Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Weise Worte, fliegende Fäuste
Freilichtspiel Zwei unterschiedliche Freiheitskämpfer stehen in Altusried auf der Bühne: Dichter Schiller und Wilderer Hiasl. Zu erleben ist ein Mix aus Komödie und Drama mit Pulverdampf.
Altusried Eine saftige Wirtshausschlägerei tobt am Anfang des neuen großen Stücks auf der Freilichtbühne Altusried. Männer und Frauen gehen aufeinander los, verpassen sich Faustschläge und Kinnhaken, ohrfeigen sich, dass es eine wahre Lust ist. Und das alles im Takt einer schrägen Musik. Die spaßige Keilerei gibt den Sound vor für „Schiller & der Bayerische Hiasl: Wir Räuber“. In den folgenden drei Stunden wird das Leben des Wilderers Matthäus Klostermayr erzählt, der mit seiner Bande im 18. Jahrhundert das Land zwischen Iller und Lech unsicher machte und schon zu Lebzeiten zu einer Legende und nach seiner grausamen Hinrichtung gar zum Volkshelden wurde.
Hört sich nach dramatischem Spektakel an – was es auch ist. Aber wie der Titel schon sagt, mischt in dem Schauspiel einer mit, der nichts mit dem Bayerischen Hiasl zu tun hatte: Friedrich Schiller. Der Autor des Stücks, Volker Klüpfel, und Regisseurin Jana Vetten experimentieren damit, den jungen Dichter auf den berühmten Räuber treffen zu lassen. Das liegt einerseits nahe, weil Schiller gleich zu Beginn seiner Karriere mit dem Drama „Die Räuber“Furore machte – Schiller ließ sich angeblich von Aufstieg und Fall des bayerisch-schwäbischen Räuberhauptmanns inspirieren.
Aber der Kunst-Kniff erlaubt es den Theatermachern zugleich, mehr als nur das aufregende Leben von Klostermayr und dessen Streben nach Freiheit nachzuerzählen. So stehen nämlich gleich zwei Freiheitskämpfer auf der Bühne. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Der eine, Hiasl, wehrt sich mit (Waffen-)Gewalt gegen die Gesetze der Obrigkeit; dieser bayerische Robin Hood schießt den edlen Herren das Wild weg, das die Ernte der Bauern frisst, und gibt es armen Leuten. Der andere, Schiller, ist ein idealistischer Rebell, der mit weisen
Worten und Sätzen die Machtverhältnisse der absolutistischen Staatsordnung infrage stellt und mit seinem aufklärerischen Stürmen und Drängen die Menschen aus ihren gesellschaftlich auferlegten Ketten befreien möchte.
Getroffen haben sich Matthäus Klostermayr (1736–1771) und Friedrich Schiller (1759–1805) nie. Aber Volker Klüpfel, der selbst immer wieder auf der Freilichtbühne in Altusried mitspielte und inzwischen mit den Kluftinger-Krimis (zusammen mit Michael Kobr) regelmäßig in den Bestseller-Listen landet, hat aus der fiktiven Begegnung dramatisches und komödiantisches Potenzial gezogen. Herrlich, wie die beiden miteinander reden. Anfangs ist das eine lustige Sache, mit vielen Anspielungen auf Theaterwerke, Filme und Bücher. All die Ironie und Parodie, all der Spott und Klamauk amüsieren die Zuschauer. Später kommt es zu bitteren Auseinandersetzungen um Sinn und Unsinn des Räuberlebens. Fragen werden verhandelt wie: Darf man Angst und Schrecken verbreiten, um Freiheit und Gleichheit in einer ungleichen Gesellschaft herzustellen? Gibt es ein göttliches Gesetz, das über allem steht?
Das hört sich nach modernem, durchaus anspruchsvollem Theater an. Aber die Altusrieder Freilichtspieler – 300 auf der Bühne, 150 hinter den Kulissen – wissen, was sie ihrem Publikum noch bieten müssen: ein unterhaltsames Spektakel. Das gelingt auch dieses Mal. Das fesselnde Schauspiel mit viel Pulverdampf und illustrierender Musik überzeugte das Publikum bei der Uraufführung. Die Altusrieder Spielerinnen und Schauspieler setzen den Text von Volker Klüpfel – trotz ihres Amateur-Status – meist packend um.
Aufführungen Bis 21. August gibt es noch 24 Vorstellungen. Vorverkauf un ter Telefon 08373/922 00 sowie online unter allgaeuerfreilichtbuehne.de.