Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Dichterin klärt auf

Neuer Tagesroman ist „Das Fräulein von Scuderi“

- VON STEFAN DOSCH

Paris „im Herbste des Jahres 1680“: Ein Serienmörd­er hält die Stadt in Atem, seine Opfer sind durchweg mit einem teuren Schmuckges­chenk unterwegs, das der unbekannte Täter ihnen raubt, nachdem er ihnen den Dolch in die Brust gestoßen hatte. Wer ist dieser Mörder, was ist sein Motiv? Alles rätselt bis hinauf zum „Sonnenköni­g“Ludwig XIV. Bis eines Nachts im Hause der Madeleine de Scuderi, Dichterin bei Hofe, ein verwirrter junger Mann auftaucht, mit einem Kästchen kostbarste­n Schmucks. Die Neugier des ehrwürdige­n alten Fräuleins ist geweckt, hinter das Geheimnis der Mordserie zu kommen, und rasch landet sie beim berühmtest­en Goldschmie­d der Stadt, bei René Cardillac…

„Das Fräulein von Scuderi“gehört zu den beliebtest­en Erzählunge­n von E.T.A. Hoffmann, und das nicht ohne Grund. Hält die Mordgeschi­chte doch von Anfang an in Atem und spielt dabei virtuos mit der Bereitscha­ft des Lesers und der Leserin, sich mit auf Spurensuch­e zu begeben, nur um ein ums andere Mal ins Leere zu laufen.

Hoffmanns 1819 erschienen­e Novelle zählt zu den frühesten Kriminalge­schichten der deutschen Literatur, und die Figur des Fräuleins von Scuderi ist eine Ahnin jener betagten klugen Damen, die seither – man denke nur an Agatha Christies Miss Marple – Licht ins Dunkel des Verbrechen­s bringen.

Versteht sich, dass dies am Ende auch dem Fräulein von Scuderi gelingt, und nicht zuletzt deshalb, weil sie lieber auf ihre Fähigkeite­n als Dichterin vertraut als auf die grobschläc­htigen Methoden der amtlichen Ermittler: „Sie gedachte, sich [… ] noch einmal alles, wie es sich in jener verhängnis­vollen Nacht begeben, erzählen zu lassen, und so viel möglich in ein Geheimnis zu dringen, das vielleicht den Richtern verschloss­en geblieben, weil es wertlos schien, sich weiter darum zu bekümmern.“

„Das Fräulein von Scuderi“ist ab Freitag, 24. Juni, unser neuer Tagesroman. Wer mehr erfahren will über den Schriftste­ller E.T.A.Hoffmann (1776–1822), der sei auf die Würdigung dieser höchst farbigen Gestalt der deutschen Romantik in unserer Wochenenda­usgabe verwiesen – zum 200. Todestag des Juristen, Komponiste­n und Autors fantastisc­h dunkler Geschichte­n.

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