete nun am Oberlandesgericht in München der Prozess gegen den 47-jährigen Russen, der enorme politische Brisanz beinhaltet. Denn die Spur, davon sind die Ermittler überzeugt, endet nicht bei Valid D. – sondern führt letztlich zum engen Zirkel um den tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow.
Opfer des mutmaßlich geplanten Attentates sollte demnach Mokhmad A. sein, 27 Jahre alt, seit 2017 Asylbewerber in Deutschland und ein öffentlich auftretender Kritiker des Kadyrow-Regimes. Laut Anklage ging dem Mordplan gegen ihn ein gescheitertes Attentat auf seinen Bruder Tumso A. voraus, ein bekannter Blogger und Youtuber, der seit Jahren gegen die tschetschenische Regierung opponiert und inzwischen in Schweden lebt. Ziel sei es gewesen, nach dem fehlgeschlagenen Mordversuch an Tumso A. „die Kritik durch die Tötung seines Bruders zum Schweigen zu bringen“, heißt es in der Anklage.
Den Ermittlungen zufolge hatte Valid D. 80.000 Euro zur Verfügung, um den Mord an Mokhmad A. zu planen; ihm oblag demnach „die Tatlogistik“, er habe sich gegenüber einem hohen Funktionär im Sicherheitsapparat des tschetschenischen Regimes bereit erklärt, für die „Tötung einer zentralen Stimme der Exil-Opposition“zu sorgen. Dieser hohe Funktionär soll nicht irgendwer, sondern ein Cousin von Ramsan Kadyrow sein. Der Funktionär heuerte laut Anklage auch einen weiteren Mann an, der das Attentat letztlich ausführen sollte. Valid D. soll diesen Mann im Sommer 2020 von
nach Deutschland geschleust haben, beide wurden wohl zwischenzeitlich wegen illegaler Einreise in Litauen aufgegriffen, konnten das Land aber offenbar schnell wieder verlassen und trafen sich in Deutschland wieder. Wenn es stimmt, was die Ermittler annehmen, dann scheiterte der Auftragsmord an Mokhmad A. vor allem an diesem ausgesuchten Killer. Lediglich aus
Angst vor Repressalien und nur zum Schein habe dieser Mann den Auftrag angenommen, heißt es. Zwar sollen Valid D. und der vermeintliche Attentäter in Deutschland noch eine Schießübung mit der geplanten Tatwaffe durchgeführt und im Dezember 2020 noch einmal den Wohnort von Mokhmad A. ausgekundschaftet haben, eine Asylbewerberunterkunft in der Nähe von Augsburg, doch zur Ausführung des mutmaßlich geplanten Anschlags kam es nicht. Die Polizei nahm Valid D. am 1. Januar 2021 mit einem Haftbefehl des Amtsgerichtes Augsburg in Schwerin fest, wo der 47-Jährige zuletzt gelebt hatte. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.
Es spricht vieles dafür, dass der letztlich als Mörder ausgesuchte Mann bei den Behörden auspackte und Valid D. daher auch in Untersuchungshaft kam, eine offizielle Bestätigung dafür gibt es indes noch nicht. Der Mann wird im Verfahren als Zeuge geführt, nicht als Verdächtiger, und an einem späteren ProzessTschetschenien tag aussagen. Zu Beginn der Verhandlung am Mittwoch wurde die Anklage des Generalbundesanwalts verlesen, sehr viel mehr passierte nicht. Valid D. werde zunächst schweigen, teilte sein Anwalt Ullrich Knye mit. Das Verfahren ist komplex; der Prozess dürfte eine Weile dauern. Der Staatsschutz-Senat unter dem Vorsitzenden Richter Christoph Wiesner hat gut 40 Verhandlungstage bis Ende des Jahres angesetzt. Mokhmad A. tritt in der Verhandlung als Nebenkläger auf und steht ebenfalls auf der Zeugenliste.
In den vergangenen Jahren wurden mehrfach tschetschenische Oppositionelle im europäischen Ausland umgebracht. Und auch in Deutschland kam es zu einem solchen Fall. Im August 2019 wurde der tschetschenischstämmige Georgier Zelimkhan Khangoshvili in Berlin erschossen. Sein Mörder, ein russischer Staatsbürger, wurde im Dezember wegen Mordes im Auftrag des russischen Staates zu lebenslanger Haft verurteilt.