Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Uraltes Korn erzeugt speziellen Nudelgeschmack
Essen aus der Heimat
Einkornnudeln stehen hoch im Kurs bei Familie Fischer in Bobingen. Sie baut seit einigen Jahren Emmer und Einkorn an. Die alten Getreidesorten werden immer beliebter.
Bobingen Marcus Fischer ist Landwirt auf dem Bäurle-Hof in Bobingen. Auf seinen Feldern baut er auf etwa 50 Hektar Weizen an. Zudem tüftelt er seit 2019 an zwei Nischenprodukten: an Einkorn und Emmer, den Urgetreidesorten, die sich aktuell immer größerer Beliebtheit erfreuen. Das hat seine Gründe.
Den Anbau von Einkorn und Emmer bezeichnet Marcus Fischer als „Spielerei“, in die er aber jede Menge Herzblut steckt. Was 2019 als Versuch begonnen hat, wird nun jährlich angebaut und in Form von Korn, Mehl, Grieß und Nudeln im Hofladen angeboten. Bald könnte es auch bei der Bäckerei Kästele im Ort ein Brot aus dem Urgetreide geben, verrät Fischer, denn der Bäcker hat begonnen, mit Emmer zu backen.
Fischer selbst hat seit der Einkorn-Premiere 2019 auf dem Feld nachjustiert. Eigentlich ließe sich das Saatgut zweimal im Jahr säen: im Frühjahr und im Herbst. Der erste Versuch, das Einkorn im Frühjahr auszusäen, sei jedoch suboptimal verlaufen, erklärt Fischer rückblickend. Rasend schnell sei das Einkorn gewachsen, berichtet der Landwirt. Doch ebenso schnell sei es auch umgekippt, denn die „faseligen Halme“sind fein und dünn und damit nur wenig standfest. Auf den Geschmack haben sich die umgekippten Halme nicht ausgewirkt, aber die Fahrt mit dem Mähdrescher sei nur schwerlich Essen aus möglich gewesen,
erinnert er sich. der Heimat
Mit der Aussaat des österreichischen Saatguts im Herbst sei Fischer dann deutlich besser gefahren. Über den Winter wuchs das Einkorn nur mäßig in die Höhe und blieb dafür stehen.
Im Vergleich zu anderen Getreidesorten ist der Ertrag bei Einkorn gering und liegt bei etwa einem Drittel des Weizenertrags. Emmer bringt zwei Drittel des Weizens ein. Umgerechnet auf die Ernte bedeutet das, dass Fischer von einem Hektar Einkorn 35 bis 30 Dezitonnen ernten kann – eine Maßeinheit, die bei Landwirten eher als Doppelzentner bekannt ist. Beim Emmer sind es 60 bis 65, bei Dinkel 65 bis 80 und beim Weizen 80 bis 100 Doppelzentner.
Nicht nur mit Blick auf den Anbau musste Fischer dazulernen und umdenken – auch in puncto Weiterverarbeitung. Einen Betrieb zu finden, der die geringe Menge von etwa einer Tonne Einkorn entspelzen, also schälen, und vermahlen kann, war die Herausforderung, die
Fischer nun gemeistert hat. Dabei hat er einen Glücksgriff gelandet, denn der Dienstleister hat sich einst selbst eine Kleinmühle gebaut, in der nun gleich mehrere Produkte vom Bäurle-Hof verkaufsfertig gemacht werden: Das Einkorn wird entspelzt und in Form von Körnern abgefüllt. Zudem werden Weißmehl und Grieß aus dem Einkorn. Und wenn Fischer seine Eier liefert, werden aus Grieß, Eiern und Salz direkt Nudeln „vom eigenen Korn“, wie es auf der Verpackung heißt.
Im Hofladen in Bobingen gehören Einkornnudeln zu den beliebtesten Produkten, verrät Fischer. Die Nudeln kommen aber auch bei der eigenen Familie gut an. Die fünf Söhne von Fischer hätten einen sehr positiven „Prüfbericht“abgeben, berichten der Landwirt und seine Ehefrau. Kräftiger und nussiger als Weizennudeln seien die Einkornnudeln, erklärt Ehefrau Anja Fischer. Im Sommer reicht sie gerne Spargel und im Winter kräftige Gorgonzolasoße dazu.
Anja Fischer ist auch gefragt, wenn es um die Verarbeitung von Mehl und Körnern geht, denn das Einkorn hat ganz eigene Backeigenschaften. In Rührkuchen und Mürbteig lässt sich das Einkornmehl ähnlich verwenden wie Dinkelmehl. Durch die spezielle Zusammensetzung des Klebereiweißes im Einkornmehl brauchen diese Teigsorten etwas mehr Flüssigkeit, beispielsweise ein Ei mehr. Geht es da
rum, mit Hefe oder Sauerteig und Einkornmehl zu backen, verlängert sich die Ruhe- beziehungsweise Gehzeit des Teigs.
Ob Einkorn bei einer Glutenunverträglichkeit besser verdaulich ist, muss ausprobiert werden. Urgetreidesorten wie Einkorn und Emmer seien oft sogar glutenreicher als Dinkel und Weizen, erklärt Ernährungsberaterin Angelika Wenninger. Allerdings wurden Einkorn und Emmer nicht auf die idealen Backeigenschaften „gezüchtet“, sondern vergleichsweise wenig weiterentwickelt. Das könne dazu führen, dass Produkte aus Einkorn und Emmer bei einer Unverträglichkeit besser geeignet sind, denn „gering verarbeitete Lebensmittel stabilisieren unsere Verdauung“, weiß die Ernährungsberaterin.
Da das Einkorn nur ein Korn pro Ährenspindel hat, fest im Spelz sitzt und eine schlechtere Standfestigkeit auf dem Feld hat, gibt es für dieses ertragsärmere Getreide kaum Weiterzüchtungen, die die Backeigenschaften verbessern. Das kann der Verträglichkeit zugutekommen, sei aber auch eine Herausforderung für all jene, die mit Einkorn backen möchten. Mit Ascorbinsäure oder Acerolakirsche ließe sich die Standfestigkeit der Speisen verbessern, verrät Angelika Wenninger. Zudem könne Einkornmehl gut für flache Backwaren wie etwa Pfannkuchen verwendet werden oder als Flocken in Müsli, Muffins und Bratlingen.