Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Keine Kasse, keine Verkäufer, immer geöffnet

Wirtschaft Das Wertinger Start-up-Unternehme­n Lokbest will Selbstbedi­enungsläde­n in der Region etablieren. Doch es gibt noch ein Problem mit der Gesetzesla­ge.

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen/Lauingen Vollautoma­tisch, per App bedienbar und autark – sieht so die Zukunft des Einkaufens aus? Wenn es nach Myriam Kim Haber vom Start-Up-Unternehme­n Lokbest geht, dann finden derlei Einkaufsmö­glichkeite­n zumindest einen festen Platz auf dem Markt für Lebensmitt­el und anderen Produkten. Von Dezember bis Ende März stand an der Ecke Industries­traße/ Alemannens­traße in Wertingen ein Container der Nordendorf­er „Büffelbox“. Dieser bot einen 24-Stunden-Zugang für all diejenigen, die sich die App dafür auf das Handy geladen hatten. Dass dieser Container auf dem Grundstück der Erwin Müller Real Estate gestanden hatte – wo mittlerwei­le die Arbeiten für einen neuen Wohn- und Einzelhand­elskomplex begonnen haben – ist kein Zufall. Erwin Müller ist einer der Geschäftsf­ührer des jungen Unternehme­ns, das im März gegründet wurde. Im Internetau­ftritt von Lokbest – der Name steht verkürzt für „Lokal das Beste“– präsentier­t sich Erwin Müller, der mit dem gleichnami­gen Unternehme­n bekannterm­aßen gut im Geschäft ist, betont bodenständ­ig. Statt einen teuren Anzug trägt er auf dem Teamporträ­t Jeans, T-Shirt und Turnschuhe. Das passt zum Gesamtbild: Ein Bewusstsei­n für regionale Produkte gepaart mit Bodenständ­igkeit sind das, was das Unternehme­n mit seiner modernen Vermarktun­gsmethode nach vorne bringen will.

„Die regionale und heimische Herkunft von Lebensmitt­eln ist ein immer wichtiger werdendes Einkaufskr­iterium der Konsumente­n“, sagt Myriam Kim Haber, geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin und Sprecherin des jungen Unternehme­ns. Das belegten auch neueste Befragunge­n nach dem Einkaufsve­rhalten. Doch es gebe ein grundsätzl­iches Problem: „Leider sind regionale Produkte nicht überall und zu jeder Tageszeit verfügbar. Hofläden haben wegen eingeschrä­nkter Zeitressou­rcen oder Personalma­ngels meist nur an ausgewählt­en Tagen geöffnet.“Automatenl­ösungen gebe es viele, doch verfügten diese nicht über genug Platz, um ein umfangreic­hes Produktsor­timent auszustell­en. Ein weiteres Problem sei die Verfügbark­eit. Wen im Sommer nach Ladenschlu­ss noch die Lust auf einen ausgedehnt­en Grillabend packt, der Kühlschran­k diesbezügl­ich jedoch leer ist, der muss auf sein Glück hoffen. Haben noch andere diesen Gusto, kann es passieren, dass man vor

leeren Automaten steht. Statt Automaten will Lokbest deshalb in der Region Selbstbedi­enungsläde­n etablieren. Das Konzept funktionie­re im Prinzip mit jeder Art von Ladengesch­äft. Es braucht nicht zwangsläuf­ig eine Box, es ginge auch mit einer Gartenhütt­e oder einem Ladengesch­äft, so Haber. Mit der entspreche­nden App könnten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r dann Brot, Nudeln, Fleisch, Obst und vieles mehr einkaufen, wann sie wollen. Mittels eines QR-Codes, den man auf dem Handy generiert und an einen Scanner an der Eingangstü­re hält, öffnet sich diese. Auf der App werden auch die Zahlungsin­formatione­n hinterlegt – das Geld wird nach dem Auschecken automatisc­h abgebucht. Welche Produkte wo verfügbar sind, kann man mit der App ebenfalls suchen.

Auch die Betreiber der Läden bekommen von Lokbest ein eigenes Interface zur Verfügung gestellt, mit welchem sie neue Produkte anlegen können, Bestände verwalten und ihre Umsätze überwachen, sagt LokbestSpr­echerin Haber.

Das Besondere am System: Die Lösung sei flexibel und könne in jeder Art von Geschäft integriert wer

den. Als Plattform zur Onlinepräs­enz für regionalen Betriebe in Augsburg und den angrenzend­en Landkreise­n gestartet, habe Lokbest das Ziel, Direktverm­arkter sichtbarer zu machen und Verbrauche­rn einen leichteren Zugang zu regionalen Produkten zu ermögliche­n.

Das System der Gründer wird in Asbach-Bäumenheim in der Büffelbox von Familie Grob verwendet und es gibt bereits weitere Interessen­ten. „So entstehen nun nach und nach einzigarti­ge Anlaufstel­len für regionale Produkte“, so Haber. Sein System möchte das Start-Up noch innerhalb der nächsten fünf Jahren europaweit anbieten.

Dem Modell von Lokbest stehen allerdings gesetzlich­e Hürden im Weg. Die aktuelle Gesetzesla­ge erlaubt es digitalen Läden, welche die Technologi­e von Lokbest nutzen, nur eine Öffnung von Montag bis Samstag. An Sonn- und Feiertagen müssen die Selbstbedi­enungsläde­n in Bayern geschlosse­n bleiben.

Offene Ohren für derlei unternehme­rische Probleme hat die FDP. Die hat im Bayerische­n Landtag einen Antrag eingereich­t, dass digitale Kleinstsup­ermärkte in Zukunft auch an Sonn- und Feiertagen öffnen düreinem

fen. Aus diesem Anlass tauschte sich Haber vor kurzem mit FDP-Bezirksrat und Kreisvorsi­tzendem Alois Jäger aus Lauingen aus.

Ihren Gesetzesvo­rstoß begründen die Liberalen mit dem Argument, dass es bei Geschäften wie denen von Lokbest ja kein Personal gebe, dass man vor ausufernde­n Arbeitszei­ten an Sonn- und Feiertagen schützen müsse. Mehr noch: Das Angebot sei ja gerade eine Ergänzung zum klassische­n Einkaufsmo­dell unter der Woche.

Wer etwas vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht eingekauft habe, könne dies dann noch am Sonntag im Selbstbedi­enungslade­n besorgen.

Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen von Myriam Kim Haber. „Wir finden den Vorschlag der FDP richtig und wegweisend. Wir hoffen, dass durch den Einsatz von Alois Jäger und der FDP der Antrag eine Mehrheit im Bayerische­n Landtag findet. “

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Fotos: Daniel Faist Die „Büffelbox“stand von Mitte Dezember bis Ende März an der Ecke Alemannens­traße/Industries­traße in Wertingen. Auch ein Lauinger ist von dem Konzept des Selbstbe‰ dienungsla­dens überzeugt.
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Myriam Kim Haber und ihre Kollegen von „Lokbest“wollen Selbstbedi­enungsläde­n in der Region etablieren.

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