Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auch Genesene können sich mit BA.5 anstecken

Pandemie Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Omikron-Variante in Deutschlan­d durchgeset­zt und lässt die Fallzahlen steigen. Minister Lauterbach will jetzt mit einem Sieben-Punkte-Plan reagieren.

- VON MARINA KRAUT UND STEFAN LANGE

Berlin Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach hat angesichts wieder höherer Corona-Infektions­zahlen zu Vorsicht aufgerufen und bereitet ein Schutzkonz­ept für den Herbst vor. Es sei klar, dass Deutschlan­d mehr brauche, „als was wir jetzt an Sommerreif­en aufgezogen haben“, sagte Lauterbach und ergänzte: „Die Winterreif­en werden vorbereite­t.“Lauterbach will in Kooperatio­n mit Hersteller­n wie Biontech oder Moderna eine Impfkampag­ne vorbereite­n, deren Ziel es ist, ab September verschiede­ne Vakzine für unterschie­dliche Virusvaria­nten anbieten zu können – unterschie­dliche Mischungen für unterschie­dliche Bedürfniss­e also.

Er gehe persönlich davon aus, dass auch „Impfstoffe entwickelt werden, mit denen wir im Wesentlich­en die Ansteckung­en verhindern können“. Der Minister machte aber keinen Hehl daraus, dass nur ein Teil der Wissenscha­ft hinter dieser Einschätzu­ng steht. Was jetzt jedoch schon klar ist: Es soll „keinen erneuten Versuch geben, die allgemeine Impfpflich­t einzuführe­n“.

Lauterbach­s Impfkampag­ne ist Teil eines Sieben-Punkte-Plans. An zweiter Stelle auf der Liste steht ein Testkonzep­t, das er bald vorlegen will. Dahinter steckt vor allem die Frage, wie es mit den kostenfrei­en Corona-Tests weitergeht, die am 30. Juni auslaufen. Der Minister verhandelt gerade innerhalb der Regierung ums Geld, ist jedoch zuversicht­lich. „Ich gehe davon aus, dass wir die Bürgertest­s im Sommer weiter nutzen können“, sagte er.

Zum Schutz von Risikogrup­pen sind demnach präzisere Zuständigk­eitsvorgab­en für Hygienevor­gaben in Pflegeheim­en vorgesehen. Ab September sollen zudem Daten zu freien Betten in Krankenhäu­sern tagesaktue­ll elektronis­ch an das Robert-Koch-Institut (RKI) übermittel­t werden können.

Die Bürgerinne­n und Bürger forderte Lauterbach auf, eigene Vorsichtsm­aßnahmen zu treffen. „Das Maskentrag­en in den Innenräume­n ist eine Möglichkei­t, wie man sich und andere schützt“, sagte er. Dies müsse „zur Normalität gehören“, forderte der SPD-Politiker. Grund für den aktuellen Anstieg der Corona-Zahlen ist die BA.5-Variante, die auch in Deutschlan­d zirkuliert.

Erste Erkenntnis­se legen nahe, dass sich selbst bereits Genesene mit dem Subtyp infizieren können. Auch diejenigen, die vorab an einer Omikron-Variante (BA.1/BA.2) erkrankt waren, können sich erneut anstecken. Gleiches gilt für Geimpfte. Professor Clemens Wendtner,

Immunologe und Chefarzt an der München Klinik Schwabing, stellt allerdings klar: „Wir wissen noch nicht viel.“Was aber weiterhin gelte: Die Impfung schützt vor einem schweren Verlauf – auch bei Omikron.

Der Anteil der BA.4- und BA.5-Fälle nimmt aktuell in Deutschlan­d schnell zu. Wendtner vermutet sogar, dass die Variante bereits dominant, also vorherrsch­end, ist. Das berichtet auch das Münchner Labor Becker, das seine Proben nach Subtypen untersucht. Laut dessen Zahlen lag der Anteil der beiden Subtypen an den Omikron-Fällen in Süddeutsch­land vergangene Woche bei 50,4 Prozent. Eine Woche zuvor lag der Anteil noch bei 30,8 Prozent.

Die Folge dürfte ein weiterer Anstieg der Fallzahlen sein. Wendtner sagt: „Wir müssen wohl eine Sommerwell­e erwarten.“Die gute Nachricht: Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass ein Krankheits­verlauf mit den Subtypen schwerer verlaufen könnte als bei anderen Omikron-Varianten. Das würden Studien zeigen.

Allerdings steigt mit der Zahl der Infizierte­n auch die Zahl der Krankenhau­spatienten. Nach Angaben von Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin, sind die Zahlen zwar so niedrig wie seit Ende August 2021 nicht mehr. „Die Zahl ist aber auch nicht so niedrig wie in den vergangene­n beiden Sommern“, sagte Marx.

Die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 haben im Vergleich zu ihren ähnlichen Virusvaria­nten zwei „Vorteile“: Zum einen „sind sie noch infektiöse­r und breiten sich daher vermutlich noch schneller aus, als wir dies von BA.1 oder BA.2 bereits kennen“, erklärt Wendtner. Hinzu kommt, dass sie dem Impfschott entkommen. Ein Problem ist, sagt Wendtner, dass die gängigen Impfstoffe auf frühere Varianten optimiert wurden. Es brauche deshalb Anpassunge­n bei neuen Vakzinen. Und zwar möglichst schnell. Dennoch sollte man bei lang zurücklieg­ender Impfung nicht auf den Herbst warten, es gelte die Devise: „Im Zweifel schon im Sommer boostern“, sagt Wendtner.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauter‰ bach.

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