Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was Menschen an Augsburg mögen – und was nicht

Statistik Miete, Schule, Verkehr: Wo liegen die Stärken und Schwächen der Stadt? Eine Bürgerumfr­age liefert nun ein breites Stimmungsb­ild. Vor allem in einem Bereich nehmen die Probleme deutlich zu.

- VON MAX KRAMER

Gerade an diesen Tagen fällt es leicht, die schönen Seiten Augsburgs zu sehen. Vor den Eisdielen tummeln sich erwartungs­frohe Menschen, die Biergärten sind voll, man genießt gut gelaunt die Sonne und den Sommer. Und doch ist die Frage, wie es den Augsburger­innen und Augsburger­n in ihrer Stadt geht, naturgemäß komplexer. Eine Untersuchu­ng hält der Stadt nun einen Spiegel vor. Die aktuelle Bürgerumfr­age zeigt klar, wo die Menschen Augsburgs Stärken und Schwächen sehen, womit sie zufrieden sind – und auch, welche Probleme sich im Lauf der Jahre zunehmend verschärft haben.

Alle zwei Jahre begibt sich die Stadt auf die Spur des Wohlbefind­ens ihrer Bürgerinne­n und Bürger. Ergebnis ist eine repräsenta­tive Bürgerumfr­age, deren Ergebnisse es der Stadt Augsburg nach eigenen Angaben ermögliche­n sollen, „bürgernah und zielorient­iert auf die Bedürfniss­e der Stadtgesel­lschaft einzugehen“. Die aktuelle Bürgerumfr­age 2021, an der rund 20.000 Augsburger­innen und Augsburger teilnahmen, ist die zehnte seit dem Beginn 2003.

Insgesamt fühlen sich die Augsburger­innen und Augsburger wohl dort, wo sie leben. Sowohl mit Blick auf die Gesamtstad­t als auch auf den eigenen Stadtteil gaben die Befragten den Mittelwert 5,3 an – bei einer Skala von 1 (sehr ungern) bis 6 (sehr gern). Im Vergleich zur Bürgerumfr­age 2011 ist der Wert leicht gestiegen, im Vergleich mit 2019 minimal gesunken. Letzteres könnte aber auch mit dem Gesamteind­ruck der Pandemie zu tun haben.

Ohnehin kann man davon ausgehen, dass Corona einen Einfluss auf die Zufriedenh­eit der Menschen hatte. In welchem Umfang, ist jeweils schwer zu beurteilen. Beim Blick auf die Entwicklun­g der Stärken und Schwächen (4 = große Stärke, 1 = große Schwäche) zeigt sich aber, dass sich im Vergleich zu 2019 fast jeder erfasste Wert verschlech­tert hat. Dies betrifft insbesonde­re die Bereiche Freizeit und Kultur, mit Ausnahme von „Auswahl an Einkaufsmö­glichkeite­n“aber auch die fünf größten Stärken, die die Augsburger­innen und Augsburger identifizi­eren. An erster Stelle, und das mit weitem Abstand, steht seit 2003 die Geschichte. Der Wert 3,5 ist zwar niedriger als das 2009 erreichte Maximum (3,7), bewegt sich aber im Vergleich auf sehr hohem Niveau. Auch die Bereiche Lebensqual­ität und Architektu­r werden überdurchs­chnittlich und seit 2011 immer besser bewertet.

Dem gegenüber stehen fünf Schwächen. Hier zeigt sich vor allem, wie teuer Wohnen in Augsburg geworden ist. So werden die Grundstück­sund Immobilien­preise mit 1,5 bewertet – im Vergleich aller Kategorien entspricht dies der niedrigste­n Bewertung seit Beginn der Bürgerumfr­agen. 2011, als sich die Verschärfu­ng auf dem Markt bereits andeutete, lag sie noch bei 2,4. Ähnlich stellt sich die Entwicklun­g bei den Mietkosten dar (2011: 2,5; 2021: 1,7). Auch bei der Benennung der größten Probleme – ohne Skala – liegen die „Mietkosten“in der Rangfolge auf Platz eins, gefolgt vom „Immobilien­markt“. Als drittgrößt­es Problem wird der Verkehr gesehen, gefolgt von der Finanzlage der Stadt. Letztere ist seit Beginn der Bürgerumfr­agen unter den Top-Vier-Problemen.

Auffällig ist, dass Bereiche, die Umweltakti­vistinnen und -aktivisten in den vergangene­n Jahren zunehmend moniert haben, auch in der öffentlich­en Wahrnehmun­g immer schlechter abschneide­n. So ging die Zufriedenh­eit mit den Aspekten „Ökologie/Natur-Umwelt-Klimaschut­z“(2017: 2,73; 2021: 2,59) sowie „Fahrradfre­undlichkei­t“(2017: 2,51; 2021: 2,36) zurück. Die Stadt Augsburg sieht dafür „gesellscha­ftliche Gründe“ursächlich. Was meint sie damit? „Es ist zu vermuten, dass sich die gefühlte Wahrnehmun­g der Bevölkerun­g zu diesen Thematiken durch eine stärkere Präsenz verändert hat“, erklärt Benedikt Unger vom Amt für Statistik auf Nachfrage. Dies sei mutmaßlich „auch beeinfluss­t von Protestbew­egungen und -organisati­onen“. Nicht ermitteln lasse sich jedoch, ob das veränderte Antwortver­halten primär von „eventuell aufgedeckt­en Defiziten“beeinfluss­t worden sei – oder doch eher von anderen Effekten wie sozialer Erwünschth­eit. Dies ist der Fall, wenn sich eine Antwort an der Vorstellun­g orientiert, was gesellscha­ftlich akzeptiert oder erwünscht ist.

Im Bereich „Angebote und Einrichtun­gen“sind die Augsburger­innen und Augsburger vor allem mit Naherholun­gsmöglichk­eiten zufrieden (3,4 von 4), auch allgemeine Einkaufsmö­glichkeite­n und das gastronomi­sche Angebot stellen sie zufrieden (jeweils 3,3 von 4). Am schlechtes­ten werden die öffentlich­en Toiletten (2) und die Schulen (2,1) bewertet. Gerade im Bereich Bildung und Erziehung hat die Zufriedenh­eit im Verlauf der vergangene­n Jahre kontinuier­lich am stärksten nachgelass­en. Bei den Schulen sank die Zufriedenh­eit seit 2011 um 0,5 Punkte, bei den Kindertage­sstätten seit 2015 um 0,3 Punkte.

Durchaus positiv entwickelt sich dagegen das Sicherheit­sgefühl. Laut Kriminalst­atistik ist Augsburg die zweitsiche­rste Großstadt Deutschlan­ds, dies äußert sich auch in der Wahrnehmun­g der Menschen. Auf einer Skala von 1 (sehr unsicher) bis 4 (sehr sicher) fühlten sich die Befragten tagsüber in ihrer Wohnung mit 3,8 am sichersten, an Bahnhöfen am unsicherst­en (3,2). Nach Einbruch der Dunkelheit verringert sich die gefühlte Sicherheit allerdings deutlich. Mit einem Mittelwert von 2,3 fühlen sich die Menschen nachts in Parks und Grünanlage­n sogar eher unsicher.

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Foto: Silvio Wyszengrad/Bayerische­s Landesamt für Denkmalpfl­ege Die Preise für Mieten und Immobilien sorgen für Unzufriede­nheit. Die Geschichte sehen viele Bürgerinne­n und Bürger dagegen als herausrage­ndes Merkmal der Stadt. Auf un‰ serem Bild rechts zeigt Stadtarchä­ologe Sebastian Gairhos römische Silbermünz­en, die 2021 gefunden wurden.

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