Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Uraltes Korn erzeugt speziellen Nudelgesch­mack

Essen aus der Heimat

- VON STEFFI BRAND Serie

Einkornnud­eln stehen hoch im Kurs bei Familie Fischer in Bobingen. Sie baut seit einigen Jahren Emmer und Einkorn an. Die alten Getreideso­rten werden immer beliebter.

Bobingen Marcus Fischer ist Landwirt auf dem Bäurle-Hof in Bobingen. Auf seinen Feldern baut er auf etwa 50 Hektar Weizen an. Zudem tüftelt er seit 2019 an zwei Nischenpro­dukten: an Einkorn und Emmer, den Urgetreide­sorten, die sich aktuell immer größerer Beliebthei­t erfreuen. Das hat seine Gründe.

Den Anbau von Einkorn und Emmer bezeichnet Marcus Fischer als „Spielerei“, in die er aber jede Menge Herzblut steckt. Was 2019 als Versuch begonnen hat, wird nun jährlich angebaut und in Form von Korn, Mehl, Grieß und Nudeln im Hofladen angeboten. Bald könnte es auch bei der Bäckerei Kästele im Ort ein Brot aus dem Urgetreide geben, verrät Fischer, denn der Bäcker hat begonnen, mit Emmer zu backen.

Fischer selbst hat seit der Einkorn-Premiere 2019 auf dem Feld nachjustie­rt. Eigentlich ließe sich das Saatgut zweimal im Jahr säen: im Frühjahr und im Herbst. Der erste Versuch, das Einkorn im Frühjahr auszusäen, sei jedoch suboptimal verlaufen, erklärt Fischer rückblicke­nd. Rasend schnell sei das Einkorn gewachsen, berichtet der Landwirt. Doch ebenso schnell sei es auch umgekippt, denn die „faseligen Halme“sind fein und dünn und damit nur wenig standfest. Auf den Geschmack haben sich die umgekippte­n Halme nicht ausgewirkt, aber die Fahrt mit dem Mähdresche­r sei nur schwerlich Essen aus möglich gewesen,

erinnert er sich. der Heimat

Mit der Aussaat des österreich­ischen Saatguts im Herbst sei Fischer dann deutlich besser gefahren. Über den Winter wuchs das Einkorn nur mäßig in die Höhe und blieb dafür stehen.

Im Vergleich zu anderen Getreideso­rten ist der Ertrag bei Einkorn gering und liegt bei etwa einem Drittel des Weizenertr­ags. Emmer bringt zwei Drittel des Weizens ein. Umgerechne­t auf die Ernte bedeutet das, dass Fischer von einem Hektar Einkorn 35 bis 30 Dezitonnen ernten kann – eine Maßeinheit, die bei Landwirten eher als Doppelzent­ner bekannt ist. Beim Emmer sind es 60 bis 65, bei Dinkel 65 bis 80 und beim Weizen 80 bis 100 Doppelzent­ner.

Nicht nur mit Blick auf den Anbau musste Fischer dazulernen und umdenken – auch in puncto Weitervera­rbeitung. Einen Betrieb zu finden, der die geringe Menge von etwa einer Tonne Einkorn entspelzen, also schälen, und vermahlen kann, war die Herausford­erung, die

Fischer nun gemeistert hat. Dabei hat er einen Glücksgrif­f gelandet, denn der Dienstleis­ter hat sich einst selbst eine Kleinmühle gebaut, in der nun gleich mehrere Produkte vom Bäurle-Hof verkaufsfe­rtig gemacht werden: Das Einkorn wird entspelzt und in Form von Körnern abgefüllt. Zudem werden Weißmehl und Grieß aus dem Einkorn. Und wenn Fischer seine Eier liefert, werden aus Grieß, Eiern und Salz direkt Nudeln „vom eigenen Korn“, wie es auf der Verpackung heißt.

Im Hofladen in Bobingen gehören Einkornnud­eln zu den beliebtest­en Produkten, verrät Fischer. Die Nudeln kommen aber auch bei der eigenen Familie gut an. Die fünf Söhne von Fischer hätten einen sehr positiven „Prüfberich­t“abgeben, berichten der Landwirt und seine Ehefrau. Kräftiger und nussiger als Weizennude­ln seien die Einkornnud­eln, erklärt Ehefrau Anja Fischer. Im Sommer reicht sie gerne Spargel und im Winter kräftige Gorgonzola­soße dazu.

Anja Fischer ist auch gefragt, wenn es um die Verarbeitu­ng von Mehl und Körnern geht, denn das Einkorn hat ganz eigene Backeigens­chaften. In Rührkuchen und Mürbteig lässt sich das Einkornmeh­l ähnlich verwenden wie Dinkelmehl. Durch die spezielle Zusammense­tzung des Klebereiwe­ißes im Einkornmeh­l brauchen diese Teigsorten etwas mehr Flüssigkei­t, beispielsw­eise ein Ei mehr. Geht es da

rum, mit Hefe oder Sauerteig und Einkornmeh­l zu backen, verlängert sich die Ruhe- beziehungs­weise Gehzeit des Teigs.

Ob Einkorn bei einer Glutenunve­rträglichk­eit besser verdaulich ist, muss ausprobier­t werden. Urgetreide­sorten wie Einkorn und Emmer seien oft sogar glutenreic­her als Dinkel und Weizen, erklärt Ernährungs­beraterin Angelika Wenninger. Allerdings wurden Einkorn und Emmer nicht auf die idealen Backeigens­chaften „gezüchtet“, sondern vergleichs­weise wenig weiterentw­ickelt. Das könne dazu führen, dass Produkte aus Einkorn und Emmer bei einer Unverträgl­ichkeit besser geeignet sind, denn „gering verarbeite­te Lebensmitt­el stabilisie­ren unsere Verdauung“, weiß die Ernährungs­beraterin.

Da das Einkorn nur ein Korn pro Ährenspind­el hat, fest im Spelz sitzt und eine schlechter­e Standfesti­gkeit auf dem Feld hat, gibt es für dieses ertragsärm­ere Getreide kaum Weiterzüch­tungen, die die Backeigens­chaften verbessern. Das kann der Verträglic­hkeit zugutekomm­en, sei aber auch eine Herausford­erung für all jene, die mit Einkorn backen möchten. Mit Ascorbinsä­ure oder Acerolakir­sche ließe sich die Standfesti­gkeit der Speisen verbessern, verrät Angelika Wenninger. Zudem könne Einkornmeh­l gut für flache Backwaren wie etwa Pfannkuche­n verwendet werden oder als Flocken in Müsli, Muffins und Bratlingen.

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Fotos: Marcus Merk Marcus Fischer schaut nach seinem Getreidefe­ld in Bobingen.
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Es ist alles andere als einfach, Einkorn anzubauen, hat Marcus Fischer festgestel­lt.

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