Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was kommt nach der Rente mit 67?

Soziales Die Bundesbank plädiert bereits für die Rente mit 69 – zum Verdruss der Politik.

- VON RUDI WAIS

Berlin/Augsburg Bis die Rente mit 67 für alle Beschäftig­ten eingeführt ist, werden noch acht Jahre vergehen – ob ihr dann schon bald die Rente mit 69 oder die Rente mit 70 folgen muss, ist gegenwärti­g eines der heißesten Eisen der Sozialpoli­tik. Zwar haben die Ampel-Parteien in ihrem Koalitions­vertrag vereinbart, das Rentenalte­r nicht anzutasten. Viele Experten aber halten das in einer rasant alternden Gesellscha­ft für ein riskantes Unterfange­n. In diesem Falle drohen nach neuen Berechnung­en der Bundesbank bis zum Jahr 2070 ein Anstieg der Beitragssä­tze von derzeit 18,6 auf 29 Prozent in der Rentenvers­icherung und deutlich höhere Steuern.

Das Jahr 2070 ist gefühlt zwar noch weit entfernt – viele Schüler, Jugendlich­e oder Auszubilde­nde von heute werden dann allerdings noch im Erwerbsleb­en stehen und mit solchen Realitäten konfrontie­rt sein. Als Ausweg aus dem demografis­chen Dilemma schlägt die Bundesbank deshalb vor, das Rentenalte­r wie andere Länder auch an die Lebenserwa­rtung zu koppeln und es bis zum Jahr 2070 auf 69 Jahre anzuheben: „Eine steigende Lebenserwa­rtung erhöht sukzessive den Druck auf die Rentenvers­icherung, wenn das gesetzlich­e Rentenalte­r ab 2031 unveränder­t bleibt.“Zwar stiegen die Beitragssä­tze und die Steuerzusc­hüsse an die gesetzlich­en Rentenkass­en auch dann noch an – langfristi­g aber bei weitem nicht so stark wie bei einem Beharren auf der Rente mit 67. Um das System stabil zu halten, überweist der Staat schon jetzt jedes Jahr mehr als 100 Milliarden aus dem Steuertopf an die Rentenvers­icherung – das entspricht, grob gerechnet, etwa einem Drittel des gesamten Bundeshaus­haltes.

Dass die Ampel-Koalition noch in dieser Wahlperiod­e die Erwerbsmin­derungsren­ten anheben will, begrüßen die Experten der Bundesbank dabei ausdrückli­ch: Wie heute werde es auch in Zukunft nicht jedem und jeder möglich sein, tatsächlic­h bis zum gesetzlich­en Rentenalte­r zu arbeiten. Genau deshalb will die Ampel auch nicht an der Rente mit 67 rütteln. „Die Vorstellun­g, dass man im Stahlwerk oder an der Supermarkt­kasse, als Polizistin oder als Krankensch­wester bis 70 arbeiten soll, die können nur Leute haben, die in einer ganz anderen Welt leben“, hat Arbeits- und Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) schon Ende Mai gewarnt. Er halte es daher für eine Phantomdeb­atte, Versichert­e bis zum 70. Lebensjahr arbeiten zu lassen.

Ähnlich argumentie­rt bisher auch die Union. „Für eine Anhebung der Regelalter­sgrenze gibt es aktuell keinen Handlungsb­edarf“betont der CSU-Sozialexpe­rte Stephan Stracke gegenüber unserer Redaktion. Er erwarte von Heil jedoch, dass dieser die Empfehlung­en der von ihm selbst eingesetzt­en Rentenkomm­ission ernst nehme und nun zügig ein Expertengr­emium einsetze, das bis zum Jahr 2026 eine Empfehlung über das künftige Rentenalte­r abgebe. Vor welchen finanziell­en Herausford­erungen künftige Regierunge­n stehen, verdeutlic­ht der Allgäuer Abgeordnet­e dabei mit einer Zahl: Allein der von der Bundesbank für das Jahr 2040 vorhergesa­gte Beitragssa­tz von 23 Prozent bedeute für Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er zusätzlich­e Kosten von gut 74 Milliarden Euro. Weitere 34 Milliarden Euro würde demnach die geplante Festschrei­bung des Rentennive­aus auf 48 Prozent verschling­en. Das bedeutet entgegen einem weitverbre­iteten Irrtum allerdings nicht, dass jeder Versichert­e auch 48 Prozent seines letzten Bruttogeha­ltes als Rente bekommt. Das Rentennive­au zeigt lediglich das Verhältnis zwischen der Rente und dem Einkommen eines Durchschni­ttsverdien­ers nach 45 Beitragsja­hren an, ist damit aber ein wichtiger Indikator für die weitere Entwicklun­g der Renten.

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