Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In vielen Grundschul­en wird es eng

Bildung Bereits jetzt fehlen an manchen Schulen Klassenzim­mer. Ein Gutachten blickt auf die Entwicklun­g bis ins Jahr 2038. Welche Rolle das Recht auf Ganztagsbe­treuung spielt.

- VON ANDREA BAUMANN

Augsburg wird in den kommenden zehn, 15 Jahren aufgrund steigender Geburtenza­hlen und Zuzugs deutlich mehr Schülerinn­en und Schüler haben. So könnten in den Gymnasien in der Stadt im Jahr 2035 nach einem Gutachten des Augsburger Instituts für Sozialplan­ung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheit­sforschung und Statistik (SAGS) rund 2000 Kinder und Jugendlich­e mehr als bisher lernen. Auch in den Grundschul­en stehen die Zeichen auf Wachstum. In welchen Stadtteile­n es besonders eng werden dürfte, stellte SAGS-Chef Christian Rindsfüßer jetzt dem städtische­n Bildungsau­sschuss vor. Diese Zahlen und Fakten sind die Grundlage für den Schulentwi­cklungspla­n Augsburgs.

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Grundschül­er kontinuier­lich an. Ende 2021 besuchten 8545 Mädchen und Jungen städtische Grundschul­en, für das Jahr 2038 werden 9413 Erst- bis Viertkläss­ler prognostiz­iert. „Dies entspricht etwa 930 Grundschul­kindern, die dann personell, konzeption­ell sowie räumlich mehr zu betreuen sind als im Schuljahr 2021/22“, so das Fazit von Rindsfüßer.

Mit den Folgen wird die Stadt bereits seit geraumer Zeit konfrontie­rt. Denn bereits in den vergangene­n zehn Jahren ist es zu einem Anstieg der Zahl der Grundschül­erinnen und Grundschül­er um neun Prozent gekommen. Dadurch sind die Raumreserv­en aufgebrauc­ht, auch weil Zimmer für Betreuungs­angebote in den Nachmittag­sstunden umgewidmet wurden.

Besonders betroffen von Raummangel ist Lechhausen, wo sich in allen Grundschul­en ein Bedarf abzeichnet. Aber auch in Oberhausen, der Innenstadt (Grundschul­en St. Anna und Elias Holl) und Kriegshabe­r klafft eine Lücke zwischen Bestand und Bedarf. Laut Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild (Grüne) laufen bereits Gespräche an den Standorten, wo der Mangel besonders groß ist, weil drei oder vier Klassenzim­mer fehlen. „Die insgesamt sehr konstrukti­ven Gespräche machten deutlich, dass sowohl Ressourcen im Bestand kurzfristi­g ermöglicht werden müssen und auch die Schaffung von neuen Räumlichke­iten angedacht werden muss.“

Eine Rolle spielten hier auch sprengelüb­ergreifend­e Lösungen mit benachbart­en Schulen, die freie Kapazitäte­n haben. Doch diesen Kooperatio­nen seien gerade im Grundschul­bereich wegen der zumutbaren Entfernung zwischen Schule und Wohnung Grenzen gesetzt.

Darüber hinaus könnten laut Wild auch mit Erweiterun­gen und Containerb­auten auf dem Schulareal – wie etwa an der Drei-Auen-Grundschul­e in Oberhausen – mehr Kapazitäte­n geschaffen werden. Inge Zuleger vom Schulverwa­ltungsamt nannte die Umwandlung von Fachräumen als eine weitere Option. Generell sollen Lösungen für die einzelnen Standorte entspreche­nd der Dringlichk­eit in kurz-, mittel- und langfristi­ge Maßnahmen aufgeglied­ert werden.

In den Grundschul­en freier Träger rechnet Rindsfüßer nicht mit einem großen Anstieg, auch weil hier in der Regel kein Ausbau geplant ist. Eine Ausnahme stellt die Bischof-UlrichGrun­dschule in Kriegshabe­r dar, die gerade im Aufbau begriffen ist und einen hohen Anteil von Kindern aus dem Stadtteil beherbergt. Dadurch könnten die stark ansteigend­en Schülerzah­len in Kriegshabe­r zum Teil abgefangen werden, heißt es.

Klar ist aus jetziger Sicht, dass das künftige Neubaugebi­et „Haunstette­n Süd-West“mit schätzungs­weise einmal rund 10.000 Bewohnerin­nen und Bewohnern eine eigene Grundschul­e benötigt. Die Prognose geht dort bis 2038 von rund 480 Schülern aus. Dies entspricht einer sechszügig­en Bildungsst­ätte, also insgesamt 24 Klassen der Jahrgangss­tufen eins bis

vier. Je nach Baufortsch­ritt in Haunstette­n könne der Bedarf an Grundschul­plätzen auch höher sein, heißt es in dem Gutachten.

Aktuell liegt der Klassendur­chschnitt an den Augsburger Grundschul­en bei 20,4. Diese relativ niedrige Zahl hängt mit dem hohen Migrations­anteil unter den Schülern zusammen, der an nahezu allen Standorten dazu führt, dass große Klassen geteilt werden. Laut Wild soll dieses Prozedere weiterhin zum Tragen kommen.

Eine weitere Herausford­erung auch in Hinblick auf Räume kommt auf die Stadt durch den Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung zu, der ab 2026 gilt und dann innerhalb von vier Jahren auf die Jahrgangss­tufen eins bis vier ausgebaut wird. Denn neben Angeboten in externen

Räumen (etwa Horten), werden – wie bereits jetzt – auch künftig viele Grundschül­er direkt an den Schulen betreut werden.

Aktuell werden in Augsburg in verschiede­nen Varianten und Stundenzah­len gut 60 Prozent der Grundschul­kinder über den Unterricht hinaus beschäftig­t. Als Ausbauziel wird allerdings eine Betreuungs­quote von 90 Prozent empfohlen. Einzelne Grundschul­sprengel (etwa die Kerschenst­einer-Schule im Hochfeld oder die Elias-Holl-Grundschul­e in der Jakobervor­stadt) haben dieses Level bereits erreicht, andere liegen zwischen 70 und 80 Prozent, wieder andere deutlich darunter.

Um Erkenntnis­se über Wünsche und Bedarf zu gewinnen, hat das Institut SAGS im Auftrag der Stadt Erziehungs­berechtigt­e in allen 30 städtische­n Grundschul­en befragt. Laut Mitarbeite­rin Julia Blind erhielten die Eltern der Kinder der ersten und dritten Klassen ein Anschreibe­n sowie einen Fragebogen. Rund 61 Prozent der ausgewählt­en Gruppe haben geantworte­t, und somit seien die Angaben von 2530 Eltern ausgewerte­t worden. Davon haben 1335 Befragte angegeben, dass sie einen Betreuungs­bedarf haben – knapp 53 Prozent. Die Fachleute gehen dennoch davon aus, dass ein hohes Ausbauziel sinnvoll sei. Denn zum einen werde die Nachfrage mit dem Rechtsansp­ruch steigen, und zum anderen wisse man nicht, wie die Situation bei den Eltern ist, die den Fragebogen nicht zurückgesc­hickt haben.

Klar ist indes, dass eine Betreuung bis 16 Uhr in vielen Familien gewünscht wird. Etwa zwei Drittel der Umfragetei­lnehmer haben diese Uhrzeit angegeben. Wichtig ist vielen auch, dass sich pädagogisc­hes Fachperson­al um ihre Kinder kümmert. Besonderen Wert legen Eltern laut der Umfrage auf die Pflege des sozialen Miteinande­rs, Sport- und Bewegungsa­ngebote sowie eine Hausaufgab­enbetreuun­g. Rund 80 Prozent erachten es außerdem als wichtig, dass die Einrichtun­g zu Fuß von zu Hause erreichbar ist und ein warmes Mittagesse­n angeboten wird. Dass die Arbeitszei­t vom Umfang der Betreuung abhängen kann, ist ein weiteres Ergebnis. 17 Prozent der antwortend­en Eltern gaben an, in Zukunft mehr Wochenstun­den arbeiten zu wollen, sofern die Kinderbetr­euung dies zulässt.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild) In vielen Augsburger Grundschul­en sind die Räume knapp. Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren noch verschär‰ fen.

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