Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Auch Genesene können sich mit BA.5 anstecken
Pandemie Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Omikron-Variante in Deutschland durchgesetzt und lässt die Fallzahlen steigen. Minister Lauterbach will jetzt mit einem Sieben-Punkte-Plan reagieren.
Berlin Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat angesichts wieder höherer Corona-Infektionszahlen zu Vorsicht aufgerufen und bereitet ein Schutzkonzept für den Herbst vor. Es sei klar, dass Deutschland mehr brauche, „als was wir jetzt an Sommerreifen aufgezogen haben“, sagte Lauterbach und ergänzte: „Die Winterreifen werden vorbereitet.“Lauterbach will in Kooperation mit Herstellern wie Biontech oder Moderna eine Impfkampagne vorbereiten, deren Ziel es ist, ab September verschiedene Vakzine für unterschiedliche Virusvarianten anbieten zu können – unterschiedliche Mischungen für unterschiedliche Bedürfnisse also.
Er gehe persönlich davon aus, dass auch „Impfstoffe entwickelt werden, mit denen wir im Wesentlichen die Ansteckungen verhindern können“. Der Minister machte aber keinen Hehl daraus, dass nur ein Teil der Wissenschaft hinter dieser Einschätzung steht. Was jetzt jedoch schon klar ist: Es soll „keinen erneuten Versuch geben, die allgemeine Impfpflicht einzuführen“.
Lauterbachs Impfkampagne ist Teil eines Sieben-Punkte-Plans. An zweiter Stelle auf der Liste steht ein Testkonzept, das er bald vorlegen will. Dahinter steckt vor allem die Frage, wie es mit den kostenfreien Corona-Tests weitergeht, die am 30. Juni auslaufen. Der Minister verhandelt gerade innerhalb der Regierung ums Geld, ist jedoch zuversichtlich. „Ich gehe davon aus, dass wir die Bürgertests im Sommer weiter nutzen können“, sagte er.
Zum Schutz von Risikogruppen sind demnach präzisere Zuständigkeitsvorgaben für Hygienevorgaben in Pflegeheimen vorgesehen. Ab September sollen zudem Daten zu freien Betten in Krankenhäusern tagesaktuell elektronisch an das Robert-Koch-Institut (RKI) übermittelt werden können.
Die Bürgerinnen und Bürger forderte Lauterbach auf, eigene Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. „Das Maskentragen in den Innenräumen ist eine Möglichkeit, wie man sich und andere schützt“, sagte er. Dies müsse „zur Normalität gehören“, forderte der SPD-Politiker. Grund für den aktuellen Anstieg der Corona-Zahlen ist die BA.5-Variante, die auch in Deutschland zirkuliert.
Erste Erkenntnisse legen nahe, dass sich selbst bereits Genesene mit dem Subtyp infizieren können. Auch diejenigen, die vorab an einer Omikron-Variante (BA.1/BA.2) erkrankt waren, können sich erneut anstecken. Gleiches gilt für Geimpfte. Professor Clemens Wendtner,
Immunologe und Chefarzt an der München Klinik Schwabing, stellt allerdings klar: „Wir wissen noch nicht viel.“Was aber weiterhin gelte: Die Impfung schützt vor einem schweren Verlauf – auch bei Omikron.
Der Anteil der BA.4- und BA.5-Fälle nimmt aktuell in Deutschland schnell zu. Wendtner vermutet sogar, dass die Variante bereits dominant, also vorherrschend, ist. Das berichtet auch das Münchner Labor Becker, das seine Proben nach Subtypen untersucht. Laut dessen Zahlen lag der Anteil der beiden Subtypen an den Omikron-Fällen in Süddeutschland vergangene Woche bei 50,4 Prozent. Eine Woche zuvor lag der Anteil noch bei 30,8 Prozent.
Die Folge dürfte ein weiterer Anstieg der Fallzahlen sein. Wendtner sagt: „Wir müssen wohl eine Sommerwelle erwarten.“Die gute Nachricht: Bislang gebe es keine Hinweise darauf, dass ein Krankheitsverlauf mit den Subtypen schwerer verlaufen könnte als bei anderen Omikron-Varianten. Das würden Studien zeigen.
Allerdings steigt mit der Zahl der Infizierten auch die Zahl der Krankenhauspatienten. Nach Angaben von Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, sind die Zahlen zwar so niedrig wie seit Ende August 2021 nicht mehr. „Die Zahl ist aber auch nicht so niedrig wie in den vergangenen beiden Sommern“, sagte Marx.
Die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 haben im Vergleich zu ihren ähnlichen Virusvarianten zwei „Vorteile“: Zum einen „sind sie noch infektiöser und breiten sich daher vermutlich noch schneller aus, als wir dies von BA.1 oder BA.2 bereits kennen“, erklärt Wendtner. Hinzu kommt, dass sie dem Impfschott entkommen. Ein Problem ist, sagt Wendtner, dass die gängigen Impfstoffe auf frühere Varianten optimiert wurden. Es brauche deshalb Anpassungen bei neuen Vakzinen. Und zwar möglichst schnell. Dennoch sollte man bei lang zurückliegender Impfung nicht auf den Herbst warten, es gelte die Devise: „Im Zweifel schon im Sommer boostern“, sagt Wendtner.